Neue Akzente bei der Digitalisierung des Gesundheitswesen Warum eHealth am Scheideweg steht
2,2 Milliarden Euro hat die elektronische Gesundheitskarte laut dem Bund der Steuerzahler bereits verschlungen. Die Einführung ist jedoch nach wie vor ungewiss. Unser Autor, Staatssekretär a.D. Prof. Dr. Wilfried Bernhardt, analysiert, wie es im eHealth weitergehen muss.
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Die elektronische Gesundheitskarte hat eine lange Geschichte. Bereits das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung von 2004 sah die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte vor. Doch wurden die Zweifel, ob die Karte den Schutz der besonders sensiblen Gesundheitsdaten gewährleisten könne, ebenso wenig ausgeräumt, wie jene, ob der Aufwand für die Anschaffung nicht unverhältnismäßig groß sei.
Als 2009 die FDP das Bundesgesundheitsministerium übernahm, wurden erst einmal Pläne für das Rollout der elektronischen Gesundheitskarte gestoppt. Die Große Koalition hat dann 2015 das eHealth-Gesetz verabschiedet, das die Funktionalitäten der Karte schrittweise ausweiten, gleichzeitig aber das Problem des Datenschutzes lösen will. Vorgesehen sind etliche Etappen zur Einführung einer digitalen eHealth-Infra struktur mit höchsten Sicherheitsstandards bis Ende 2018. Für viele Umsetzungen des Gesetzes ist die Gematik (Gesellschaft für Telematik-Anwendungen der Gesundheitskarte mbH) zuständig, die 2005 gegründet wurde und mit 260 IT-Experten als Zentrales Koordinations- und Kommunikationszentrum u. a. für das Thema elektronische Gesundheitskarte fungiert.
Ein Kernelement des eHealth-Plans betrifft die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK), deren Einbindung in die gesamte Telematik-Infrastruktur sich als große Herausforderung herausstellt. Es lohnt sich ein genauerer Blick auf die Einführungsplanung der eGK: Derzeit wird die Karte als Microchipkarte an alle gesetzlich Versicherten ausgegeben. Der Chip enthält zuerst nur die Stammdaten des Versicherten. Diese sollen mit einem Lesegerät in der Arztpraxis oder im Krankenhaus ausgelesen und jeweils geprüft und aktualisiert werden.
Ziel dieses Stammdatenmanagements ist es, für aktuelle Daten des Versicherten in der Arztpraxis zu sorgen. Die medizinischen Notfalldaten – etwa bestehende Allergien oder Vorerkrankungen – können in den Arztpraxen auf Wunsch des Versicherten gespeichert und im Notfall von Ärzten und Notfallsanitätern gelesen werden. Ferner ist ein sogenannter Medikationsplan zur Reduktion gefährlicher Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln vorgesehen. Dieser soll künftig auch elektronisch von der eGK abrufbar sein.
Über den Umgang mit den Daten wurde politisch intensiv diskutiert. Datenschützer haben immer gefordert, dass sensible medizinische Daten nicht auf derselben Karte wie die Stammdaten des Patienten abgespeichert werden sollten, weil die Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung sensibler Daten dabei besonders groß sei. Das Konzept des eHealth-Gesetzes sieht eine Entscheidungsautonomie des Patienten vor: Dieser entscheidet darüber, welche über die verpflichtenden Daten hinausgehenden medizinischen Informationen gespeichert werden und wer darauf zugreifen darf.
Weitere freiwillige Anwendungen wie zum Beispiel eine Patientenakte werden wohl auf Servern in der Telematik-Infrastruktur abzulegen sein. Insoweit ist vorgesehen, dass die eGK nur als Zugang zu Daten zu nutzen ist, die an anderen Orten dezentral gespeichert werden. Ferner sollen die Ärzte die Daten nur verschlüsselt schreiben können und müssen oft mit der qualifizierten elektronischen Signatur arbeiten, was einen zugelassenen VPN-Konnektor voraussetzt.
Was heißt das für die neue Bundesregierung?
Die neue Bundesregierung ist gut beraten, nach Vereinfachungsmöglichkeiten zu suchen und die Rechte des Patienten zu stärken, ohne den Schutz persönlicher Daten zu gefährden. Zunächst sollte mit Erlaubnis des Patienten auf sogenannte Notfalldaten schnell zugegriffen werden können. Es sollte dabei bleiben, dass auf die Daten, die der Patient freiwillig speichert, nur er selbst zugreifen kann. Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte sieht dabei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt. Für die Patienten, die nicht selbst auf die freiwillig gespeicherten Daten zugreifen können, sollte ein Zugriff über Patiententerminals in Arztpraxen, Krankenhäusern und Apotheken möglich sein.
Allerdings dürfte die Tatsache, dass bisher die Patienten keinen direkten Zugriff auf die Patientenakte haben, sondern ihn erst beantragen müssen, noch nicht dem Grundsatz eines „selbstbestimmten“ Zugangs entsprechen. Bedenken gegen einen solchen unmittelbaren Zugriff gründeten sich vor allem auf das Argument, der Patient müsse vor unvorbereiteten und unkommentierten Erkenntnissen geschützt werden, die ihn psychisch destabilisieren könnten. Auch sei bei einem Zugriff von der privaten Wohnung des Patienten aus nicht gewährleistet, dass allen Datenschutzaspekten Rechnung getragen werde. Vermutlich spielt aber auch eine Rolle, dass Ärzte eine gewisse Kontrolle behalten wollen. Hier ist mehr Mut zur Patientenautonomie gefragt.
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