Mit wertvollen Daten zur Mobilitätswende Lustenau auf dem Weg zur fahrradfreundlichsten Gemeinde Österreichs
Die Mobilitätswende ist ein langwieriger Prozess. Basis dabei ist jedoch immer eine Analyse des aktuellen Verkehrsflusses. Die Marktgemeinde Lustenau arbeitet dafür mit dem Softwareunternehmen Swarm Analytics zusammen – und startet die Reise zur fahrradfreundlichsten Gemeinde Österreichs.
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30 Prozent Fahrradanteil am kommunalen Verkehr will die österreichische Marktgemeinde Lustenau erreichen. Bürgermeister Kurt Fischer und sein Team haben daher die Kampagne „Rad.Lust“ ins Leben gerufen, in deren Rahmen unter anderem die Anschaffung von Lastenfahrrädern bezuschusst wird. Gleichzeitig setzt die Gemeinde auf Verkehrsplanung, den zunehmenden Radverkehr vernünftig zu planen und zu integrieren.
Immerhin, Lustenau kommt bereits heute auf 22 Prozent Fahrradanteil – ein guter Wert für Österreich, aber auch im europäischen Vergleich. Um die fehlenden Prozente nun auch zu überwinden, beauftragte Fischer das Innsbrucker Softwareunternehmen Swarm Analytics, das auf die Analyse des fließenden und ruhenden Verkehrs spezialisiert ist: Mithilfe einer KI-gestützten Software werden dafür Videodaten aus Kameras ausgewertet und in anonyme Bewegungsdaten übersetzt.
Im Gegensatz zur klassischen Verkehrszählung hat dies den Vorteil, dass die Daten in Echtzeit zur Verfügung stehen. „Ein Wandel in der Mobilität erfordert faktenbasierte Entscheidungen“, so Fischer. Vor allem Fakten, die auch die Dynamik abbilden.
Videogestützte Analyse überzeugt
Auf einem Vortrag hörte Fischer Wieland Alge, CFO des Softwareentwicklers Swarm Analytics, der über die Möglichkeiten der video- und softwaregestützten Verkehrsanalyse referierte. „Ich war fasziniert von den Möglichkeiten“, erinnert er sich. „Die Kamera und Software verzählen sich nicht. Und sie bewerten auch nicht. Ich bekomme aktuelle Daten, sogar in Echtzeit, wenn notwendig. Ich kann rund um die Uhr zählen. Gleichzeitig ist das Investment in die Hardware einmalig mit geringen laufenden Kosten. Wenn ich die Technik an einer Stelle nicht mehr benötige, setze ich sie an anderer Stelle ein. Ich mache mich unabhängig von Mobilitäts- und Verkehrsplanungsbüros.“
Er beauftragte daher die erste Installation mit 14 Sensoren, also 14 Kameras mit den entsprechenden Analysesystemen. Swarm Analytics stellt dabei nicht nur die Technik zur Verfügung, sondern berät auch, an welchen Stellen es sinnvoll ist, die Kameras und PCs anzubringen. „Eine geeignete Position ist zum Beispiel an bestehender Infrastruktur wie Straßenlaternen oder Ampeln, wo es bereits Strom gibt. Über die günstige Verteilung und Ausrichtung der Kameras haben wir in vielen vorangegangenen Projekten, etwa im dänischen Odense, viel Erfahrung gesammelt, von der andere Kunden jetzt profitieren“, berichtet Michal Bredehorn, Gründer und CEO von Swarm Analytics.
Von Kamerabildern zu anonymen Bewegungsdaten
Um aus den Kamerabildern Bewegungsdaten zu generien, kommen sogenannte „Swarm Perception Boxes“ zum Einsatz. Diese sind outdoortaugliche Mini-PCs, auf denen eine Analysesoftware läuft. Die Software liest die Kameradaten in Echtzeit ein und errechnet daraus mithilfe von KI (sogenannte Computer Vision) Bewegungsdaten. Zum Beispiel „173 Autos und 46 Fahrradfahrer passierten Kreuzung X am Montag zwischen 7 und 10 Uhr.“ Die Kamerabilder löscht die Software unmittelbar nach der Auswertung. So entstehen echte anonyme und demnach datenschutzkonforme Bewegungsdaten.
