Digitalisierung in Rheinland-Pfalz „Das OZG ist eine echte Mammutaufgabe“

Von Eva Hornauer/Manfred Klein

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Die Digitalisierung ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit – das hat auch Rheinland-Pfalz erkannt. eGovernemnt Computing sprach mit Fedor Ruhose, CIO und Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Transformation und Digitalisierung, über den Stand der Digitalisierung in Rheinland-Pfalz.

Fedor Ruhose, CIO und Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Transformation und Digitalisierung
Fedor Ruhose, CIO und Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Transformation und Digitalisierung
(© Peter Pulkowski)

Passend zu unserem Schwerpunkt Rheinland-Pfalz, konnten wir mit dem CIO von des Landes, Fedor Ruhose, über den Stand der Digitalisierung sprechen.

Herr Ruhose, ihre Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat auf der Smart Country Convention Zweifel an der fristgerechten Umsetzung des OZG geäußert. Wie stehen Sie zu dieser Äußerung und wie schätzen Sie den OZG-Entwicklungsstand in Deutschland ein?

Ruhose: Das Online-Zugangsgesetz (OZG), mit dem der Bund die Bereitstellung digitaler Bürgerservices auf allen staatlichen Ebenen verbindlich festschreibt, ist eine echte Mammutaufgabe, die Bund, Länder und Kommunen nur gemeinsam stemmen können.

Bis Ende 2022 werden wesentliche durch das OZG und die Umsetzungsplanung definierte Maßnahmen umgesetzt sein. Das Ziel einer bundesweiten Digitalisierung reicht aber weit über 2022 hinaus.

Wie steht es um die OZG-Umsetzung in RLP? Das Land hat ja die Federführung für das Umsetzungsprojekt Wasser und Gewässer übernommen, wie ist hier der Stand der Entwicklung?

Ruhose: Die digitalen Verwaltungsleistungen der Länder im Bereich Umwelt werden federführend in Rheinland-Pfalz gemeinsam mit Schleswig-Holstein entwickelt. Diese Leistungen im Umweltbereich haben eine herausgehobene Stellung für unseren Wirtschaftsstandort.

Bei der Umsetzung legen wir den Schwerpunkt gerade auch auf die Nachnutzbarkeit nach dem "Einer für alle"-Prinzip; daher erfolgt eine Abstimmung mit anderen Bundesländern.

Auf technischer Ebene spezifizieren wir die Zielarchitektur sowie die Entwicklung der noch erforderlichen Bausteine für das Föderale Informationsmanagement (FIM), um einen hohen Grad der bundesweiten Standardisierung im IT-Bereich sicherzustellen. Die Ergebnisse werden den anderen Bundesländern zur Verfügung gestellt. Das ist effizient, kostensparend und insgesamt wirtschaftlich.

Wie planen Sie und die Landesregierung RLP die weitere Umsetzung der OZG und wie wollen Sie die Kommunen in den weiteren Umsetzungsprozess einbinden?

Ruhose: Wir sind uns mit der kommunalen Familie einig, dass wir eine erfolgreiche, ressourcen- und kostenschonende Digitalisierungsstrategie nur gemeinsam umsetzen können. Daher arbeiten Land und Kommunen bei der Umsetzung in Rheinland-Pfalz eng zusammen.

Grundlegende Entscheidungen werden durch einen gemeinsamen OZG-Lenkungskreis staatlich-kommunal getroffen. Die Basis dafür bildet die Ende 2018 mit den kommunalen Spitzenverbänden in Rheinland-Pfalz geschlossene Kooperationsvereinbarung über die Zusammenarbeit von Land und Kommunen im E-Government. Gefördert wird die Zusammenarbeit auch durch eine einheitliche technische Basisinfrastruktur für die Landes- und Kommunalverwaltungen, die wir seitens des Landes den Kommunen zur Nutzung bereitstellen.

