Sicherheit der Schifffahrt & Gefahrenabwehr Eigenes Kommunikationsnetz für die Bundeswasserstraßen
Die Dienste der Daten-, Sprach- und Funkübertragung für den Schiffsverkehr und für das Fernsteuern und Fernwirken von Wehren und Schleusen müssen auch in extremen Situationen wie bei Hochwasser oder in Katastrophenfällen ständig verfügbar sein. Beim Aufbau eines neuen bundesweiten Kommunikationsnetzes mussten 110 Standorte mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Ansprechpartnern gemanagt werden.
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Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) hat ein umfangreiches Aufgabengebiet rund um die Bundeswasserstraßen. Dazu gehören der Betrieb eines Netzes für sicherheitskritische Kommunikationsdienste wie Hochwasserwarndienste oder Notaus- und Nothaltesysteme an 315 Schleusenanlagen und über 300 Wehren entlang der rund 7.300 Kilometer Binnenwasserstraßen wie Donau, Rhein oder die Elbe.
„Der Betrieb solcher hoheitlichen und sicherheitskritischen Dienste muss jederzeit gewährleistet sein und darf deshalb nicht von der Verfügbarkeit öffentlicher Kommunikationsnetze abhängig sein“, erläutert Roland Frangen, Leiter der Fachgruppe Kommunikationstechnik bei der Fachstelle der WSV für Verkehrstechniken (FVT).
Kritische Dienste entlang der Wasserstraßen
Zu den typischen Diensten des WSV-Kommunikationsnetzes gehört die Wehrsteuerung. Sie sorgt für die Kontrolle der sich ständig ändernden Wasserpegel. Alle Wehre entlang eines Flusses sind miteinander verbunden und die Wasserpegel werden mit einer automatischen Abfluss- und Stauzielregelung über die Wehre reguliert.
Wo früher jede einzelne Schleuse manuell betrieben und überwacht wurde, werden drei bis sechs solcher Anlagen und alle Dienste und Prozesse der örtlichen Standorte inzwischen von standortübergreifenden Leitzentralen aus gesteuert. Das gilt sowohl für die Sprachkommunikation und die Schleusenfernbedienung als auch für die Videoüberwachung der Schleusen.
Auch der Nautische Informationsfunk (NIF) für die Kommunikation zwischen den Schiffen und den Schleusen wird über das WSV-Netz betrieben. Die Revierzentralen der WSV nutzen den NIF, um rechtzeitig vor Hindernissen zu warnen oder Gefahrguttransporte zu überwachen. Neuere Anwendungen wie das Automatische Identifikationssystem (AIS) erfolgen ebenfalls über das WSV-Netz. Eine an Schiffen installierte Transpondertechnik sendet automatisch Daten zur Position des Schiffes, den Schiffsnamen, die Geschwindigkeit oder Informationen zur Beladung an das AIS.
Aufbau eines neuen bundesweiten Kommunikationsnetzes
Das alte Kommunikationsnetz basierte auf acht 2-MBit/s-Ringen und war über ganz Deutschland verteilt. „Zum einen reichte die Kapazität des Netzes beispielsweise für hochbitratige Videodienste nicht mehr aus und zum anderen lag das Netz noch in den Händen eines längst privatisierten Bundesunternehmens. Deshalb musste ein eigenes Kommunikationsnetz der WSV neu aufgebaut werden, dass sowohl den hohen Sicherheits- und Verfügbarkeitsanforderungen als auch dem gestiegenen Bandbreitenbedarf gerecht wird“, berichtet Michael Münch, Mitarbeiter der WSV-Fachgruppe Kommunikationstechnik, aus dem WSV-Projekt.
Für den Aufbau eines eigenen bundesweiten Netzes konnte die WSV die rund 2.300 Kilometer der bereits vorhandenen regionalen Glasfaserstrecken der 39 Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter (WSÄ) entlang der Binnenwasserstraßen nutzen. Allerdings waren nicht alle dieser regionalen Kabel untereinander verbunden. Die fehlenden Strecken mussten durch angemietete unbeschaltete Glasfaserkabel (Dark Fiber) ergänzt werden, um sowohl die Verbindung untereinander als auch zusätzliche Ersatzwege für den Ausfall einer Strecke bereitzustellen. Die FVT koordinierte die Anforderungen der regionalen Direktionsbereiche und führte die europaweiten Ausschreibungen für die Mietleitungen und für die Übertragungstechnik durch.
