Entwicklung und Entwicklungsperspektiven von eJustice Die deutsche Justiz im digitalen Zeitalter
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Die Bemühungen um eJustice in Deutschland haben bereits einen langen Weg hinter sich. Dr. Wilfried Bernhardt wagt sich in seinem Artikel an eine Beschreibung der notwendigen nächsten Schritte.

Hatten die früheren gesetzgeberischen Schritte allenfalls eine „langsame föderale Revolution“ (R. Köbler) im Justizbereich erzeugt, so ist nun spürbar, dass alle Länder intensiver an der Fortentwicklung des Elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) arbeiten. Eine vollständige elektronische Kommunikation der Justiz mit den professionellen Justiznutzern spätestens ab 2022 wird aber einen unvertretbaren gerichtsinternen Mehraufwand erzeugen, wenn es nicht gelingt, auch ohne eine explizite gesetzliche Verpflichtung – die sich für die Verwaltungen aus eGovernment-Gesetzen ergibt – bis zu diesem Zeitpunkt die gerichtsinterne Aktenführung vollständig auf Elektronik umzustellen. Es ist daher zu begrüßen, dass mittlerweile praktisch alle Länder intensiv an der Einführung der elektronischen Gerichtsakte und – mehr oder weniger intensiv – an der elektronischen Vorgangsbearbeitung arbeiten.
Wünschenswert wäre allerdings eine stärkere Standardisierung Akte zu erreichen, mithin den „Geist von Kloster Eberbach“ von 2008 zu erneuern. Damit ist die legendäre Einigung der Justizstaatssekretäre bei einer Tagung im Zisterzienserkloster Eberbach auf ein künftiges gemeinsames Vorgehen zur Schaffung von standardisierten IT-Verfahren gemeint. Man wollte beherzt die dem deutschen Föderalismus geschuldete Zersplitterung im eJustice angehen und Verfahren möglichst gemeinsam in Auftrag geben. Doch bei einer der sicherlich größten Herausforderungen für die Justiz, der Erarbeitung der elektronischen Gerichtsakte, droht dieser Geist in Vergessenheit zu geraten.
Flickenteppich eJustice
So baut der Freistaat Bayern als für das Fachverfahren ForumStar federführendes Land auf der Basis des Rahmenvertrages mit dem Produktlieferanten des Fachverfahrens in Kooperation mit Berlin und Österreich ein „elektronisches Integrationsportal – eIP“ mit dem „integrierten eJustice-Arbeitsplatz der Zukunft“. Weitere sechs Länder arbeiten unter Federführung von NRW auf der Basis des Forschungsprojekts Ergonomie der elektronischen Akte (e²A) an einem künftigen Verfahrenssystem e²A.
Und Baden-Württemberg hat sich im Wege einer europaweiten Ausschreibung für den (dritten) Weg „eAkte als Service“ entschieden. Die in den einzelnen Gerichtsbarkeiten unterschiedlichen Fachanwendungen sollen über Schnittstellen an ein einheitliches, marktgängiges Standard-Dokumentenmanagement- beziehungsweise Vorgangsbearbeitungssystem angebunden werden, sodass in allen Fachbereichen des Landes von der ordentlichen Gerichtsbarkeit über die Fachgerichte bis hin zur Gerichtsverwaltung das gleiche Produkt verwendet werden kann.
Eine große Herausforderung wird künftig auch darin liegen, die nach der Umstellung auf elektronische Gerichtsaktenführung weiterhin vorhandenen eingehenden Papierdokumente in ein elektronisches Dokument umzuwandeln. Während der geltende § 298a Abs. 3 ZPO noch einen sogenannten Transfervermerk für den Medienbruch verlangt, werden ab 1. Januar 2018 automatische Scanprozesse erleichtert. In § 298a Abs. 2 ZPO n.F. ist allerdings klargestellt, dass die Übertragung des Papierdokuments in das elektronische Dokument nach dem Stand der Technik vorgenommen werden muss und dass sicherzustellen ist, dass das Papierdokument und das elektronische Dokument bildlich und inhaltlich übereinstimmen.
Der „Stand der Technik“ wird üblicherweise in technischen Richtlinien beschrieben, die Unsicherheiten aufgrund uneinheitlicher technisch-organisatorischer Anforderungen beseitigen. Schon heute gibt die Technische Richtlinie TR-03138 Ersetzendes Scannen (RESISCAN) – mit Anlagen – des BSI die unerlässlichen Orientierungshilfe für ein rechtssicheres ersetzendes Scannen und sorgt für die beschriebene erforderliche Standardisierung der elektronischen Aktenführung in Deutschland.
Die Standardisierung in der deutschen Justizlandschaft bleibt daher auf der Agenda. Die mittlerweile dem eJustice-Rat zuarbeitende Bund-Länder-Kommission (BLK) widmet sich intensiv der Schaffung übergreifender Standards in der Justiz und formuliert Schnittstellen zwischen verschiedenen Anwendungen.
Überdies hat der eJustice-Rat im September 2014 die Einsetzung eines BLK-Architekturbüros beschlossen, „das die Entwicklung und Pflege der Schnittstellen koordinierend und strategisch zu begleiten hat“. Bemerkenswert ist auch, dass „die Vorgaben des Architekturbüros zur IT-Architektur Justiz“ „ bei neuen IT-Projekten grundsätzlich einzuhalten sind“. Der „Geist von Kloster Eberbach“ ist also wenigstens noch nicht tot.
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