Elektronische Daseinsvorsorge Gestaltungsspielraum und Gestaltungspflicht für die Politik

Autor / Redakteur: Dr. Sönke E. Schulz / Manfred Klein

Die Frage, wie die Daseinsvorsorge des Staates für die Informationsgesellschaft aussehen müsse, treibt die Verantwortlichen schon länger um. Die Themen etwa des Nationalen IT-Gipfels zeigen das deutlich. Noch sind dergleichen Überlegungen jedoch nicht Allgemeingut geworden, wie etwa die aktuelle Rechtsprechung zeigt. Und auch die Befürworter sind sich uneins was darunter zu verstehen ist. Unser Autor fasst den Stand der Diskussion zusammen.

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Die Daseinsvorsorge – ein klassisches Rechtsinstitut und ein politisches Gestaltungsinstrument gleichermaßen – befindet sich im Wandel. Der gesellschaftliche und technische Übergang zur Informationsgesellschaft macht andere Infrastrukturen und Dienste erforderlich als noch vor 20 Jahren. Der breitbandige, überall und zu erschwinglichen Preisen verfügbare Zugang zu Wissen stellt sich zunehmend als eine für die breite Bevölkerung notwendige Mindestbedingung dar.

Netzgebundene Infrastrukturen sind Anwendungsfälle der klassischen Daseinsvorsorge und geeignet, den Umgang des Staates mit seiner Verantwortung für die Grundbedürfnisse der Bürger zu illustrieren und so als Ausgangspunkt der Überlegungen zur Fortentwicklung – ausgehend vom Einsatz der IuK-Technologien – zu dienen. Die eDaseinsvorsorge ist jedoch keineswegs hierauf begrenzt.

Aufgabe von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahren wird es sein, die Frage zu beantworten, ob künftig jeder Bürger einen marktüblichen Personal Computer, einen Laptop, ein Handy oder gar einen Organizer besitzen muss. Begriffe wie „Volkscomputer“ und „Volkshandy“ scheinen dies nahezulegen.

Braucht man vergleichbar dem „Sozial-Konto“, welches vor allem von den überwiegend in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebenen – und somit staatlichen – Sparkassen zur Verfügung gestellt wird, ein „Sozial-eMail-Konto“ und die Nutzungsmöglichkeit von ePayment-Systemen, um bestimmte Bevölkerungsschichten nicht von eCommerce und eGovernment auszugrenzen? Der Vergleich mit dem klassischen Konto und der Zuordnung der Sparkassen zur (kommunalen) Daseinsvorsorge spricht dafür – auch wenn die zahlreichen kostenlosen eMail-Accounts eine Aktivierung der staatlichen Gewährleistungsverantwortung derzeit nicht aktuell werden lassen.

  • Und welche Folgen hat die Verlagerung des gesamten Lebens, einschließlich persönlicher Beziehungen und Verwaltungsdienstleistungen ins Internet?
  • Ist ein für jedermann zugängliches, einfach handhabbares und finanzierbares, technikgestütztes Identitätsmanagement in geeigneter Form regulatorisch seitens des Staates abzusichern?

eDaseinsvorsorge – mehr als nur ein Breitbandzugang

Angesichts der Finanzsituation öffentlicher Haushalte sei jedoch klargestellt: Wenn von Daseinsvorsorge oder im Kontext der Virtualisierung von eDaseinsvorsorge gesprochen wird, soll damit keinesfalls immer ein eigenes staatliches Engagement gefordert werden. Dies ist oftmals gar nicht erforderlich und zum Teil sogar schädlich. Allerdings muss – und dies will die Staatsaufgabe eDaseinsvorsorge einfordern – die Rolle des Staates in der Informationsgesellschaft neu bewertet werden.

Mit dem Begriff der Daseinsvorsorge wurde schon ursprünglich eine veränderte Verwaltungswirklichkeit aufgegriffen und verarbeitet. Die zunehmende Industrialisierung und die wachsenden Ansprüche des Einzelnen stellten die Verwaltung vor neue Aufgaben – wie auch die Veränderungen durch den IT-Einsatz sowie technische Innovationen nicht ohne entsprechende Reaktion von Recht und Verwaltung bleiben können. Grundversorgung,

Daseinsvorsorge und Universaldienste beschreiben die Bereitstellung wichtiger Infrastrukturen und Dienstleistungen für die gesamte Bevölkerung zu einem angemessenen Preis. Diese Verpflichtung aktualisiert sich gerade in benachteiligten Gebieten und für benachteiligte Bevölkerungsgruppen, wo nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien die Aufrechterhaltung derartiger Services nicht rentabel wäre.

Staatsverständnis als Grundlage

Daseinsvorsorge steht dabei nicht für einen paternalistischen Staat, der erst „dafür sorgt, dass Bürger da seien“, und somit nicht für ein Staatsverständnis, das demjenigen des Grundgesetzes zuwiderläuft und mittlerweile als überwunden gelten sollte. Vielmehr ist ein solcher Staat mühelos in Übereinstimmung mit der sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes und den individuellen Freiheitsrechten des Einzelnen zu bringen.

Die von der Daseinsvorsorge umfassten Dienste und Infrastrukturen müssen regelmäßig den aktuellen wirtschaftlichen, sozialen und technischen Anforderungen angepasst werden, um die ihr von der Rechtsordnung zugewiesene Funktion sachgerecht erfüllen zu können. Diese Wandelbarkeit ist jeder Analyse der Realbedingungen immanent, die bewerten will, welche Güter und Leistungen für ein sinnvolles menschliches Dasein notwendig sind. Zudem zwingt die Rückführung auf das soziale Staatsziel und die grundrechtlichen Schutzpflichten ebenfalls dazu, inhaltliche Veränderungen anzuerkennen.

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