Einmalzahlung200 Leuchtturmprojekt für Ende-zu-Ende-Digitalisierung
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Wie kompliziert kann es sein, 200 Euro an alle Studierenden, Fachschüler und Fachschülerinnen in der Republik zu überweisen? Komplizierter, als man vermuten könnte! Das operative Leitungsteam für das Projekt www.einmalzahlung200.de gibt Einblicke in den Antrags- und Auszahlungsprozess.

Die Rahmenbedingungen waren denkbar simpel: Jeder Bildungsteilnehmende, der zum Stichtag 1. Dezember 2022 an einer BAföG-berechtigten deutschen Hoch- oder Fachschule lernte und seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hatte, bekommt 200 Euro Ausgleich zu den gestiegenen Energiekosten. Nun gibt es in Deutschland tausende Ausbildungsstätten mit weit über drei Millionen Anspruchsberechtigten, auf die diese Kriterien zutreffen – das sind über vier Prozent der Gesamtbevölkerung, darunter viele Minderjährige und sehr viele ausländische Bildungsteilnehmende ohne deutsche Meldeadresse.
Ein Großteil der Zielgruppe besitzt kein einheitliches, technisch verwendbares Merkmal zur Identifikation, wie SteuerID oder Rentenversicherungsnummer. Und über drei Millionen Anträge innerhalb kurzer Zeit fachlich zu prüfen – das schafft keine Behörde in Deutschland.
Fokus auf Tempo im Backend
Für eine schnelle Antragstellung hätte theoretisch ab der Entscheidung zur Zahlung ein Antragsformular online bereitstehen können. Jeder hätte Angaben machen und Nachweise hochladen können. Notwendige Angaben zu den Antragstellenden und den erforderlichen Nachweisen wären so schnell erhoben worden. Aber wer soll die Berechtigung im Nachhinein prüfen? Es gibt hunderte Formen von Nachweisen, niemand kennt diese alle und könnte digitale Fälschungen erkennen. Jeder Einzelfall wäre mit unverhältnismäßig hohen Prüfaufwänden einhergegangen – was im Übrigen auch für einen Papierantrag gilt. Die Berechtigung für einen Antrag sollte also vorab festgestellt sein.
Auf dieser Grundlage kann die Antragstellung ausschließlich digital erfolgen. Sachbearbeitende müssen Anträge nur bei wenigen Einzelfällen manuell prüfen. Die Antragsbearbeitung könnte so zu über 99 Prozent automatisiert werden, und das minutenschnell.
Schlüsselpositionen für Ausbildungsstätten und zuständige Stellen
Die zahlreichen Ausbildungsstätten hatten die zentrale Funktion, für jede anspruchsberechtigte Person Zugangscodes zu erzeugen, denn nur sie wussten, wer zum Stichtag bei ihnen gelernt hat. Die Listen wurden ausschließlich innerhalb der Ausbildungsstätte verarbeitet und datenschutzkonform verschlüsselt.
Hierfür wurde vom Projekt eine Offline-Webanwendung bereitgestellt und es gab aktive Unterstützung von Herstellern von Campus- und Schulmanagementsoftware.Zwischen Dezember und Februar wurden zahlreiche zuständige Stellen in allen 16 Bundesländern festgelegt, um die Kommunikation mit den Ausbildungsstätten und die administrative Umsetzung des Verfahrens zu gewährleisten. Gut 200 Sachbearbeitende wurden arbeitsfähig gemacht. Nachdem die erforderlichen Rechtsverordnungen in allen Ländern durch die Gremien gebracht worden waren, konnte es endlich losgehen.
Antrag ausschließlich mit BundID
Wie kann sehr sicher festgestellt werden, dass die antragstellende Person auch wirklich die Person ist, die anspruchsberechtigt ist? Zugangscodes können auf potenziell unsicheren Wegen in falsche Hände geraten oder unberechtigt ausgestellt worden sein. Wer will das bei tausenden handelnden Akteuren kontrollieren?
Ein eigener eID-Service wäre für das Vorhaben unverhältnismäßig aufwändig geworden, Bestehendes nachnutzen das Ziel. Das Nutzerkonto BundID war hingegen hervorragend geeignet, um die komplette Zielgruppe sicher zu identifizieren: Ein ELSTER-Zertifikat oder einen Ausweis mit eID-Funktion kann jede Person ab 16 Jahren mit Meldeadresse in Deutschland nutzen. Lediglich für die Zielgruppe unter 16 Jahren oder mit keiner deutschen Meldeadresse musste noch ein Zugangsweg definiert werden. Hierfür wurde das PIN-Verfahren entwickelt, welches sich auch mit der Basisauthentifizierung der BundID einfach nutzen ließ. Wer eine staatliche Leistung in Anspruch nehmen möchte, muss seine Identität nachweisen, offline wie online.
Ein Leuchtturm für Verwaltungsdigitalisierung
Aus Sicht der Nutzenden wurden die Abläufe vor dem eigentlichen Antrag bisweilen als kompliziert empfunden. Ohne praktische Erfahrungen mit der eID oder ELSTER lauern hierbei durchaus einige Fallstricke. Die überwiegende Masse der Antragstellenden hat dies dennoch in sehr kurzer Zeit gemeistert, was über eine Million abgeschlossene Anträge in weniger als fünf Tagen eindrucksvoll belegen.
Für ein Konzept, welches im Kern auf der Zuarbeit von tausenden Ausbildungsstätten aufbaut, die konzentriert auf relativ wenige zuständigen Stellen in der gesamten Republik orchestriert wurden, kann dies als Erfolg gewertet werden. Unter den gegebenen rechtlichen Bedingungen war ein solches Projekt nicht schneller umsetzbar, auch wenn die Politik es ursprünglich anders „versprochen“ hatte. Das Ergebnis jedoch überzeugt: Das Projekt Einmalzahlung200 ist ein sehr innovativer Ansatz, um im Massenverfahren kosteneffizient Geld an eine heterogene Zielgruppe auszuzahlen.
Auf der nächsten Seite: Bernd Schlömer, Staatssekretär für Digitalisierung des Landes Sachsen Anhalt, im Interview
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