GovTech-Lösungen Innovationen beschaffen, statt die Beschaffung zu innovieren
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Innovative Lösungen sind ein Hebel zur Verwaltungsdigitalisierung, sagt GovMind-Geschäftsführer Manuel Kilian. Im Interview erklärt er, worauf es dabei ankommt und wo Govtech-Unternehmen und Verwaltungen noch Hilfe brauchen. Letztlich – auch das zeigt sich im Gespräch – verändert ein Fokus auf Innovationen auch die internen Beschaffungsprozesse während der Markterkundungsphase.

Herr Kilian, derzeit sind die Budgetkürzungen bei der Verwaltungsdigitalisierung in der Diskussion. Sie haben in dem Zusammenhang auf eine Maßnahme hingewiesen, die Hebelwirkung hätte, aber noch zu wenig genutzt wird – den Einkauf innovativer Lösungen. Wo sehen Sie denn die Hürden bei der Beschaffung von Innovationen?
Kilian: Richtig, und die Hebelwirkung ist enorm, wenn man bedenkt, dass das Beschaffungsvolumen der Öffentlichen Hand in Deutschland bei mindestens 300 Milliarden Euro pro Jahr liegt. Wir würden uns – und der Digitalisierung der Öffentlichen Hand – einen großen Gefallen tun, wenn wir die Diskussion weg von den Haushaltskürzungen und hin zu diesem strategischen Hebel lenken würden.
Auf europäischer Ebene wird für die Beschaffung innovativer Lösungen der Begriff „Innovation Procurement“ verwendet, was in Deutschland lange Zeit als das Innovieren von Beschaffungsprozessen interpretiert wurde. Das geht am Kern vorbei, denn bei „Innovation Procurement“ sollte es gerade um den Einkauf von innovativen, oft marktfähigen Lösungen gehen, und dafür braucht man nicht unbedingt neue Prozesse. Vereinfacht ausgedrückt: Es geht nicht darum, ‚wie‘ etwas beschafft wird, sondern ‚was‘ beschafft wird.
Das bestehende Instrumentarium des Vergaberechts ist für erfolgreiches „Innovation Procurement“ in jedem Fall ausreichend. Mit den EVB-IT-Verträgen steht zudem ein standardisiertes und gutes Vertragswerk für die Beschaffung von IT- und Softwareleistungen zur Verfügung, das auch für die überwiegende Zahl innovativer Lösungen geeignet ist.
GovTech (kurz für: Government Technology) steht für Technologien, digitale Produkte und Lösungen für den Public Sector.
GovTech-Produkte werden – nicht zwingend, aber doch oft – von Start-ups auf den Markt gebracht. Die Zusammenarbeit der Öffentlichen Verwaltung mit Start-ups ist aber kein Selbstläufer, ihr Anteil bei den Vergaben ist sehr gering.
Kilian: Ihr Anteil ist vermutlich noch gering. Wie gering kann leider niemand genau sagen, denn die Datenlage zum Vergabewesen in Deutschland ist dürftig. Ich habe Hoffnung, dass sich dies mit dem Bekanntmachungsservice der Bundesregierung künftig ändern wird.
Ich vernehme aber einen deutlichen Trend, was den Einkauf von GovTech-Produkten betrifft. Wenn Sie etwa an die Kooperation zwischen dem KI-Start-up Aleph Alpha und der Landesregierung Baden-Württemberg denken. Polyteia, eins der bekanntesten GovTech-Start-ups in Deutschland, hat kürzlich mit einem Konsortium einen Rahmenvertrag für das Land Berlin mit einem Volumen von über 50 Millionen Euro gewonnen. Die Stadt Hamburg hat mit GovTecHH sogar eine eigene Einheit geschaffen, um systematisch die Zusammenarbeit mit Start-ups auszubauen
In großen Institutionen bis hin zu kleineren Kommunen festigt sich das Gefühl, etwas tun zu müssen. Was oft noch fehlt in den 10.000 Vergabestellen in Deutschland, ist der Überblick über die zugegebenermaßen komplexe GovTech-Landschaft in Europa und die nötige Zeit, sich hiermit auseinanderzusetzen.
Aber stoßen junge GovTech-Unternehmen nicht doch an Grenzen bei der Vergabe, etwa weil sie noch nicht so lange bestehen und daher bestimmte Nachweise noch gar nicht erbringen können?
Kilian: Ja, zum Beispiel Referenzen zu erbringen, das ist mitunter schwer für die Start-ups, ebenso der Mindestumsatz. In manchen Fällen betrifft das auch Vorgaben zur Qualifikation des Gründungsteams. Insbesondere das erste Projekt mit einer Verwaltung ist immer eine Herausforderung, so ist unsere Erfahrung, danach geht es aber dann schneller. Wenn bekannt ist, dass zum Beispiel schon zwei andere Kommunen mit dem Start-up zusammengearbeitet haben, dann stoßen die Verantwortlichen in der dritten Kommune intern auf eine viel größere Offenheit für eine Zusammenarbeit mit dem Start-up. Wir schauen zudem mit großem Interesse auf die Pläne der Landesregierung in Baden-Württemberg, die die Vergabe an GovTech-Start-ups bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro ohne ein Vergabeverfahren ermöglichen will.
Die größte Herausforderung für den Moment bleibt jedoch, dass sich diese zwei Welten nicht finden: Eine Verwaltung oder Behörde hat ein Problem, das ein Start-up lösen könnte, doch die beiden wissen nichts voneinander – und genau hier setzen wir mit unserer Plattform MIRA an.
Um das etwas greifbarer zu machen, haben Sie Beispiele für solche Lösungen?
Kilian: Solche GovTech-Lösungen könnten zum Beispiel ein Learning-Management-System für Verwaltungsmitarbeitende, ein Baukasten für die Onlinebeteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, eine Software für die Früherkennung und Vorbeugen von Waldbränden, ein Buchungsportal für Kulturangebote, ein Patientenverwaltungssystem für Krankenhäuser, eine Parking App oder auch ein intelligenter Routenplaner für Entsorgungsfahrzeuge sein.
Auf der nächsten Seite: Wie die Ressorts bei der Markterkundung zusammenarbeiten.
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