Barrierefreies eGovernment Ungehinderter Zugang zu Online-Diensten der Verwaltung
Der barrierefreie Zugang zu Webseiten und Online-Bürgerservices der Öffentlichen Verwaltung ist durch die BITV im Gesetz verankert. Diese Dienste müssen behinderte Menschen uneingeschränkt nutzen können. Tim Neugebauer, Geschäftsführer der Online-Agentur „Das Medienkombinat“, erklärt im Interview die Herausforderungen der Barrierefreiheit.
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Was bedeutet Barrierefreiheit im Internet, und gibt es besondere Anforderungen im Bereich eGovernment?
Neugebauer: Barrierefreiheit im Internet bedeutet: Auch wenn die persönlichen Ausgangvoraussetzungen unterschiedlich sind, soll jeder die Angebote im Web ungehindert nutzen können. Für Websites heißt das, dass sie technisch und inhaltlich so aufgebaut sein sollten, dass wirklich jeder Nutzer zurechtkommt: Sie und ich, die Generation unserer Eltern und Großeltern oder auch Menschen mit Sehbehinderung. Dabei sollte der Zugriff über unterschiedlichste mobile Endgeräte ebenso funktionieren wie über die verschiedenen Browser. Eine hohe Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit, sprich Accessibility und Usability, wirken sich auch auf viele andere Aspekte eines Webangebots positiv aus, etwa auf Besucherzahlen, Konversionsraten, Ladezeiten oder die Auffindbarkeit durch Suchmaschinen. Daher sollte man die Prinzipien der Barrierefreiheit grundsätzlich bei allen Webprojekten beachten. Während dies im privatwirtschaftlichen Bereich eine sinnvolle freiwillige Leistung ist, ist die Barrierefreiheit im Öffentlichen Sektor gemäß BITV – Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung – verpflichtend.
Um welche Anforderungen geht es dabei konkret?
Neugebauer: Es geht beispielsweise um den Umgang mit körperlichen Handicaps wie Sehschwäche oder Blindheit. Ob extrem bunte Hintergründe, Text, der sich im Helligkeitswert zu wenig vom Hintergrund unterscheidet oder auch Navigationsfelder in Rot und Grün: All das ist schon für Normalsichtige eine Herausforderung. Je nach Art und Umfang des individuellen Handicaps lassen sich Web-Angebote mit solchen Gestaltungsmerkmalen aber nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr nutzen. Deswegen ist es wichtig, bestimmte Gestaltungsrichtlinien einzuhalten. Dazu gehört zum Beispiel, keine schwarze Schrift auf grauem Grund einzusetzen, Bedienelemente grundsätzlich zu beschriften und die Website so zu programmieren, dass eine Ausgabe durch alternative Endgeräte und Benutzerschnittstellen wie etwa Screen Reader möglich ist. So können Blinde sich die Seite „vorlesen“ lassen – vorausgesetzt, den grafischen Elementen, Links und Formularfeldern sind im Code der Webseite Alternativtexte hinterlegt, die die Screen-Reader-Software erfassen kann.
Wie lösen Sie diese Anforderungen, und was raten Sie öffentlichen Institutionen?
Neugebauer: Oft werden in der Praxis Design und Funktion von Web-Projekten und eGovernment-Fachverfahren zunächst gemäß den Wünschen des Auftraggebers konzipiert. Erst gegen Ende der Realisierungsphase wird dann auf Barrierefreiheit hin getestet. Dieses Vorgehen ist recht problematisch, da sich bei etwaigen Mängeln nur noch schwer nachsteuern lässt und der Investitionsrahmen dann oft überschritten wird. Es ist daher viel effizienter, das Thema Barrierefreiheit in allen Projektphasen begleitend mitzudenken.
Wir haben unter dem Motto „Web Accessibility Thinking“ ein eigenes Projektmodell entwickelt, in das die Anforderungen der BITV vom ersten Prozessschritt an fest integriert sind. Aktuelle Beispiele dafür sind die Web-Portale der Stadt Leipzig und des Deutschen Instituts für Urbanistik. Zu unserem Vorgehensmodell „Web Accessibility Thinking“ werden wir in Kürze unter www.digital-accessibility.de ein eigenes Informationsangebot bereitstellen.
Ist auch Mobility ein Thema für barrierefreies Web?
Neugebauer: Ja, denn schon heute werden mehr mobile Endgeräte als stationäre PCs verkauft, und etwa 15 Prozent des täglichen Web-Traffics kommen von Smartphones und Tablets. Und dieser Anteil wird weiter wachsen. Überall dort, wo das Internet mobil genutzt wird, ist auch Barrierefreiheit ein wichtiges Thema. Für die Praxis ergibt sich hier eine neue Aufgabe: die bestehenden Erkenntnisse und Regelungen zur Barrierefreiheit im stationären Web für die mobile Nutzung weiterzuentwickeln. Die gute Nachricht ist aber: Wer sein Internet-Angebot schon heute barrierefrei umsetzt – sprich geräte- und plattformübergreifend – und wer die Nutzung assistiver Technologien wie Screen Reader bereits berücksichtigt, hat damit alle Anwender im Blick und ist auch für die mobile Welt gut vorbereitet.
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