In den Koalitionsverträgen von 2016 und 2021 betonen die Koalitionsparteien das Thema Digitalisierung. Hat sich an der Digitalisierungsstrategie für die laufende Legislaturperiode etwas verändert? Welche Lehren hinsichtlich der Digitalisierung der Verwaltung konnten Sie aus der vergangenen Legislaturperiode ziehen?

Ruhose: Wir haben schon in der zurückliegenden Legislaturperiode große Projekte zur Digitalisierung der Verwaltung in Angriff genommen. Eine wichtige Erfahrung ist hierbei sicherlich – und das ist aber eigentlich auch keine neue Erkenntnis –, dass Digitalisierungsvorhaben in erster Linie Veränderungsvorhaben sind.

Eine erfolgreiche Umsetzung wird nur gelingen, wenn wir den Prozess ganzheitlich betrachten und ihn nicht darauf zu reduzieren, technische Werkzeuge einzuführen. Digitalisierungsvorhaben brauchen die Mitwirkung überzeugter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso wie Anpassungen an der Ablauforganisation und in der Regel wirken sie sich auch auf die Aufbauorganisation aus.

Im Koalitionsvertrag von 2016 haben sich SPD, die Grünen und die FDP dazu bekannt die eAkte in den einschlägigen Bereichen der Landesverwaltung bis Ende 2017 einzuführen. In Ihrem neuen Koalitionsvertrag ist die Einführung immer noch ein Ziel der regierenden Parteien. Wie weit sind Sie in der Einführung der eAkte?

Ruhose: Im Koalitionsvertrag 2016 wurde vereinbart, die E-Akte ab dem Jahr 2017 schrittweise für die Landesverwaltung einzuführen und damit auch die Voraussetzungen einer Ausweitung der Telearbeit zu schaffen.

Rheinland-Pfalz hat die Einführung der E-Akte mit der E-Government- und IT-Strategie des Landes Rheinland-Pfalz 2018 konkretisiert und dafür ein zweistufiges Vorgehen vorgesehen. In einem ersten Schritt sollten bis Anfang 2020 die E-Akte in der Staatskanzlei und allen Ministerien eingeführt werden. Dieses Ziel wurde plangemäß umgesetzt.

Nach einem eineinhalb-jährigen sukzessiven Rollout arbeiten seit Anfang 2020 alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatskanzlei und der Ministerien flächendeckend mit der E-Akte. In einem zweiten Schritt wird, ebenfalls der E-Government- und IT-Strategie entsprechend, die E-Akte in ca. 200 Behörden der weiteren unmittelbaren Landesverwaltung eingeführt. Der Rollout hat hier begonnen, das Projekt befindet sich im Plan und sieht die Einführung der E-Akte bis Ende des Jahres 2025 vor. Ende des Jahres 2025 sollen dann ca. 24.000 Mitarbeitende der unmittelbaren Landesverwaltung mit der E-Akte arbeiten.

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Ein weiterer Schwerpunkt der Koalitionsverträge war der Breitbandausbau. Eben diesen lobte der Koalitionsvertrag von 2016 als „Voraussetzung für moderne Dienstleistungen und vernetzte Produktion“. Im 6. Statusbericht des Netzbündnisses heißt es, dass Ende 2019 erst 43 % der Haushalte in RLP über gigabitfähiges Internet verfügten. Ende 2020 wurde der Ausbau bei 54% angegeben. Wie erklären Sie sich diesen – gemessen an der Bedeutsamkeit, den die Koalitionsverträge dem Breitbandausbau zumessen – doch eher schleppend verlaufenden Ausbau?

Ruhose: Zunächst einmal, ja, es gibt noch Luft nach oben. Aber wir können in Rheinland-Pfalz auf tragfähige organisatorische Strukturen zurückgreifen, um den Ausbau der digitalen Infrastruktur weiter voranzutreiben.

