OZG-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung OZG-Folgen fürs Amt

Von Manfred Klein

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Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) hat eine Studie zur OZG-Umsetzung vorgelegt. Interessant ist, dass die Studie auch einen Blick auf die Auswirkungen der OZG-Umsetzung auf die Beschäftigten im Public Sector wirft.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung stellt der OZG-Umsetzung kein gutes Zeugnis aus. Noch gehören Aktenberge in so manchen Verwaltungen zum Alltag
Die Friedrich-Ebert-Stiftung stellt der OZG-Umsetzung kein gutes Zeugnis aus. Noch gehören Aktenberge in so manchen Verwaltungen zum Alltag
(© mickyso - stock.adobe.com)

Studien, die sich mit der OZG-Umsetzung befassen und dabei dem Projekt keine sonderlich guten Noten ausstellen, sind inzwischen nichts Besonderes mehr. Studien, die untersuchen, wie sich die Digi­talisierung im Allgemeinen und die OZG-Umsetzung im Besonderen auf die Beschäftigten der Öffentlichen Verwaltung auswirken, dagegen schon.

Zielsetzung

Im Vorwort der Friedrich-Ebert-Studie mit dem Titel „Bürgernahe Verwaltung digital?“ heißt es dazu­: „Bisher gibt es wenig Praxisforschung dazu, wie sich die Digitalisierung der Verwaltung auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst auswirkt und wie gute digitale Arbeit im Verwaltungsbereich aussieht. Erkenntnisse hierzu liefert ein Praxisforschungsprojekt, das die Autorinnen und Autoren im Auftrag der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di 2021 durchführten. Mit den beiden Bereichen Kfz-Dienstleistungen und Elternleistungen (Elterngeld, Kindergeld, Geburtsanzeige) wurden hierfür zwei Verwaltungsbereiche aus­gesucht, deren Verbesserung für viele Bürger einen Mehrwert liefert­ und in denen die Digitalisierungsbemühungen vergleichsweise weit fortgeschritten sind. Ziel war es, in ausgewählten Untersuchungsbereichen Praxisberichte zu digitaler Arbeit auf kommunaler Ebene zu erstellen und daraus erste Empfehlungen für guten digitalen Service zu gewinnen.“

Folgerichtig untersuchen die Autoren Jörg Bogumil, Sabine Kuhlmann, Moritz Heuberger, Justine Marienfeldt in ihrer Untersuchung am Beispiel von i-Kfz und ELFE auch die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen.

Dabei kommen die genannten Verfasser zu folgendem Urteil: „Trotz ihrer Vorreiterrolle können sowohl i-Kfz als auch ELFE bisher nicht die Erwartungen erfüllen, die an sie gestellt werden. Die geringen Nutzungszahlen zeigen, dass die digitalen Verwaltungsleistungen nicht den gewünschten Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger liefern.“

Betrachte man die Untersuchungsbereiche im Detail, zeige sich innerhalb beider Aufgabenfelder, dass die Digitalisierung und die Teilautomatisierung von Verwaltungsleistungen unterschiedlich weit vorangeschritten seien, was neben technischen Umsetzungsproblemen mit der jeweiligen Spezifik der Verwaltungstätigkeiten, aber auch mit der Komplexität der Rechtsmaterie und den Interdependenzen zwischen betroffenen Verwaltungsbereichen zusammenhänge.

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Das Fazit der Autoren zu den orga­nisatorischen und technischen Rahmenbedingungen fällt denn auch ziemlich ernüchternd aus. So schreiben sie unter anderem: „Beide untersuchten Aufgabenfelder weisen neben fehlenden digitalen Basiskomponenten (wie zum Beispiel eine Registerverknüpfung), rechtlichen Hürden und technischen Umsetzungsproblemen ausgesprochen komplexe Governance-Strukturen im Entwicklungs- und Implementationsprozess auf, was zu teilweise erheblichen Reibungsverlusten führt.“

Dazu merken die Autoren an, dass am i-Kfz-Projekt über 60 Organisationen aus der Bundes-, Länder- und Kommunalverwaltung sowie Hersteller und Versicherungen und eine Reihe begleitender Gremien (Informationskreise, Bund-Länder-Fachausschüsse) beteiligt gewesen seien.

Auch das ELFE-Projekt sei angesichts seiner ebenen- und fachübergreifenden Ausrichtung durch eine vielschichtige und teils ­schwerfällige Governance-Struktur gekennzeichnet. Diese Implementationssysteme förderten einerseits zwar die Mitwirkung und Partizipation einer breiten Palette unterschiedlicher Akteure, potenzieller Nutzer und sonstiger Stake­holder. Andererseits nähmen in derart komplexen Strukturen aufgrund der steigenden Anzahl beteiligter Akteure und Interessen auch die Abstimmungs- und Konsens­bildungserfordernisse zu, was die Entscheidungs- und Ergeb­nisproduktion erschwere und damit auch eine Teilerklärung für das zögerliche Vorankommen der Digitalisierung insgesamt darstelle.

