Elektromobilität 60 Prozent aller Gemeinden in Deutschland haben keine öffentliche Ladesäule

Öffentliche Ladeinfrastruktur ist in Deutschland sehr ungleich verteilt. Das ergab die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage von Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Teilweise sind die Unterschiede zwischen, aber auch innerhalb der Bundesländer gravierend.

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Öffentliche Ladeinfrastruktur ist in Deutschland ungleich verteilt.
Öffentliche Ladeinfrastruktur ist in Deutschland ungleich verteilt.
(© Seyerlein/VCG)

15 Millionen Elektroautos, eine Million Ladesäulen, beides bis 2030. Jene Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP dürften zu den häufiger diskutierten des gesamten Papiers zählen. Schließlich haben sich die Diskussionen um Stolpersteine für die Elektromobilität hierzulande inzwischen mehr und mehr vom zu geringen Fahrzeugangebot und zu hohen Preis hin zur öffentlichen Ladeinfrastruktur verlagert.

Aktuelle Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums könnten dem Diskurs nun weiteren Stoff liefern. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hatte eine parlamentarische Anfrage zum Ladesäulenausbau gestellt. Über die Antworten darauf berichteten zuerst Zeitungen der „Funke Mediengruppe“. Eine Erkenntnis: Die derzeit vorhandenen 25.376 öffentlich zugänglichen Säulen mit 49.207 Ladepunkten hierzulande sind ziemlich ungleich verteilt.

Rheinland-Pfalz: 85 Prozent der Kommunen ohne Ladesäule

Dem Wirtschaftsministerium zufolge haben beispielsweise 6.516 der 10.796 Gemeinden in Deutschland überhaupt keine öffentliche Lademöglichkeit für Elektroautos. Das sind mehr als 60 Prozent. Dabei sticht die Situation in Rheinland-Pfalz noch einmal heraus: Hier haben demzufolge 1.962 von 2.302 Gemeinden keine Ladesäule. Allerdings hat das vergleichsweise kleine Bundesland auch so viele rechtlich eigenständige Kommunen wie kein anderes hierzulande.

Völlig anders sieht es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen aus. Dort gibt es lediglich in acht von 396 Gemeinden keinen allgemein zugänglichen Ladepunkt. Dass es auch in einzelnen Bundesländern teils gravierende Unterschiede bei der Infrastruktur gibt, zeigt das Beispiel Bayern: Dort sind mit 10.147 öffentlichen Ladepunkten zwar bundesweit die meisten registriert. Von den 2.056 Gemeinden im Freistaat verteilen sich diese aber nur auf 1.062. Heißt: 994 Kommunen (gut 48 %) in Bayern sind trotz der hohen Gesamtzahl nicht mit Ladesäulen ausgestattet.

Bartsch sprach gegenüber den Funke-Medien angesichts der Zahlen von einem „großen Ladesäulenversagen“. Öffentlich zugängliche Möglichkeiten seien die Voraussetzungen für einen Umstieg, gerade im ländlichen Raum. Der Linken-Politiker verteilte aufgrund der Situation in Rheinland-Pfalz auch einen Seitenhieb an den neuen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Dieser war zwischen Mai 2016 und Mai 2021 als Minister für die Verkehrspolitik in dem Bundesland zuständig. Seine Bilanz in Sachen Ladeinfrastruktur bezeichnete Bartsch nun als „desaströs“. Von der Bundesregierung fordert er, statt den Kauf von Elektroautos mit Milliarden zu subventionieren, in ein bundesweites Ladesystem zu investieren.

Wie wichtig ist öffentliche Ladeinfrastruktur wirklich?

Ähnlich hatten sich zuletzt auch andere Interessensvertreter geäußert. Der Verband der Automobilindustrie beispielsweise. Dieser hatte kürzlich angemerkt, dass es statt der gut 200 öffentlichen Ladepunkte, die aktuell in Deutschland pro Woche entstünden, 2.000 sein müssten. Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann warnte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Es gibt einen Crash, wenn wir da nicht nacharbeiten.“

Doch es gibt auch Widerspruch zu dieser Ansicht. Beispielsweise hatte der Bundesverband für Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) zuletzt erklärt, das bereits bestehende Ladenetz sei noch gar nicht ausgelastet. Geschäftsführerin Kerstin Andreae sagte: „Wie viele öffentliche Ladepunkte wir im Jahr 2030 tatsächlich brauchen, kann heute kaum verlässlich beziffert werden.“

Ihre Forderung: Der Markt soll den Ausbau regeln. „Es bringt schließlich nichts, Deutschland mit einer Million öffentlicher Ladepunkte zuzupflastern, wenn die Menschen ohnehin meist in der eigenen Garage oder am Arbeitsplatz laden möchten. Und genau dieser Trend ist absehbar“, so Andreae.

Ähnlich hatte sich zuletzt Annette Klett-Steinbauer von der Beratung Thaltegos im Interview mit „Next Mobility“ geäußert. Ihrer Meinung nach sind die Diskussionen um öffentliche Ladesäulen „etwas zu sehr aufgebauscht“, auch wenn es richtig sei den Druck hochzuhalten. Laut der Expertin finden 85 Prozent aller Ladevorgänge am Firmenstandort oder privat statt.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei unserem Schwesterportal Next Mobility.

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