Diese Rohdaten fließen im Anschluss in das Cloud-basierte Dashboard „Swarm Perception Platform“ ein. Dort werden sie über bereits vorhandene Templates oder in Eigenregie zu statistischen Reports zusammengestellt, etwa „die durchschnittliche Zahl von Autos und Fahrrädern im Bereich X wochentags im Berufsverkehr“.
Test von Schutzwegen und Geschwindigkeitsbegrenzungen
Entlang der Nord-Süd-Verbindung durchs Lustenauer Stadtzentrum erfasst die Software bereits den „Modal Split“ des Verkehrs. Für die Lustenauer Verkehrsanalytiker und -planer spielt dabei unter anderem eine Rolle, welcher Anteil des Verkehrs durch Lustenau nur durchfährt und wie viele Verkehrsteilnehmer in Lustenau bleiben. „Wir wollen den Durchgangsverkehr aus dem Ort haben und motorisierten innerörtlichen Verkehr minimieren“, berichtet Fischer. Mithilfe der Swarm-Analytics-Lösung testen die Lustenauer unterstützende Maßnahmen wie Fahrradpriorisierungen, Schutzwege und Geschwindigkeitsbegrenzungen. So haben die Verkehrsplaner der Gemeinde in einigen Teilen des Ortes so genannte „Begegnungszonen“ geschaffen, in denen die Geschwindigkeit auf 20 km/h reduziert ist. „Wir gehen davon aus, dass sich dadurch die Zahl der Fußgänger und Fahrradfahrer erhöht und der Durchgangsverkehr auf die Transitroute ausweicht“, so Fischer.
Verkehrsanalyse nutzt der gesamten Kommune
Auch das Ortsmarketing, das die Prämisse „fahrradfreundlichste Gemeinde Österreichs“ ausgerufen hat, und die Gemeinde-Sicherheitswache nutzen die Daten, die die Software liefert. „Wir wollen als lebenswerte Gemeinde ideale Rahmenbedingungen für Fußgänger und Radfahrer schaffen. Die neuen Daten liefern uns dabei eine wichtige Informationsgrundlage“, erklärt Fischer. Der Bürgermeister schätzt besonders, dass die Daten in einem Cloud-basierten Dashboard im Internet-Browser abgerufen werden können. „Das Dashboard ist eingängig, jeder kann es benutzen. Neue Reports hat man dank vieler Vorlagen schnell eingerichtet. So können viele Abteilungen sicher und unkompliziert auf alle Daten zugreifen, die sie brauchen. Und theoretisch könnten wir sogar unseren Bürgern ausgewählte Daten öffentlich zur Verfügung stellen.“ Letzteres zeigt diesen auch, dass die Kommune daran arbeitet, den Verkehr vernünftig umzubauen und damit die Lebens- und die Wohnqualität zu verbessern.
Datenanalyse trägt zur Stadtentwicklung bei
Kurt Fischer und sein Team wollen die Zentrumsachse noch zwei bis drei Jahre weiter beobachten und analysieren, denn mit den neuen Möglichkeiten steigen auch die Erwartungen. Die Lustenauer wollen etwa herausfinden, wie viel Berufsverkehr mit dem Fahrrad absolviert wird und sie wollen die Geschwindigkeit der Fahrzeuge im Ort und das Tempo vor Schulen in unbeobachteten Momenten messen.
Ob Schutzwege wie Zebrastreifen sicher sind und an der richtigen Stelle sitzen, soll ebenso geprüft werden: „Wir können zum Beispiel erfassen, wie hoch der Anteil der Fahrzeuge ist, die am Zebrastreifen nicht anhalten, obwohl dort ein Fußgänger steht. Oder wie viele Fußgänger einen Zebrastreifen benutzen im Vergleich zu Querungen an einer anderen, nahen gelegenen Stelle“, erläutert Fischer.
Auch die Parkraumbewirtschaftung hat der Bürgermeister auf dem Plan. Weitere konkrete Maßnahmen sind schon in Planung. So soll es etwa eine weitere Begegnungszone geben. Rückblickend resümiert Kurt Fischer: „Mit der IT-gestützten Videodatenanalyse, wie wir sie von Swarm Analytics einsetzen, können wir Souveränität über die Entwicklung unserer Ortsmitte gewinnen. Wir bekommen fundierte Daten und treffen autonome Entscheidungen.“
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