Die beiden untersuchten Praxisbeispiele zeigen nach Ansicht der Autoren auch, dass die zentralen Probleme bei eGovernment- oder Digitalisierungsprojekten nicht primär in der Technologie zu suchen seien, sondern in den internen Organisationsabläufen und den politischen Rahmenbedingungen. Dazu heißt es in der Studie: „Die Praxisbeispiele zeigen, dass es Fortschritte bei der Verwaltungsdigitalisierung gegeben hat. Der Fokus liegt bisher insbesondere auf einer Übersetzung analoger in digitale Prozesse, teils wurden auch Strukturen, Prozesse und Kommunikationswege angepasst. Ein Wandel von Verwaltungsaufgaben als umfassende digitale Transformation, die grundlegende­ kulturelle, organisatorische und relationale Umstrukturierungen von Organisationen und Prozessen einschließen würde, ist bisher jedoch nicht zu beobachten.“

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Auswirkungen auf die Beschäftigten

Die fehlende Anpassung von Organisationsprozessen ist nach Meinung der Autoren allerdings auch bei den personalbezogenen Prozessen zu beobachten. Eine solche habe bisher faktisch auch nicht stattgefunden.

Dazu heißt es in der Studie weiter: „Dass institutionelle und perso­nelle Veränderungen bislang nur in Ansätzen empirisch vorzufinden sind, hängt zum einen damit zusammen, dass der Implementa­tionsstand der Projekte noch nicht den Status erreicht hat, der entsprechende Umschichtungen erfordern würde, was vor allem auf ELFE zutrifft. Zum anderen hat dies aber auch damit zu tun, dass der Nutzungsgrad der angebotenen Onlinedienste noch ausgesprochen gering ist, was vor allem bei i-Kfz ins Auge sticht.“

Vor diesem Hintergrund seien der institutionelle Anpassungsdruck und die Notwendigkeit einer digitalisierungsgetriebenen umfassenden Transformation in den Kommunen bisher nicht zu erkennen.

Zusammengefasst bestätigen die vorgelegten Erkenntnisse (...), dass die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigten eher durchmischt und ambivalent ausfallen, insgesamt aber zum aktuellen Zeitpunkt nicht von einer Entlastung im Arbeitsalltag und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen ausgegangen werden kann

aus der Studie

Als besonders problematisch sehen­ die Autoren der Studie, dass digitalisierungsbedingte Arbeitsentlastungen bisher nicht in digitale Renditen für die Beschäftigten übersetzt wurden und diese somit derzeit noch nicht von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren könnten.

Als Beispiel für diesen Umstand führen die Autoren unter anderem an, dass zwar im Kfz-Wesen die Digitalisierung zu deutlichen Erleichterungen und Vereinfachungen führe, sich aber gleichzeitig der Aufgabenumfang in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt habe, während der Personalbestand unverändert geblieben sei. Somit „verpuffe“ die potenzielle ­digitale Rendite aufgrund parallel stattfindender Prozesse, insbesondere von Arbeitsverdichtung und -zuwachs, bei gleichbleibendem Personal.

Dazu die Autoren: „Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass im Kfz-Bereich bisher trotz der formalen Möglichkeit teil­automatisierter Antragsbearbeitung keine Arbeitserleichterungen aufseiten der Beschäftigten wahrnehmbar sind.“

Fazit

Bezogen auf die Beschäftigten bestehe zudem ein weiteres Problem darin, dass die Digitalisierungsprojekte in der Regel zusätzlich bearbeitet werden müssten und der damit verbundene Mehraufwand nicht immer angemessen ausgeglichen werde. Der Fortschritt der Projekte hänge damit häufig vom Engagement Einzelner ab, die bereit seien, über ihre Kernaufgaben und ihren Arbeitsumfang freiwillig hinauszugehen.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels – der ja dazu führen wird, dass in den nächsten Jahren die Generation der Baby-Boomer in Pension gehen wird –, besonders kritisch zu sehen ist der Umstand, dass die Autoren der Studio sich nicht sicher sind, ob durch die Digitalsisierungsmaßnahmen tatsächlich Personal eingespart werden kann. Dazu schreiben die Verfasser: „Inwieweit durch die Digitalisierungsmaßnahmen perspektivisch Personal tatsächlich eingespart wird, lässt sich aufgrund des aktuell begrenzten Fortschrittsgrades, der moderaten Nutzungsquoten und der geringfügigen Veränderungen auf Ebene der ­Arbeitsprozesse nicht beurteilen. Gleiches gilt für die Frage, inwieweit den Beschäftigten Entscheidungen abgenommen werden oder sie künftig nur noch die weniger anspruchsvollen Tätigkeiten auszuführen haben.“

Ihre Bedenken fassen die Autoren abschließend in den Satz: „Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigten fallen eher durchmischt und ambivalent aus.“ Soll heißen: Die eGovernment-Macher müssen sich in Zukunft um dieses Feld verstärkt kümmern.

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