Ich bin zuversichtlich, dass wir auf unserem Weg zu flächendeckenden Gigabitnetzen im Land im Dialog mit den ausbauenden Unternehmen und in bewährter Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen zügig vorankommen.

Mit dem Start der „Graue-Flecken“-Förderung kommen auch Gebiete in die Förderung, die zwar eine solide Grundversorgung haben, aber mit Blick auf die Anforderungen der Gigabit-Gesellschaft Ausbaupotenzial haben.

Überall dort, wo bisher zwar ein Breitbandanschluss verfügbar ist, aber mit weniger als 100 Mbit/s bei weitem noch nicht gigabitfähig, wird in Zukunft ein geförderter Ausbau möglich sein.

Als Land tragen wir unseren Teil dazu bei und unterstützen die Telekommunikationsunternehmen im Land, die einen wirklich guten und engagierten Ausbau leisten.

Wichtig ist, dass wir in kontinuierlichem Austausch bleiben mit der Branche und deren Verbänden stehen sowie mit den kommunalen Spitzen und den Kammern, sei es im Runden Tisch Breitband oder im Netzbündnis für Rheinland-Pfalz.

Welche konkreten Maßnahmen müssten jetzt umgesetzt werden?

Ruhose: Wir haben in Deutschland insgesamt Nachholbedarf. Der Bund hat in den vergangenen Jahrzehnten immer neue Ziele verkündet, aber erst ab 2015 wirkliche Bundesmittel bereitgestellt, die von den Ländern verstärkt wurden.

Nun geht es darum, dass die neue Bundesregierung schnell eine Förderkontinuität gewährleistet und gemeinsam mit den Ländern offen darüber spricht, an welchen Stellschrauben noch gedreht werden kann, um die Verfahren schneller und effektiver zu gestalten.

Wir brauchen einen offenen Dialog aller Beteiligten; auch seitens der Telekommunikationsunternehmen bedarf es verlässlicher Ausbauprognosen und Zusagen – so wie es in Rheinland-Pfalz bereits gute Praxis ist.

Schließlich müssen wir Verfahren im Zuge der Umsetzung des OZG digitalisieren und beschleunigen. Gemeinsam mit Hessen hat Rheinland-Pfalz hier bereits einen wichtigen Schritt getan, indem das Antragsverfahren für die Leitungsverlegung und -umlegung digital abgebildet wurde und in erste Kommunen bereits im Einsatz ist. Viele Bundesländer haben verständlicheerweise ihr Interesse zur Nachnutzung bereits angemeldet.

Herr Ruhose, das Projekt OZG geht in etwas mehr als einem Jahr zu Ende. Klar ist schon jetzt, dass es danach irgendwie weitergehen muss. Welche Aktivitäten planen Sie in Rheinland-Pfalz selbst und was wünschen Sie sich von der künftigen Bundesregierung in Sachen (Verwaltungs-)Digitalisierung?

Ruhose: Digitalisierung hat kein Enddatum. Deswegen haben wir die Weiterentwicklung des OZG öffentlich angemahnt.

Im Dialog zwischen einer neuen Bundesregierung, Ländern und Kommunen müssen wir den gesamten Prozess der Verwaltungsdigitalisierung mit neuem Leben erfüllen. Dabei müssen wir Prioritäten hinsichtlich der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz setzen: Was für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen besonders wichtig ist, sollte zuerst digitalisiert werden. Die Menschen erwarten zu Recht einen unkomplizierten Zugang zu Leistungen des Staates, der nicht an Öffnungszeiten gebunden ist.

Es gilt, auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen zu einer realistischen Planung, Steuerung und Finanzierung des weiteren OZG- Prozesses zu kommen. In der Sitzung des IT-Planungsrats Ende Oktober wurde ein Positionspapier der CIOs beschlossen, welches als Grundlage für die weiteren Diskussionen für die Neuausrichtung des OZG dienen kann. Wir müssen endlich zu einer dauerhaften Sicherung der Finanzierung von Digitalisierung kommen.

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