Prioritäten
Die Ausschreibungen umfassten detaillierte Vorgaben zur Übertragungstechnik und zum Aufbau des Netzes. Die Technik sollte die Vorteile einer zuverlässigen und gut parametrierbaren SDH-Technik erfüllen und darüber hinaus zukunftssicher für die steigende Nutzung von IP-Diensten sein. Erforderlich war eine sehr kompakte Technikausführung, um die vorhandenen Systemschränke an den dezentralen Standorten weiter nutzen zu können.
„Die wichtigsten Anforderungen galten der Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Gefahrenabwehr. Alle Strecken und alle kritischen Übertragungskomponenten mussten redundant ausgelegt sein. Die Serviceleistungen des Projektpartners mussten bundesweit abrufbar sein und er musste Erfahrungen mit großen Projekten nachweisen“, so Roland Frangen. Unter den wenigen Anbietern, die alle Kriterien erfüllen konnten, entschied sich die WSV für das angebotene Lösungspaket von 3M Services aus Übertragungstechnik und Servicedienstleistungen mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis.
Zu dieser Lösung gehört die NPT-Systemfamilie des Herstellers ECI Telecom für die hybride Nutzbarkeit von TDM- und IP-Diensten per SDH und MPLS-TP. Dabei kann die Kapazität von derzeit STM-16 noch auf STM-64 erweitert werden. Für die effektive Mehrfachausnutzung der angemieteten Glasfaserstrecken dient außerdem die Apollo WDM-Technik des Herstellers ECI, die eine vollständige Integration in das übergreifende Management-System erlaubt.
Herausforderungen an das Projektmanagement
Das geplante bundesweite Netz sollte 7 Ringe mit 110 dezentralen Knoten und Repeatern umfassen. Das gesamte Netz wurde mit Unterstützung von 3M Services zentral von der Fachstelle der WSV für Verkehrstechniken in Koblenz geplant und umgesetzt. Dabei musste der Start wegen einer generellen Haushaltssperre zunächst um sechs Monate verschoben werden. Außerdem wurde die Ausschreibung der Dark-Fiber-Strecken auf Wunsch der Anbieter nochmals verlängert.
Anschließend gehörte die Abstimmung und Koordination mit einer Vielzahl unterschiedlicher Zuständigkeiten und Ansprechpartner für die 110 auszurüstenden Standorte zu den größten Herausforderungen des Projekts“, gibt Michael Münch einen Einblick in den Projektalltag. Hier habe sich sehr anschaulich gezeigt, wie wichtig Routine und Erfahrungen mit solchen Projekten sind. So waren viele Standortverantwortliche zunächst eher zurückhaltend, weil sie in einem anderen Projekt schlechte Erfahrungen mit Unterauftragnehmern gesammelt hatten. Dort standen morgens ohne Ankündigung Techniker vor der Haustür und mussten unverrichteter Dinge wieder abrücken.
„Die Projektkoordination von 3M Services über die Vielzahl der Standorte hat dagegen sehr gut funktioniert und die Mitarbeiter haben auch auf einzelne Planänderungen sehr flexibel reagiert“, bestätigt Michael Münch die guten Erfahrungen. Dabei hebt er auch die Unterstützung und den guten Willen der örtlichen Ansprechpartner hervor, da die Planung und Transparenz dieses Projekt schließlich überzeugen konnte.
Zu den Aufgaben des Projektpartners gehörte neben dem Rollout der Technik über die 110 Standorte auch die Konfiguration der Übertragungstechnik, die Inbetriebnahme, die Testphase und die Schulung der Mitarbeiter.
Kontrolle über das eigene Netz
„Wir haben für die Sicherheit der Schifffahrt und zur Gefahrenabwehr jetzt die Kontrolle über ein eigenes Netz, das hoch verfügbar und gegen Ausfälle gut abgesichert ist“, nennt der Fachgruppenleiter Kommunikationstechnik die wichtigsten Vorteile des neuen WSV-Netzes. Durch die höhere Kapazität der Kommunikations-Infrastruktur und durch eine echte Wege-Redundanz sind auch die regionalen Ämter besser versorgt. Dabei schafft das Netzmanagement der Übertragungstechnik einen besseren Überblick über den Status des Netzes und ermöglicht durch eine Ende-zu-Ende-Verschaltung der Verbindungen und einem integrierten Fehlermanagement auch einen effizienteren Betrieb.
Das Kommunikationsnetz bringt durch die Einsparungen bei den bisher genutzten Mietleitungen und beim Schleusenbetrieb zudem auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile.
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