Anreize für Arztpraxen gefordert Bundesweite Vernetzung der Gesundheitsämter nötig

Susanne Ehneß

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Elektronische Patientenakte, elektronisches Rezept, Videosprechstunde, digitaler Impfnachweis – die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist in Fahrt gekommen, getrieben auch von der Corona-Krise. Die Gesundheitsämter hinken aufgrund des föderalen Prinzips hinterher.

„Das Interesse an einem digitalen Impfausweis ist riesig“, resümiert Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder
„Das Interesse an einem digitalen Impfausweis ist riesig“, resümiert Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder
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Die aktuellen Ergebnisse einer Bitkom-Umfrage zum Thema eHealth stimmen zunächst optimistisch. Das Interesse an digitalen Gesundheitsanwendungen ist groß, wenngleich es manchmal am Angebot hapert.

eRezept und ePA: Nachfrage größer als Angebot

Ab Januar 2022 ist es Pflicht, seit 1. Juli wird es in ausgewählten Pilotprojekten getestet: das elektronische Rezept (eRezept). 59 Prozent der Befragten wollen das neue, digitale Rezept künftig nutzen, also den entsprechenden QR-Code in der Apotheke einlösen. Aber: Die Hälfte derer, die das eRezept nutzen wollen, erhoffen sich davon außerdem eine automatische Erkennung von Wechselwirkungen (51 Prozent), 44 Prozent wollen damit Zettelwirtschaft vermeiden, und 30 Prozent setzen auf digitale Medikationspläne. Ein Viertel möchte sich automatisch an die Medikamenten-Einnahme erinnern lassen. All diese Funktionen, die über die reine eRezept-Einlösung hinausgehen, deckt die derzeit von der gematik angebotene App (App Store, Google Play) jedoch nicht ab. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder fordert daher die Öffnung der gematik-App für Drittanbieter.

Bei der elektronischen Patientenakte (ePA) sieht es ähnlich aus. 66 Prozent der Befragten möchten sie nutzen, doch aktuell verwenden sie nur 0,2 Prozent tatsächlich. „Das Interesse der Bevölkerung ist da“, betont Rohleder. Die ePA sei „das Kernstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens“, daher sollten die Ärzte jetzt aktiv auf ihre Vorteile hinweisen. Aber auch die Mediziner selbst müssen sich der ePA öffnen. „Neben der technischen Ausstattung braucht es dafür ein digitales Mindset: Offenheit gegenüber der Digitalisierung und die Bereitschaft, die neuen technischen Möglichkeiten aktiv zu nutzen“, betont Rohleder. Seit 1. Juli 2021 sind alle Ärzte verpflichtet, sich an die ePA anzubinden.

Um eRezept und ePA voranzutreiben, bringt der Bitkom Anreize für Arztpraxen ins Spiel. „Noch immer setzen viele Ärzte etwa beim Versenden von Arztbriefen auf das Fax, was weniger sicher ist und einen immensen Verwaltungsaufwand bedeutet“, moniert Rohleder.

Impfnachweis beliebt

Beim digitalen Impfnachweis sieht es anders aus. „Das Interesse an einem digitalen Impfausweis ist riesig“, sagt Rohleder. Und hier ist das Angebot via Corona-Warn- oder CovPass-App vorhanden. 42 Prozent der Befragten, die ein Smartphone besitzen, haben den Impfnachweis bereits gespeichert, weitere 41 Prozent wollen sich den Nachweis künftig besorgen – 26 Prozent „in jedem Fall“ und 15 Prozent „wahrscheinlich“. Lediglich 12 Prozent geben an, kein Interesse am digitalen Impfnachweis zu haben, obwohl sie ein Smartphone haben.

„Mit der Einführung des digitalen Impfnachweises rechtzeitig vor den Sommerferien hat die Bundesregierung doch noch einen digitalen Sprint hingelegt“, lobt Rohleder. Er sei „ein Paradebeispiel dafür, wie digitale Tools die Menschen in der Pandemie ganz praktisch unterstützen können.“ Auch nach der Herkunft des Impfnachweises in Form eines QR-Codes hat der Bitkom gefragt. Die meisten Nutzer haben ihn in der Apotheke ausstellen lassen (31 Prozent), 26 Prozent im Impfzentrum und rund ein Fünftel (22 Prozent) in der Arztpraxis. Einige bekamen ihn per Brief (8 Prozent) oder per eMail (6 Prozent).

Videosprechstunde: Luft nach oben

Die Möglichkeiten der Videosprechstunde wurden durch die Corona-Krise erheblich befeuert. Vor allem die 50- bis 64-Jährigen haben diese Art der Sprechstunde für sich entdeckt: Mehr als ein Fünftel aus dieser Gruppe (22 Prozent) hat schon einmal einen digitalen Arztbesuch absolviert. 18 Prozent sind es bei den 16- bis 29-Jährigen und 15 Prozent bei den 30- bis 49-Jährigen.

Ärzte konnten die telemedizinische Behandlung abrechnen, allerdings dürfen Videosprechstunden künftig maximal 30 Prozent der gesamten Sprechstunden umfassen. Darüber hinaus werden Ärzte nicht bezahlt. Rohleder hat dafür kein Verständnis: „Diese Deckelung passt nicht in eine Zeit, in der sich Menschen durch Kontaktbeschränkungen vor Ansteckungen schützen müssen und die medizinische Infrastruktur in ländlichen Regionen immer schwächer wird. Nötig ist eine vollumfassende Gleichstellung von Videosprechstunden mit dem Arztbesuch vor Ort, wie dies zum Beispiel in Frankreich bereits der Fall ist.“

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Gesundheitsämter auf vierte Welle nicht vorbereitet

Kritisch sieht Rohleder, dass SORMAS noch immer nicht bei allen Gesundheitsämtern ausgerollt ist. Die Software soll die Ämter bei der Identifizierung und Überwachung von Kontaktpersonen unterstützen. „Zwar ist zuletzt Schwung in die Sache gekommen, allerdings bahnen sich angesichts einer vierten Infektionswelle erneut die bekannten Probleme an“, so Rohleder. „So ist der Datenaustausch der Gesundheitsämter auch im zweiten Jahr der Pandemie noch immer nicht gesichert.“

Daher fordert Rohleder im Namen des Bitkom eine bessere Kommunikation zwischen den Gesundheitsämtern sowie mehr Standardisierung: „Wir brauchen eine bundesweite einheitliche Vernetzung zur Kontaktnachverfolgung, damit die Gesundheitsämter auf ein globales Phänomen wie die Corona-Pandemie schnell reagieren können.“ Und: „Wir benötigen außerdem ein zentrales digitales Impfregister, in dem Patientendaten pseudonymisiert hinterlegt sind. Föderale Regelungen zur Datenverarbeitung und unterschiedliche Standards in den einzelnen Bundesländern verlangsamen den gesamten Prozess“, so Rohleder weiter.

Die Verantwortung für die Ausstattung der Gesundheitsämer obliegt den Ländern, aber die Bundesregierung unterstützt finanziell. „Im Rahmen des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), der die verbesserte Resilienz des ÖGD anstrebt, werden vom Bund insgesamt 800 Millionen Euro für Digitalisierungsmaßnahmen in Gesundheitsämtern bis zum Jahr 2026 zur Verfügung gestellt, sodass die Weiterentwicklung und Instandhaltung grundsätzlich abgesichert ist“, hieß es kürzlich in einer Stellungnahme.

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