Tipps für die föderale und ressortübergreifende IT-Zusammenarbeit So gelingen komplexe IT-Vorhaben in der Öffentlichen Verwaltung
Der Aufbau einer digitalen Verwaltung zwingt die Einrichtungen der Öffentlichen Hand zu einer immer intensiveren Kooperation im Bereich der Informationstechnik. Entsprechend gewinnen die föderale und die ressortübergreifende IT-Kooperation immer mehr an Bedeutung.
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Kooperative IT-Projekte sind ausgesprochen anspruchsvoll. Die Risiken sind hoch, dass sich die Ziele innerhalb des Zeit- oder Budgetplans nicht erreichen lassen oder dass ein Projekt insgesamt scheitert. In einer aktuellen Studie hat Cassini die Erfahrungen von 15 Projektverantwortlichen ausgewertet, die bereits föderale oder ressortübergreifende IT-Vorhaben in der Öffentlichen Verwaltung erfolgreich umgesetzt haben. Einhellig haben alle Befragten auf typische Risikofaktoren bei kooperativen IT-Projekten verwiesen:
- fehlende Kooperationsbereitschaft oder dominierende Eigeninteressen der Beteiligten,
- hochkomplexe Entscheidungsstrukturen,
- kaum mögliche Vereinheitlichung von Systemen und Prozessen und
- sich gegenseitig verstärkende Negativdynamiken.
Warum kooperative IT-Vorhaben oft scheitern
1. Jeder ist sich selbst der Nächste
Bei komplexen IT-Kooperationen wirken viele voneinander unabhängige Institutionen zusammen: Bund, Länder und Kommunen oder verschiedene Ressorts der Bundes- oder einer Landesregierung. Jede dieser Organisationen verfolgt ihre eigenen Interessen. Kooperative IT-Vorhaben können daher nur gelingen, wenn die beteiligten Institutionen und ihre Vertreter trotz unterschiedlicher und potenziell widerstreitender Interessen bereit sind, miteinander zu kooperieren. Dabei ist zu beachten: Je mehr ein Akteur die Erfahrung macht, dass seine Interessen durch die Gegenseite übergangen werden, umso mehr sinkt auch dessen Kompromiss- und Kooperationsbereitschaft.
2. Pingpong der Verantwortung
Angesichts ihrer relativen Unabhängigkeit müssen die Interessen der verschiedenen Akteure ausbalanciert werden, was oft in einem sehr zähen Aushandlungsprozess mündet. Übereinstimmend sahen die von Cassini befragten Projektverantwortlichen in den ineffektiven Entscheidungsabläufen das Hauptrisiko für kooperative IT-Vorhaben. Nicht zuletzt deshalb, weil bei unübersichtlichen Entscheidungswegen die Verantwortlichkeit gern hin und her geschoben wird. Viele reden mit, ohne für die Folgen gerade stehen zu wollen und zu müssen.
3. Jede Institution ist etwas anders gestrickt
Damit eine übergreifende IT-Lösung überall optimal funktioniert, müssten prozessuale, technische sowie organisatorische Strukturen in den entsprechenden Funktionsbereichen der Länder bzw. der Ressorts vereinheitlicht werden. Nicht zuletzt aufgrund der Organisationshoheit der Länder und des Ressortprinzips ist dies in der Regel nicht ohne Weiteres möglich.
4. Gleichberechtigt – fast bis zum Stillstand
Oft werden alle Projektgremien paritätisch besetzt. Aus Projektsicht ist das nicht immer sinnvoll, sondern eher darauf zurückzuführen, dass jede Organisation auf allen Ebenen ihre Eigeninteressen wahren will. Die Entscheidungswege werden so meist noch komplizierter.
5. Ein Abwärtstrend ist kaum umzukehren
Ist ein kooperatives IT-Vorhaben erst einmal in eine gewisse Schieflage geraten, kommt leicht eine negative Eigendynamik auf: Die Beteiligten schalten auf Schadensbegrenzung im Sinne des Selbstschutzes um. Es geht nun vor allem darum, sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen. Wäre das Projekt durch gemeinsame Anstrengungen vielleicht noch zu retten gewesen, so besiegeln diese Abwehrhaltungen das endgültige Aus.
