Matthias Selle, Kreisrat im Landkreis Osnabrück, im Interview Wird Intelligenztechnologie zum Treiber für die Verwaltung?

Von Natalie Ziebolz Lesedauer: 6 min

Anbieter zum Thema

Intelligenztechnologie bietet das Potenzial, die deutsche Verwaltungslandschaft grundlegend zu verändern und damit zu beschleunigen. Doch um dies zu realisieren, müssen Kommunen, Länder und der Bund gemeinsam handeln und neue rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen schaffen. Ein Gespräch mit Matthias Selle, Kreisrat im Landkreis Osnabrück und Vorsitzender des Innovationsnetzwerks Kommune X.0 e. V., über den Game Changer der Intelligenztechnologie in der Verwaltung.

Sieht das Arbeiten von morgen ganz anders aus? Intelligenztechnologien können es zumindest modernisieren.
Sieht das Arbeiten von morgen ganz anders aus? Intelligenztechnologien können es zumindest modernisieren.
(Bild: Stiefi – stock.adobe.com)

Herr Selle, in vielen Wirtschaftsbranchen verändern KI-Systeme auch organisatorische Strukturen. Wird die Intelligenztechnologie nun zum Game Changer für die deutsche Verwaltungslandschaft?

Selle: Das aufkommende Zeitalter der Intelligenztechnologie könnte tatsächlich auch zu einem entscheidenden Wandel in der deutschen Verwaltungslandschaft führen. Schätzungen von Verwaltungswissenschaftlern zufolge wird bis zum Ende dieses Jahrzehnts jeder Arbeitsplatz in der Öffentlichen Verwaltung mit intelligenten Systemen verbunden sein. Die Modernisierung durch innovative Technologien kann sich jedoch erst dann voll entfalten, wenn auch im Bund und in den Ländern die neuen Chancen in Bezug zu kommunalen Aufgaben erkannt und die dafür erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Sind denn die Verwaltungen der verschiedenen Ebenen bereit für diese Technologie?

Selle: Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Es ist offensichtlich, dass bisherige Bemühungen zur Etablierung verbindlicher technisch-organisatorischer Standards und rechtlicher Rahmenbedingungen in der deutschen Verwaltung nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt haben.

In den vergangenen Legislaturperioden hatten verschiedene Bundesregierungen Schwierigkeiten, klare rechtliche Rahmenbedingungen und verbindliche Standards für die technische Organisation festzulegen, die für die Aufgabenerledigung der Kommunen von Bedeutung sind.

Heute erinnern wir uns daran, dass bei der Ausarbeitung des ersten OZG-Gesetzes kommunale Experten – einschließlich Mitgliedern von Kommune X.0 – auf die absehbaren Schwachstellen hingewiesen haben.

In Zukunft müssen also Kompetenzen aus der kommunalen Praxis viel stärker in die Entwicklung neuer Architekturen für Datenplattformen und die dafür erforderlichen technischen Standards sowie rechtlichen Regelungen einbezogen werden.

Was muss sich denn aus Sicht des Innovationsnetzwerks Kommune X.0 aktuell ändern?

Selle: Ein wichtiger Schritt ist es, die Transformation nicht einfach durch Elektrifizierung analoger Verwaltungsprozesse anzugehen, was häufig schon als Digitalisierung missverstanden wird. Stattdessen müssen bestehende Barrieren in verfassungsrechtlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht überwunden werden, um das volle Potenzial zu erschließen.

Das transformative Potenzial der Intelligenztechnologie erlaubt vollkommen neue, organisationsübergreifende Ansätze für Verwaltungsleistungen. In Forschungseinrichtungen, der IT-Wirtschaft und auf Verwaltungsebene wird bereits intensiv daran gearbeitet. Hierbei spielen ebenenübergreifend organisierte und kompatible Datenplattformen eine zentrale Rolle, um eine effiziente und sichere Verwaltungsmodernisierung zu realisieren.

Die Daten für intelligente Systeme werden größtenteils auf der kommunalen Ebene in Registern, Digitalen Zwillingen und Kooperationsplattformen generiert und aktualisiert. Die Schaffung solcher Plattformen erfordert die aktive Unterstützung der Kommunen und ein neues Verständnis für ein nachhaltiges Datenmanagement. Künftig werden kommunale Mitarbeiter verstärkt für die Kuratierung und Pflege dieser Plattformen sowie für die Bereitstellung von intelligenten Diensten verantwortlich sein.

Entwickelt sich damit nicht auch ein neues Rollenverständnis für Kommunen – über die künftige Daseinsvorsorge hinaus?

Selle: So kann man das sehen. Die neuen Datenplattformen dienen nicht nur lokalen Verwaltungszwecken, sondern bilden auch die Grundlage für evidenzbasierte Entscheidungen auf höheren Ebenen. Somit wird die historische Rolle der Kommunen als organisatorischer Grundpfeiler für unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung im Zeitalter der Intelligenztechnologie an Bedeutung gewinnen.

Aktuell zeigte sich bereits, welche erleichternde Auswirkungen eine integrierte Datenplattform für Bürgerinnen und Bürger haben könnte: Die Befragung aller Grundstückseigentümer zur Grundsteuer hätte gar nicht stattfinden müssen, wenn es dazu eine nationale Plattform gegeben hätte – die Daten liegen in den kommunalen Katasterämtern ja in bester Datenqualität bereits vor.

Auf der nächsten Seite: Strategien für den Übergang ins Zeitalter der Intelligenztechnologien

(ID:49695212)

Jetzt Newsletter abonnieren

Wöchentlich die wichtigsten Infos zur Digitalisierung in der Verwaltung

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung