Bürgerorientierung und eGovernment Prozessoptimierung durch Nutzerzentrierung

Von Daniela Reichardt und Prof. Dr. Ralf-Rainer Piesold

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Die Stadt Frankfurt und die Frankfurt University of Applied Sciences ­forschen im Bereich Akzeptanzsteigerung von digitalen Verwaltungs­prozessen gemeinsam. Nun liegen erste Ergebnisse vor.

Die Optimierung von Verwaltungsprozessen muss auch die Wünsche der Bürger berücksichtigen
Die Optimierung von Verwaltungsprozessen muss auch die Wünsche der Bürger berücksichtigen
(© kamonrat - stock.adobe.com)

Die Stadt Frankfurt ist mit mehr als 750.000 Einwohnern die größte Kommune Hessens und das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum im Ballungsraum Rhein-Main, in dem mehr als 2 Millionen Menschen leben. Das Rhein-Main-Gebiet ist die wirtschaftlich stärkste Region Deutschlands, was die hohe bundesweite Bedeutung der Stadt Frankfurt verdeutlicht.

Die Frankfurt University of Applied Sciences hat über 15.000 Studierende in über 70 Studiengängen in vier Fachbereichen. In den Studiengängen Public und Non-Profit-Management sowie Public Administration, den die Hochschule u.a. mit der Stadt Frankfurt als duales Angebot anbietet, werden über 280 Studierende ausgebildet. Ein Studienschwerpunkt in diesen Studiengängen ist das Management öffentlicher Verwaltung und hierbei die Integration von eGovernment-Anwendungen und die digitale Transformation der Verwaltung.

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Die Stadt Frankfurt verfolgt seit 2013 mit ihrer eGovernment-Strategie u.a. die Verbesserung des Bürger- und Unternehmensservices, die Steigerung der Transparenz des Verwaltungshandelns und die Optimierung der Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger. Durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) erhalten die eGovernment-Angebote in Frankfurt einen erheblichen Schub. Neben den ca. 450 kommunalen OZG-Leistungen, die teilweise unter Beteiligung von Mitarbeitenden der Stadt Frankfurt in den Digitalisierungsfabriken des Landes Hessen entwickelt werden, hat die Stadt eine ergänzende Prioritätenliste von Digitalisierungsprojekten beschlossen.

Möglichkeiten für den Methodenmix
Zielgruppenbestimmung
  • Customer Journey, Service-Blueprints und Prototyp: An die Erkundungsphase schließt sich die Entwurfsphase an, dabei ist der Übergang teilweise fließend. Der wichtige Schritt der Visualisierung der Erfahrungen und Erkenntnisse wird der KGSt als Customer Journey bezeichnet. Dieser wird zu einem Service-Blueprint erweitert, der dann die Customer Journey mit den internen und externen Verwaltungsabläufen und Supportprozesse verbindet. Aus dieser Erkundungsphase geht man über zur Entwicklungsphase, in dem man u.a. einen Prototyp erstellt.
  • BPMN und Civento: Im zweiten Bereich des Lösungsraum werden die Erkenntnisse aus der Entwurfsphase durch BPMN (Business Process Model and Notation) in ein Modell überführt, das anschließend durch eine geeignete Digitalisierungsplattform für Verwaltungsprozesse, wie bspw. Civento, real implementiert wird. Im Anschluss wird in einer Testphase geprüft, ob das Ziel der Nutzerzentrierung auch erreicht wurde und wie die Ausgangslage noch weiter verbessert werden kann.
  • Die Wissenschaft vom Künstlichen: Der Wirtschaftsnobelpreisträger Herbert Simon hat sich schon vor über 40 Jahren mit der Frage befasst, wie man Entwerfen von Abläufen wissenschaftlich bewertet. Im Fall der Optimierung stellt sich die wissenschaftliche Frage, welches Design die beste Lösung in Hinblick auf die Anforderungskriterien ist. Man vergleicht das Design (Artefakt) erst einmal mit dem Unterlassen des Handelns also den Istzustand. Darüber hinaus sucht man Alternativen, u.a. mit einer Mittel-Zweck-Analyse. Bei der Alternativsuche werden sowohl neuere Erkenntnisse der Soziologie, Psychologie und Kognitionswissenschaften, als auch technische Innovationen berücksichtigt.
  • Kosten-Nutzen-Analyse: Es wirft sich die Frage auf, warum die Nutzerorientierung und natürlich der speziell ableitende Prozess nun vorteilhaft für eine Kommune ist. Die Stadt Frankfurt verfügt auch über Erfahrungen in der Umsetzung von Verwaltungsprozessen ohne die oben beschriebenen Verfahren. So wird der Bewohnerparkausweis, der ohne ein Service Design entwickelt wurde, schon seit Jahren digital angeboten. Die Herausforderung ist nun aufzuzeigen, inwieweit dem größeren Aufwand durch die erweiterte Nutzereinbindung, ein quantifizierbarer Nutzen gegenübersteht. Hier liegt der Schlüssel, um die Mitarbeitenden vor dem Hintergrund knapper Personalressourcen von der Vorgehensweise und somit ihrer Mitarbeit zu überzeugen. Die Stadt Frankfurt erarbeitet gerade ein Referenzmodell, geeigneter Methoden und Strukturen, für die nutzerzentrierte Digitalisierung zukünftiger Verwaltungsprozesse.
  • Service-Designer: Eine Erkenntnis, die sich schon herauskristallisiert hat, ist die Erkenntnis, dass größere Verwaltungen Service Design Experten ausbilden sollte. Dies geschieht u.a. in den oben genannten Studiengängen, wobei man schon heute festhalten kann, dass sich die Y- und Z-Generationen erheblich mit Digitalisierungsprojekten identifizieren und somit gegenüber der Digitalisierung aufgeschlossen sind. Da die Digitalisierung, die zwar durch das OZG Schub gewonnen hat, auch in den nächsten Jahren nicht abgeschlossen sein wird, ist gerade das Heranbilden einer Generation technikaffiner Verwaltungsmitarbeitenden eine Schlüsselfunktion zum Umbau der Verwaltung, die teilweise noch stark durch das Bürokratiemodell von Max Weber geprägt sind.

