Digitalisierung in der Verwaltung Die vergessenen Kommunen

Von Natalie Ziebolz Lesedauer: 7 min

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Trotz ihrer bedeutenden Rolle im föderalen Deutschland haben Kommunen bei Fragen der Verwaltungsdigitalisierung und der IT-Infrastruktur wenig zu sagen. Das muss sich ändern, wenn die kommunalen Aufgaben in Zukunft noch bewältigt werden sollen.

Kommunen können die Digitalisierung ihrer Verwaltungen nicht alleine stemmen
Kommunen können die Digitalisierung ihrer Verwaltungen nicht alleine stemmen
(Bild: Ogerepus – stock.adobe.com)

„Für die meisten Verwaltungsdienstleistungen ist die Kommune die Anlaufstelle für die Bürger und Bürgerinnen.“ Was Peter Adelskamp, Chief Digital Officer (CDO) der Stadt Essen, so richtig feststellt, ist bei Digitalisierungsvorhaben im Public Sector nicht immer direkt zu erkennen: Städte und Gemeinden sind nicht nur für ihre eigenen kommunalen Serviceleistungen zuständig, sondern nehmen auch Anträge für Landes- und Bundesleistungen entgegen und bearbeiten diese, insgesamt laufen also rund 80 Prozent der Verwaltungsleistungen über die Kommunen. Bei der Digitalisierung dieser Prozesse werden Städte und Gemeinden somit zum Nadelöhr – und ihre Performance beeinflusst maßgeblich die Wahrnehmung der Bürger und Bürgerinnen.

Für diese sei es nicht erkennbar, welche Leistungen von der Kommune oder vom Bund erstellt wurden, so Adelskamp. Das ist allerdings nicht unbedingt positiv zu bewerten: „Aus dieser Sicht ist kaum ein Angebot mit dem anderen vergleichbar“, erklärt der CDO. „Die Bedienung ist unterschiedlich, Responsivität ist nicht immer gegeben, Mehrsprachigkeit und Zusatzfunktionen wie Screenreading sind mal vorhanden, mal nicht. Angebote werden, häufig bei EfA-Leistungen, gar nicht als kommunale oder hoheitliche Leistung erkannt und man fragt sich, ob man hier wirklich auf einer sicheren Behördenseite ist, weil man den Namen des Dienstleisters nicht kennt.“ Die negativen Auswirkungen auf das Vertrauen der Bürger wurde bereits in zahlreichen Studien bestätigt, und auch im internationalen Vergleich hinkt Deutschland in Sachen Verwaltungsdigitalisierung hinterher.

Gesetze, Regularien, aber keine Strategie

Dennoch werden die Kommunen immer noch nicht an den strategischen Entscheidungen beteiligt und können kein Feedback einbringen, wundert sich Lübecks CDO Dr. Stefan Ivens. Dabei merkt man schnell, wo die Schwierigkeiten liegen – wenn man nur zuhört. Ein Beispiel? Die deutsche Bürokratie: Oftmals verhinderten die gesetzlichen Rahmenbedingungen flexibles und schnelles Agieren, meinte etwa Thomas Bönig, Stuttgarts CIO und CDO, in unserem Podcast „Unbürokratisch“. Wolle man eine Videoberatung für die Stadt einführen, könne die Beschaffung bis zu zwei Jahre dauern – selbst wenn es bereits ein gutes Produkt auf dem Markt gibt.

Hinzu kommt die fehlende Gesamtstrategie für die Digitalisierung: „Das Onlinezugangsgesetz ist kein Digitalisierungsgesetz, auch wenn es immer so dargestellt wird“, so Bönig. Es digitalisiere nicht den Prozess – wie es alle anderen am Markt und in anderen Ländern machen –, sondern nur das Papier. „Das ist besonders dann mit sehr hohen Aufwänden verbunden, wenn Kommunen über Ticketsysteme anderer föderaler Ebenen Anträge bekommen, die nicht in kommunalen Fachverfahren weiterverarbeitet werden können und dort vorhandene Automatismen zur Sollstellung, Vereinnahmung und Beitreibung von Gebühren nicht genutzt werden können, sondern eine manuelle Bearbeitung erfolgen muss“, erklärt Adelsmann.

Dr. Stefan Ivens, Chief Digital Officer (CDO) der Hansestadt Lübeck
Dr. Stefan Ivens, Chief Digital Officer (CDO) der Hansestadt Lübeck
(Bild: Stadt Lübeck)

„Es ist außerdem zu bemängeln, dass die rechtliche Entwicklung dem technischen Fortschritt hinterherhinkt – z.B. die längst veraltete qualifizierte, elektronische Signatur – und so pragmatische Lösungen verhindert“, ergänzt Lübecks CDO, Dr. Stefan Ivens und folgert: „Die Vorteile der Digitalisierung werden oftmals durch erhöhte rechtliche Anforderungen, die in der analogen Welt sinnvoll waren, geschmälert.“ Das zeige, dass in den Gremien und der Politik teils noch ein rückständiges Denken herrsche, so Bönig. „Man schafft damit quasi eine ganz neue Form von Bürokratie, nämlich Bürokratie online anstatt bürgerzentrierte Services und Prozesse.“

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