Open Source beim Bund – gegen zunehmende Microsoft-Abhängigkeit Nextcloud gewinnt ITZBund-Ausschreibung

Autor Ludger Schmitz

Das Informationstechnikzentrum Bund wird nach anderen Open-Source-Lösungen nun auch Nextcloud als Lösung für Synchronisation und Austausch von Dateien einführen. Gleichzeitig stehen Bundesministerien in der Kritik, Millionen für Microsoft auszugeben.

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Die Glaskuppel über dem Bundestag/Alter Reichstag soll Offenheit in der Politik demonstrieren. Die IT-Politik hat da noch Nachholbedarf.
Die Glaskuppel über dem Bundestag/Alter Reichstag soll Offenheit in der Politik demonstrieren. Die IT-Politik hat da noch Nachholbedarf.
(Bild: gemeinfrei, RichardFrey, Pixabay / CC0 )

Das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) ist der zentrale IT-Dienstleister der Bundesverwaltung. Seine Services nutzen mehr als eine Million Nutzer. Jetzt hat sich das ITZBund nach öffentlicher Ausschreibung für Nextcloud als Lösung für die Synchronisation und die Freigabe von Dateien entschieden.

Erfolgreiches Pilotprojekt mit 5.000 Anwendern

Der Entscheidung war seit Oktober 2016 ein Pilotprojekt mit rund 5.000 Nutzern vorausgegangen, welche die Funktionalität und Zuverlässigkeit der Nextcloud-Anwendung testeten. Positive Ergebnisse waren die Grundlage dafür, dass der Open-Source-Anbieter aus der Ausschreibung als Sieger hervorging. Das ITZBund verwendet eine Nextcloud Enterprise Subscription, die Zugang zu Betriebs-, Skalierungs- und Sicherheitsexpertise und langfristigen Support von Nextcloud mit sich bringt.

Nextcloud wird das ITZBund selbst on premises einrichten und zunächst rund 300.000 Nutzern zur Verfügung stellen. Der IT-Dienstleister der Bundesverwaltung beschäftigt intern etwa 2.700 Mitarbeiter, zum größten Teil IT-Spezialisten. Das ITZBund ist mit Jahresbeginn 2016 aus dem Zusammenschluss des Zentrums für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT), der Bundesanstalt für IT-Dienstleistungen und der Bundesstelle für Informationstechnik hervorgegangen.

Open Source wächst vom Backend zum Frontend

Open Source ist beim ITZBund nicht ungewöhnlich. Die IT-Organisation verwendet unter anderem Red Hat Enterprise Linux, MariaDB und Docker. Eine für die Bundesverwaltung exklusive Private Cloud arbeitet auf der Basis von OpenStack. Mit Nextcloud kommt nun über diesen Backend-Ebenen eine Anwendung hinzu, welche die Nutzer unmittelbar am Frontend verwenden können.

Die Verwendung von Open Source am Frontend ist der eigentliche überraschende Aspekt der Entscheidung des ITZBund. Denn diesbezüglich ist die öffentliche Verwaltung in Deutschland – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern – überaus Microsoft-orientiert. Der zunehmende Trend der ÖVs zu Microsoft-Lösungen hat sich mit der Abkehr von Limux und der Rückkehr zu Microsoft-Lösungen in München im Jahre 2017 abgezeichnet. Diese Re-Migration soll in den nächsten sechs Jahren bis zu 90 Millionen Euro kosten.

Kosten für Microsoft-Lizenzen explodieren

Auch die Bundesministerien und ihnen nachgeordnete Behörden geben immer mehr Geld für Microsoft-Lizenzen aus. Das ergibt sich aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Antwort des Bundestagsabgeordneten Victor Perli, für die Linke Mitglied im Haushaltsausschuss.

Demnach haben Bundesbehörden nach Abschluss eines so genannter Konditionenvertrags des Bundesinnenministerium mit Microsoft Irland 2015 noch im gleichen Jahr 43,5 Millionen Euro für Microsoft-Lizenzen gezahlt. 2016 waren es 47,8 und im vergangenen Jahr 74 Millionen Euro. Für 2018 und 2019 sind 47,1 beziehungsweise 42,2 Millionen Euro prognostiziert, wobei für die Prognose keine Zahlen aus dem Verkehrs- und dem Verteidigungsministerium vorliegen.

In fünf Jahren eine Viertelmilliarde Euro für Microsoft

In insgesamt fünf Jahren werden Bundesministerien also mehr als eine Viertelmilliarde Euro, nämlich mindestens 254,6 Millionen Euro, an Microsoft zahlen, bis der aktuelle Vertrag mit Microsoft im Mai 2019 ausläuft. Als „teuer“ und „Gefahr für die IT-Sicherheit“ kritisiert Perli diese Entwicklung. Er fordert, für Vergabeverfahren Open Source vorzuschreiben. Perli: „Dann haben auch kleinere Unternehmen eine Chance, die Steuerzahler sparen viele Millionen, und unsere Daten sind besser geschützt.“

Grundsätzlich werde „bei jeder Beschaffung“ der Einsatz von Freier Software „im Rahmen der geltenden Vorgaben“ geprüft, heißt es in der Antwort aus dem Bundesinnenministerium. Entscheidend sei, „ob die geforderten Fähigkeiten im Gesamtsystemzusammenhang erreicht werden können“. Kriterien seien Funktionalität, Interoperabilität, Sicherheit, Realisierungs-, Pflege und Ausbildungsaufwand, Verfügbarkeit von Fachanwendungen sowie die Usability.

Eine Abhängigkeit mit Folgen

Vor einem Jahr hatte das Journalistenteam „Investigate Europe“ den Report „Europe‘s dire dependency on Microsoft“ herausgebracht, deutsche Version hier. Die Analyse kritisierte steigende Kosten, Verstöße gegen das europäische Beschaffungs- und Wettbewerbsrecht, erdrückenden politischen Einfluss von Microsoft und ein hohes technisches und politisches Sicherheitsrisiko.

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