Tipps, wie es besser geht
Selbstredend sind moderne Projektmanagementmethoden für eine erfolgreiche Umsetzung kooperativer IT-Vorhaben unabdingbar. Die Studienteilnehmer stimmten jedoch weitgehend darin überein, dass es insbesondere sogenannte weiche Faktoren sind, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Gebraucht werden vertrauensvolle, wertschätzende Beziehungen zwischen den Akteuren und eine respektvolle, ausgleichende Kommunikation. Die Studie stellt neun zentrale Erfolgsfaktoren für kooperative IT-Projekte vor. Dazu gehören die Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten, die vielschichtige Kompetenz des Projektleiters und ein Erfolgsdruck von außen.
1. Sich auf Augenhöhe begegnen
Der zentrale Erfolgsfaktor besteht darin, dass die Beteiligten mit ihren spezifischen Interessen als gleichberechtigt anerkannt sind und sie sich angemessen einbringen können. Schließlich definiert jeder Akteur die Anforderungen an die IT nur aus seinem Blickwinkel. Um ein umfassendes und praxistaugliches Resultat zu erzielen, werden aber die Perspektiven aller benötigt. Nicht zu vergessen: Die Kooperationsbereitschaft der Akteure hängt davon ab, ob sie ihre Interessen angemessen berücksichtigt sehen. Anderenfalls sind sie immer in der Lage, das Vorhaben zu behindern oder zu blockieren. Umgekehrt bedeutet die Einbeziehung aller betroffenen Einrichtungen aber auch, sie mit in die Verantwortung für die Ergebnisse zu nehmen – was die Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit fördert.
2. Den idealen Projektleiter einsetzen: durchsetzungsfähig, vernetzt und vertrauenswürdig
Nicht zuletzt für die Zusammenarbeit mit den übergeordneten Gremien sollte ein Projektleiter über ein tragfähiges Netzwerk und gutes Stehvermögen verfügen. Da diese Gremien potenziell konfliktbehaftet und in Bezug auf die Projektdetails häufig uninformiert sind, muss die Projektleitung notwendige Entscheidungen von ihnen aktiv und mit Nachdruck abfordern. Der Erfolg hängt ganz maßgeblich davon ab, dass jede Ebene ihre Aufgaben zeitnah und im Sinne des Gesamtprojekts löst. Die persönliche Vertrauenswürdigkeit des operativen Projektleiters beeinflusst wesentlich das Vertrauen aller Beteiligten in das Gesamtvorhaben. Soziale und kommunikative Kompetenzen sind essentiell, um das Leitbild einer Kooperation auf Augenhöhe glaubhaft vorzuleben. Zusätzlich sind persönliche Autorität und Durchsetzungsfähigkeit erforderlich, um Konflikte konsequent zu lösen und das Projekt voranzutreiben.
3. Erfolgsdruck erzeugen
Ein Druck von außen ist für den Erfolg kooperativer IT-Vorhaben ausgesprochen hilfreich. Er fördert die Kompromissfähigkeit und Ergebnisorientierung der Beteiligten und lässt sie ihre Einzelinteressen zurückstellen – allerdings nur dann, wenn sich der Druck auf alle Beteiligten gleichermaßen verteilt. Das heißt, jeder Akteur muss im Falle eines Misserfolgs von seiner eigenen Institution zur Verantwortung gezogen werden. Erfahrene Projektleiter bauen diesen Erfolgsdruck deshalb durchaus systematisch auf. Bei föderalen IT-Vorhaben hat sich hier insbesondere die kontinuierliche Einbindung der zuständigen Fachministerkonferenz bewährt.
Praxisleitfaden
Noch mehr Anregungen für erfolgreiche föderale und ressortübergreifende IT-Projekte finden sich im Bericht „Gemeinsam besser. Praxisleitfaden für kooperative IT-Vorhaben“ der Cassini Consulting GmbH. Er ist kostenlos HIER als PDF abrufbar.
* Die Autoren: Dr. Florian Theißing, Senior Consultant & Sophia Rackwitz, Associate bei Cassini Consulting
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