Übertragbare Konzeption

Aufgrund der großen Anzahl von Verwaltungsleistungen, die für eine Digitalisierung in Frage kommen, ist es zweckmäßig für die Designgestaltung eine übertragbare Konzeption oder ein Referenzmodell für alle Prozesse zu entwickeln. Dabei sollte diese Konzeption alle Phasen des Transformationsprozesses umfassen und in diesen die Schritte identifizieren, die trotz aller spezifischer Unterschiede, allen Prozessen gemeinsam sind. Als Optimierungskriterium dienen nicht nur die Faktoren Zeit und Kosten, sondern es wird insbesondere ein anthropozentriertes Kriterium hinzugefügt. Aufgrund der hohen Bedeutung dieser anthropozentrierten Dimension ergibt sich auch, dass diese in allen Phasen der Entwicklung des Service Designs einbezogen werden sollten.

Die Bedeutung der ­Nutzerorientierung

Für Prof. Dr. Ralf-Rainer Piesold ist es notwendig anthropozentrierte eGovernment-Systeme zu entwickeln. Schon alleine aus der scheinbar banalen Tatsache, dass die Nutzer von digitalisierten Verwaltungsleistungen fast ausnahmelos Menschen sind und gerade deren Nutzen optimiert werden soll. Aber es stellt sich heraus, dass die Nutzer sehr unterschiedlich sind. Überlegungen zur Verbesserung der Mensch-Maschine-Interaktion findet man schon in den frühen Arbeiten des Computerpioniers Doug Engelbart oder bei dem Apple Gründer Steve Jobs. Die Notwendigkeit einer einfachen und komfortablen Bedienung wird dabei insbesondere durch die Akzeptanzproblematik begründet.

In jüngeren Entwicklungen hat sich diese Ansicht noch verstärkt. So begründet Jeff Bezos den Erfolg von Amazon primär dadurch, dass sich die Prozesse optimal an den Interessen der Kundinnen und Kunden orientieren. Nur Computersysteme und Anwendungsprogramme, die einerseits Nutzen haben und deren Bedienung einfach ist, werden offensichtlich akzeptiert. Dies gilt uneingeschränkt auch für eGovernmentsysteme, wobei hier noch zu berücksichtigen ist, dass der Bürger immer auch noch die „analogen“ Verwaltungsleistungen einfordern kann.

Auch wenn hier ein grundlegender Unterschied zum eCommerce vorliegt, lohnt es sich, auf den Erfahrungen aus dem Bereich des eCommerce aufzubauen und die Nutzerzentrierung in den Vordergrund zu rücken. Dementsprechend hat auch das Bundesministerium des Inneren dieser Forderung bei der Umsetzung des OZGs diesem Faktor schon Rechnung getragen, in dem es Servicestandards als Qualitätsprinzipien von Verwaltungsleistungen voraussetzt und ausdrücklich auch die Kategorie „Nutzerzentrierung“ aufnimmt.

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