Algorithmen von Fraunhofer MEVIS Einsatz von strahlenden Mikrokugeln in der Krebsbehandlung richtig berechnen
Die Radioembolisation ist eine Therapie bei Lebertumoren, die sich weder operieren noch mit Chemotherapie erfolgreich behandeln lassen. Wichtig für ihren Erfolg ist eine möglichst fundierte Planung der Behandlung. Mit dem Projekt SIRTOP arbeitet das Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen daran, die Therapieplanung mit Hilfe ausgefeilter Computeralgorithmen schneller und genauer zu machen.
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Bei der Radioembolisation – auch selektive interne Radio-Therapie (SIRT) genannt – werden per Katheter winzige Glas- oder Kunstharzkügelchen in die Arterien der Leber injiziert. Sie enthalten Yttrium-90, eine radioaktive Substanz, die nur wenige Millimeter weit, aber intensiv ins Gewebe strahlt. Da Krebsgeschwüre in der Regel stärker arteriell durchblutet werden als gesundes Gewebe, reichern sich die strahlenden Kügelchen vor allem im Tumor an. Da Yttrium-90 eine Halbwertszeit von 64 Stunden besitzt, behalten die Kügelchen ihre strahlende Wirkung über mehrere Tage. Gleichzeitig verstopfen sie die tumorversorgenden Kapillargefäße und schnüren das Geschwür dadurch von der Blut- und Nährstoffzufuhr ab. Beide Effekte zusammen – Bestrahlung und Mangelversorgung – sorgen dafür, dass der Tumor nicht mehr wächst und sogar deutlich schrumpft.
Software unterstützt die Therapie-Planung
Eine wichtige Voraussetzung für die Radioembolisation ist die sorgfältige Planung der Behandlung: Um die Tumoren maximal zu schädigen, sollten sie eine möglichst hohe Strahlendosis in Form der Mikrokügelchen erreichen. Gleichzeitig soll das gesunde Lebergewebe möglichst unbeschadet bleiben. Um die Mediziner bei der Therapieplanung zu unterstützen, entwickelt Fraunhofer MEVIS im Projekt SIRTOP (Optimization of Selective Internal Radiation Therapy in the Liver) neue Software-Werkzeuge, die unter anderem auf selbstlernenden Algorithmen basieren.
Als Grundlage für die Planung fungieren Aufnahmen aus dem Computertomographen (CT) und dem Magnetresonanztomographen (MRT). Anhand dieser radiologischen Bilder lässt sich bestimmen, welches Volumen die Leber eines Patienten besitzt, wie viele Tumoren es gibt, ihre Größe und wo sie sich im Organ befinden – wichtige Basisinformationen, um herauszufinden, wie viele radioaktive Kügelchen man am besten injiziert. Bislang schätzen medizinische Fachkräfte diese so genannte Tumorlast ab – das Verhältnis von Tumorvolumen zum gesamten Lebervolumen. Diese Abschätzung mehrerer Läsionen ist aber zeitintensiv und kann 15 Minuten oder mehr in Anspruch nehmen. „Wir haben eine Methode entwickelt, die diese Aufgabe mithilfe von Deep-Learning-Verfahren automatisch erledigt“, sagt Projektleiterin Andrea Schenk. „Statt 15 bis 30 Minuten benötigt unser Verfahren bei vergleichbarer Genauigkeit im Durchschnitt keine drei Minuten.“
Neben der Entwicklung von Algorithmen zur Tumorlast-Bestimmung geht es bei SIRTOP um einen weiteren Aspekt der Therapieplanung – das Ermitteln der optimalen Strahlendosis für einen Patienten. In der Praxis nutzen die Ärzte dafür oftmals eine recht einfache Methode, bei der sie die Werte für die Tumorlast mit der Körpergröße und dem Gewicht des Patienten korrelieren. Die MEVIS-Forscher arbeiten an einem genaueren Ansatz: Ihr Computermodell analysiert das Arteriensystem der Leber und ermittelt, welche Gefäße welche Tumoren versorgen. „Platziert man in genau diese Arterien oder deren Zusammenflüssen den Katheter zur Injektion der Kügelchen, lässt sich eine höhere Strahlendosis an den Tumor bringen“, erläutert Schenk. „Dadurch könnte man ihn zielgerichteter schädigen, ohne das gesunde Gewebe stärker zu belasten.“ Das neue Modell trifft dabei nicht nur globale Aussagen für die Dosisverteilung in der gesamten Leber, sondern ermöglicht auch die Betrachtung der Dosis in verschiedenen Gebieten der Leber.
Als nächstes stehen weitere Evaluierungen der Methoden an, bei der die Forscher derzeitig auf Daten aus Dresden und aus Yokohama zurückgreifen. „Spätestens zum Projektende im Herbst 2018 wird ein Werkzeug bereitstehen, das die Behandlungsplanung wesentlich verbessert“, sagt Andrea Schenk. In klinischen Studien soll im Anschluss die Auswirkung auf den Therapieerfolg belegt werden.
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