3. Bremer Rathausgespräche Digitalisierung in der Krise

Von Natalie Ziebolz

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Die Digitalisierung wird als Lösung für viele aktuelle Probleme angesehen, etwa für den Fachkräftemangel. Bei den 3. Bremer Rathausgesprächen zeigte sich jedoch: Gerade die Verwaltungsdigitalisierung steckt aktuell selbst in einer Krise. Was muss sich ändern?

Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte eröffnete die 3. Bremer Rathausgespräche mit dem Schwerpunkt „Krisen als Herausforderungen für staatliches Handeln und die digitale Transformation“
Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte eröffnete die 3. Bremer Rathausgespräche mit dem Schwerpunkt „Krisen als Herausforderungen für staatliches Handeln und die digitale Transformation“
(Bild: Vogel IT-Medien)

Die Krisen der 2020er Jahre sind überstanden, Datenanalyse wird für die Entscheidungsfindung genutzt, die papierbasierte Verwaltung gehört der Vergangenheit an, die Cloud ist in der Breite der Verwaltungen angekommen und Deutschland ist auf Platz sieben der glücklichsten Länder – klingt wie Zukunftsmusik? Ist es auch. So oder so ähnlich könnte es aber zumindest im Jahr 2030 in Deutschland aussehen, erklärte Prof. Dr. Peter Parycek, Universität Krems, Fraunhofer Fokus und Mitglied des Digitalrates der Bundesregierung, bei den 3. Bremer Rathausgesprächen am 15. und 16. Februar 2023.

Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg, wie sich in den zahlreichen Vorträgen zeigte. Prof. Dr. Bogumil, Ruhr-Universität Bochum, wies etwa darauf hin, dass es kaum vollständig digitalisierte Prozesse gibt. „Vollständig digitalisiert heißt, die Antragsstellung, die Kommunikation und auch die Übermittlung der Ergebnisse“, erklärte er. Auch die Online-Ausweisfunktion werde bisher kaum von den Bürgern und Bürgerinnen genutzt, auch wenn es bereits Anwendungen für diese gibt. Er verdeutlichte das am Beispiel der KFZ-Zulassung: „Zwei Drittel der KFZ-Zulassungsstellen in Deutschland haben ein Online-Zulassungsverfahren“, so Bogumil. Die Nutzungsquote liege jedoch im Schnitt bei 0,2 Prozent, nur in Berlin bei 7 Prozent. „Wissen Sie, warum? In Berlin müssen Sie vier Wochen warten, bis Sie einen Termin in der Zulassungsstelle bekommen.“ Überall, wo man schnell einen Termin bekomme, würden die Online-Anträge aufgrund ihrer Komplexität nur sehr selten genutzt.

Doch auch die fehlenden Anschlüsse an die Fachverfahren seien ein Problem. Das zeige das Beispiel Bafög. In Bochum seien sogar drei neue Stellen geschaffen worden, nur um die Anträge auszudrucken. „Das ist leider kein Einzelfall.“ Für die Verwaltungsmitarbeiter bedeute das jedoch zusätzlichen Stress. „Wir haben vielfach fehlende eAkten – nicht nur im Ministerium, sondern auch in den Kommunen“, begründet er die Schwierigkeiten. Das Problem: Entsprechende Projekte werden meist zusätzlich zum Tagesgeschäft erledigt.

Doch auch der Föderalismus verhindere eine schnelle Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung. „Heute hat jemand gesagt, EfA ist eine gute Idee, aber die Umsetzung ist leider nicht gut“, so Bogumil. Es gäbe vielfach Probleme bei der Übernahme. Auch Verbote erschweren den bundesweiten Rollout. So dürfe beispielsweise ELFE, ein digitaler Online-Antrag, der die Formulare für Elterngeld, Namensfestlegung und Kindergeld bündelt, nur in Bremen verwendet werden, da das zuständige Bundesministerium aktuell eine eigene digitale Lösung entwickle. „Das ist die Realität der Zusammenarbeit“, hält er fest.

Das wirkt sich jedoch auch auf die Bürger und Bürgerinnen aus. Wie Carola Heilemann-Jeschke, Senatsdirektorin, Abteilungsleiterin Digitalisierung, Senator für Finanzen Bremen, darlegte, führt das zu Akzeptanzproblemen und Vertrauensverlust – und damit zu einem Demokratieproblem. Dies sei auch bereits spürbar.

Der Schlüssel zum Erfolg

Die Frage, die sich unweigerlich stellt: Was muss sich ändern? Bogumil identifizierte beispielsweise fünf Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Verwaltungsdigitalisierung:

  • die Analyse der analogen Prozesse und deren Verbesserung, bevor sie digitalisiert werden,
  • das Vorhandensein notwendiger Strukturen für die Digitalisierung – auch im Fachdezernat,
  • die beschleunigte Einführung der eAkte auf allen Ebenen,
  • zwingende Anschlüsse an Fachverfahren und
  • flexibleres Datenschutzmanagement.

Darüber hinaus könnten mehr gesetzliche Verpflichtungen besonders bei professionellen Antragsstellern helfen und auch die Beteiligung der Kommunen hält Bogumil für sinnvoll. Bei ihnen liegt schließlich das Umsetzungswissen. Aber auch Innovationslabs, bei denen die Bürger und Bürgerinnen miteinbezogen werden, wurden während der Panels als Ansatzpunkte genannt. Dafür müsse jedoch erst einmal ein Umdenken in den Verwaltungen stattfinden.

Zudem müssten die Grundlage zur Datennutzung geschaffen und innovative Datenplattformen entwickelt werden, erklärt Torsten Koß, Vorstand Digitale Transformation, dataport. Nur so ließe sich der Nutzen der Digitalisierung ausschöpfen – etwa durch den Einsatz von KI, um Texte, Bilder und Videos auszuwerten, um Lagebilder bei Katastrophen zu machen oder den Schutz und die Überwachung von KRITIS zu verbessern.

Auf der nächsten Seite: Bundes-CIO Markus Richter über Finanzierung, den rechtlichen Rahmen und die praktische Umsetzung.

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