Dr. Christian Frühwald, Geschäftsführer msg BiN, im Interview Mehr Barrierefreiheit wagen

Das Gespräch führte Natalie Ziebolz Lesedauer: 4 min

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Ob Freizeit, Behördengang, Arbeit oder Bildung: Das Internet ist längst integraler Bestandteil unseres Lebens. In den Genuss der Vorteile kommen indes längst nicht alle Menschen. Etwa, wenn sie aufgrund von körperlichen Einschränkungen keinen Zugang zum Internet haben oder nicht in der Lage sind, digitale Geräte oder Dienste barrierefrei zu nutzen. Doch warum gibt es Defizite bei der Barrierefreiheit und was müssen Behörden hinsichtlich digitaler Teilhabe besser machen?

Mit einer barrierefreien Website machen es Behörden allen Menschen möglich, das Online-Angebot uneingeschränkt zu nutzen
Mit einer barrierefreien Website machen es Behörden allen Menschen möglich, das Online-Angebot uneingeschränkt zu nutzen
(Bild: Zerbor – stock.adobe.com)

Herr Dr. Frühwald, wie schätzen Sie den Status quo in Sachen Barrierefreiheit ein – gerade auch im Hinblick auf deutsche Behörden?

Frühwald: Das ist so pauschal nicht zu beantworten. Während beispielsweise die Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) nahezu perfekt ist, sieht es bei anderen Ministerien, Bundes- und Landesbehörden und allen voran den Kommunen noch sehr schlecht aus. Geradezu erschreckend. Hier gibt es noch sehr viel Nachholbedarf, auch was das Bewusstsein angeht.

Wie lässt sich dieses denn schärfen?

Frühwald:Wir müssen das Thema mehr in den Köpfen der Menschen verankern. Dort beginnt die Barrierefreiheit. Sie brauchen ein Verständnis für die Bedeutung barrierefreier Angebote. Außerdem braucht es einheitliche Regeln, mehr Ressourcen und die Thematik muss definitiv höher priorisiert werden. Möglichst viele Menschen müssen verstehen, dass wir digitale Teilhabe und Barrierefreiheit als grundlegendes Prinzip des Internets etablieren sollten. So schaffen wir eine vielfältige digitale Gesellschaft, in der alle Menschen die Möglichkeit haben, ihre Potenziale auszuschöpfen. Vielen ist gar nicht bewusst, dass Barrierefreiheit die Wirtschaft ankurbeln kann, indem sie neue Märkte erschließt und den Zugang zu Bildung, Arbeitsplätzen und Geschäftsmöglichkeiten erweitert.

Warum ist Barrierefreiheit im Netz insbesondere für Behörden so wichtig?

Frühwald:Digitale Barrierefreiheit ist unabdingbare Voraussetzung für Inklusion in allen Feldern des Lebens. Alle Bürgerinnen und Bürger müssen einen barrierefreien Zugang zu den Behörden und ihren Dienstleistungen haben, nur so ist die zivilgesellschaftliche Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger und weiterer Menschen in Deutschland möglich. Barrierefreie Websites sind im Übrigen nicht nur für Menschen mit Behinderungen hilfreich, sondern bieten auch eine bessere Nutzererfahrung für alle Nutzerinnen und Nutzer. Eine klare Struktur, gute Lesbarkeit und intuitive Navigation helfen allen Besucherinnen und Besuchern, die gewünschten Informationen schneller und effizienter zu finden. Kurzum: Barrierefreiheit ist eine Frage der sozialen Verantwortung, der gesetzlichen Verpflichtung und der Anerkennung der Vielfalt der Bürgerinnen und Bürger einer Gesellschaft.

Hat das auch etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun?

Frühwald:Absolut! Behörden sind für die Gesellschaft verantwortlich und müssen das Vertrauen der Öffentlichkeit nicht nur gewinnen, sie müssen es auch erhalten. Indem sie barrierefreie Online-Dienste und Informationen zur Verfügung stellen, zeigen Behörden, dass sie die Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger wirklich ernst nehmen und offen für eine breite Bevölkerungsschicht sind. Überdies – auch das wird gerne vergessen – erreichen barrierefreie Websites ein breiteres Publikum, das nicht nur Menschen mit Behinderungen einschließt, sondern auch ältere Menschen oder Personen mit eingeschränkten technischen Fähigkeiten. Dies kann die Reichweite der Behördendienste und -botschaften signifikant erweitern und zu mehr Akzeptanz führen.

Gibt es Praxisbeispiele von Behörden, die msg BiN dabei unterstützt hat, barrierefreier zu werden?

Frühwald:Leider noch nicht, da wir noch recht neu am Markt sind. Allerdings haben wir mit unserer Mutter msg jetzt den ersten Rahmenvertrag gewonnen, bei dem es um digitale Barrierefreiheit für externe und interne Prozesse geht. Bisher haben wir schon gewerbliche Unternehmen und Unternehmen der Sozialwirtschaft beraten und unterstützt, nicht nur ihre Websites, sondern auch Apps und Dokumente barrierefrei zu gestalten.

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