Fraunhofer IPA Lesehilfe aus dem 3D-Drucker für sehbehinderte Menschen

Autor / Redakteur: / Kathrin Schäfer

Ein Gestell aus dem 3D-Drucker und eine Leseapplikationssoftware für Android-basierte Smartphones: So könnte die mobile Lesehilfe der Zukunft aussehen.

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Im Rahmen des Projekts VR-Read hat das Fraunhofer IPA ein Aufnahmegestell zum Ausdrucken und eine entsprechende Leseapplikationssoftware für ein Android-basiertes Smartphone entwickelt. Hier zu sehen: Das Siegermodell aus dem Wettbewerb von Thomas Schneider.
Im Rahmen des Projekts VR-Read hat das Fraunhofer IPA ein Aufnahmegestell zum Ausdrucken und eine entsprechende Leseapplikationssoftware für ein Android-basiertes Smartphone entwickelt. Hier zu sehen: Das Siegermodell aus dem Wettbewerb von Thomas Schneider.
(Bild: Peter Dietrich)
  • Smartphones wie Brillen tragen
  • Lageerkennung dient Steuerung
  • Leseapplikationssoftware für Android-basierte Smartphones
  • 3D-Datensätze und Software zum Download

Zeitung überall lesen zu können, ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit. Hochgradig sehbehinderte Menschen haben damit ein Problem. Viele sind auf stationäre Kamerasysteme angewiesen, deren Aufbau für Bildschirm und Kamera einen festen Platz erforderlich macht. Mobile Lesehilfen sind nur sehr eingeschränkt verfügbar. An großen Bildschirmen führt für sehbehinderte Menschen derzeit kaum ein Weg vorbei. Platziert man jedoch einen relativ kleinen Bildschirm besonders nahe vor dem Auge, entsteht ein weites Sichtfeld ohne erkennbare Grenzen. Und kleine Bildschirme in Form seines Smartphones hält heute fast jeder in Händen.

Das Smartphone wird wie eine Brille getragen

Genau hier liegt der Ansatz von VR-Read. In diesem vom BMBF geförderten Projekt hat das Fraunhofer IPA zusammen mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg e. V., der Firma Rioprinto und der Maker-Bewegung ein Aufnahmegestell zum Ausdrucken und eine entsprechende Leseapplikationssoftware für ein Android-basiertes Smartphone entwickelt. Bastler und Erfinder aus der Maker-Szene, die in Eigeninitiative kreative Lösungen zu technischen Herausforderungen aus dem Alltag entwickeln und realisieren, arbeiteten eng mit Sehbehinderten zusammen.

Im Mittelpunkt von VR-Read steht eine angepasste Aufnahmevorrichtung. Hinzu kommt eine Leseapplikation für das Smartphone des Nutzers, das sehr viel Technik auf kleinstem Raum bietet und immer mehr auch von sehbehinderten Menschen genutzt wird. Mit der an die individuelle Sehbeeinträchtigung angepassten Aufnahmevorrichtung wird das Smartphone entsprechend nah vor dem Auge platziert. Große in der Aufnahmevorrichtung integrierte Linsen fokussieren das Bild auf die kurze Distanz für den Nutzer. So eröffnet das Smartphone die Möglichkeit, in ein digitales Dokument einzutauchen und wird damit zur individuellen Lesehilfe für sehbehinderte Menschen.

Die Lageerkennung dient der Steuerung

Dabei wird die integrierte Gyrosensorik zur Lageerkennung im Smartphone von der entwickelten VR-Read-Leseapplikation zur Steuerung und Navigation auf dem digital erfassten Dokument verwendet. Auf dem Smartphone vorhandene Dokumente können damit in einem völlig neuem Kontext und optimalem Seheindruck einfach und überall gelesen werden. Im Hauptmenü kann der Nutzer einmal vorab seine idealen Einstellungen wie die Schriftgröße und den Kontrast einstellen. Eine zuschaltbare Leselinie erleichtert die Navigation auf dem Dokument zusätzlich.

Wie funktioniert die Leseapplikationssoftware?

Die Software selbst unterteilt sich in verschiedene Module. Das Steuermodul erfasst die Kopfbewegungen und ist in der Lage diese in Steuerinformationen zu übersetzen. Aus der Datenquelle des Textdokumentes wird im zweiten Modul eine nutzbare Textur erstellt. Diese Textur wird in einem zweistufigen Prozess auf dem Bildschirm ausgegeben. Alle Module wurden unter Berücksichtigung einer späteren Erweiterbarkeit entworfen.

3D-Datensätze und Software kann jeder herunterladen

Im Rahmen eines ausgeschriebenen Wettbewerbs in der Maker-Bewegung wurden drei per 3D-Druck gedruckte Aufnahmevorrichtungen prämiert. Ein viertes Design entwickelte außer Konkurrenz das Fraunhofer IPA. Die Datensätze dieser vier Modelle stehen in Form von 3D-Daten für den Ausdruck auf einem 3D-Drucker für jedermann zur freien Verfügung, ebenso die Installationsdatei für die vom Fraunhofer-Institut entwickelte Leseapplikation. Mit Hilfe der eigenen Parameter wie des individuellen Augenabstands kann das Aufnahmegestell via 3D-Druck bei einem Anbieter von photonischen 3D-Druckverfahren auf Onlineplattformen kostengünstig bestellt werden. Versierte Anwender oder Entwickler können die Ergebnisse auch als Basis zur eigenen Weiterentwicklung verwenden.

Jetzt muss noch die VR-Read-Textleseapplikation auf dem Smartphone installiert werden und auf den Nutzer eingestellt werden. Dann können die auf dem Smartphone gespeicherten Dokumente oder die Zeitung digital gelesen werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Partnerportal Devicemed.

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