Elektronische Akte SharePoint vs. DMS

Von Marc-Björn Seidel*

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Die Verwaltung von elektronischen Akten und Papier-Dokumenten stellt öffentliche Verwaltungen vor Herausforderungen – welche Tools können diese am besten bewältigen?

SharePoint oder lieber klassisches Dokumenten-Management-System?
SharePoint oder lieber klassisches Dokumenten-Management-System?
(© thodonal - stock.adobe.com)

Nicht erst, seitdem das Schlagwort „Digitalisierung“ die Tagesnachrichten erreicht hat, nimmt die Bedeutung einer strukturierten und revisionssicheren Verwaltung und Aufbewahrung von elektronischen Akten und Dokumenten stetig zu. Neben einer Vielzahl an gesetzlichen Vorgaben, z. B. die eGovernment-Gesetze von Bund und Ländern oder das Onlinezugangsgesetz, aus denen sich im Kontext der Digitalisierung konkrete Anforderungen an die Verwaltung elektronischer Akten und Dokumente ergeben, entstehen im Verwaltungsalltag Herausforderungen auch da, wo die „führende“ und vollständige Akte nicht mehr ausschließlich in Papierform vorliegt.

Viele Dokumente werden elektronisch „geboren“ oder gelangen in dieser Form zur Verwaltung. Dies verändert die Probleme und Herausforderungen, die bei der Sachbearbeitung entstehen, zum Beispiel:

  • Es ist aufwändig, die führende „Papier“-Akte vollständig zu halten: Relevante Informationen entstehen zum Teil elektronisch oder kommen per eMail an und müssen ggf. ausgedruckt werden, falls die führende Akte eine Papierakte ist.
  • Es gibt nicht nur ein Ablagesystem: Neben der Papierakte ist eine Vielfalt an weiteren Ablagesystemen entstanden: Netzlaufwerke, eMail-Postfächer mit persönlichen Ablagestrukturen, elektronische Dokumente in verschiedenen Fachsystemen, Portalen, Wikis usw. Um zu einem Sachverhalt vollumfänglich Auskunft geben zu können, ist oft die Recherche in mehreren, verschiedenen (Ablage-)Systemen notwendig.
  • Fehlen einheitlicher Ablagestrukturen: Gerade bei den dateisystembasierten Netzlaufwerken, aber auch in moderneren Cloud-Tools wie z. B. DropBox oder OneDrive, fehlen oft einheitliche oder beherrschbare Ablagestrukturen. Dies führt zu Wildwuchs, ungewollten Doppelablagen in unterschiedlichen Verzeichnissen und längerem Zeitaufwand bei der gezielten Suche nach Informationen.
  • Keine ausreichenden Schutzmechanismen: Sowohl aus regulatorischer Sicht als auch im Kontext der Zusammenarbeit an Dokumenten fehlen in vielen Ablagesystemen (z. B. den Netzlaufwerken) Schutz- und Protokollfunktionen, um ungewollte Manipulationen zu verhindern bzw. diese mindestens nachvollziehbar zu machen. Die Verwaltung von Aufbewahrungsfristen, Versionen oder der Freigabehistorie muss manuell erfolgen.

Hinzu kommen oft noch die Probleme, die sich durch das Medium Papier (und dessen Aufbewahrung in Papierarchiven) ergeben, z. B.:

  • Es ist kein gleichzeitiger Zugriff auf eine Akte möglich.
  • Arbeit aus dem Homeoffice („Telearbeit“), die gerade, bedingt durch das Corona-Virus, aktuell und vielleicht auch dauerhaft einen hohen Stellenwert hat, ist nicht einfach möglich, weil Akten von dort aus nicht vollständig und ad hoc zugreifbar sind.
  • Es existiert kein ausreichender Schutz vor Veränderung oder Verlust.
  • Der Zugriff auf Akten in Archiven erfordert wiederkehrend hohe Aufwände. Gleiches gilt auch für die Bereinigung von Archiven und den Aussonderungsprozess.
  • Der physische Transport und die Verteilung von Papier – zum Teil zwischen unterschiedlichen Standorten – bedingt neben Zeit auch Transport- und/oder Versandkosten.
  • Sowohl in den Büroräumen als auch in den Archiven müssen relevante Flächen für Aktenschränke und (de-)zentrale Archive vorgehalten werden.

Branchenspezifische Unterschiede

Die Nachfrage für Archiv- und DMS-Projekte ist u. a. aus den zuvor genannten Gründen derzeit in nahezu allen Branchen nach wie vor (sehr) hoch. Es gibt jedoch branchenspezifische Unterschiede in den Projekten, die auch im Vergleich zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor deutlich werden und sich z. B. in besonderen Anforderungen und Rahmenbedingungen im öffentlichen Bereich zeigen.

Ein signifikanter Unterschied ist das Erfordernis, die Auswahl gemäß den gültigen Vorschriften des Vergaberechts durchzuführen. Um eine passende Lösung auswählen zu können, müssen die funktionalen Anforderungen besonders ausführlich beschrieben und in der Bewertung gewichtet werden, damit die Lösung später tatsächlich auch die spezifischen Anforderungen erfüllt. Diese können von Projekt zu Projekt – auch innerhalb des gleichen Einsatzfeldes – sehr unterschiedlich sein. Ein „Nachjustieren“ der Bewertungskriterien (im Sinne eines Dazulernens im Laufe des Projekts) ist in Vergabeprojekten nur sehr begrenzt und in geringem Umfang möglich.

Gleichzeitig unterscheiden sich aber die DMS-Lösungen am Markt: Signifikante Unterschiede gibt es dabei nicht nur – wie oft von potentiellen DMS-Kunden vermutet – in den tieferen Funktionsausprägungen, sondern bereits bei Basisfunktionen (z. B. Versionierung, Dokumentenvorschau, Suchfunktionen, Akten-Funktionen, Office-Integration u.v.m.), die von Kunden manchmal als „Standard“ erwartet werden. Ein solcher DMS-Standard, der einen Standardfunktionsumfang definieren würde, existiert jedoch nicht.

Neben typischen und branchenübergreifenden DMS-Funktionsanforderungen kommen im öffentlichen Bereich regelmäßig besondere Anforderungen vor, z. B.

  • eAkten: In diesem Bereich weisen die am Markt verfügbaren DMS-Lösungen ohnehin sehr große Unterschiede auf. Im öffentlichen Bereich gibt es jedoch Besonderheiten, die in den anderen Branchen nur sehr selten gefordert werden: Akten müssen sich mindestens teilweise in vordefinierbaren Aktenplänen organisieren lassen, ein Export von vollständigen Akten muss für Gerichtsverfahren oder über definierte Schnittstellen an Archive möglich sein. Neben Sachakten existieren i. d. R. immer auch Fallakten, die häufig durch führende Fachanwendungen erzeugt werden.
  • Fachverfahren: Häufig existiert eine Vielzahl an Fachanwendungen pro Verwaltung, von denen mehrere mit dem DMS integriert werden sollen. Die Mehrzahl der Fachverfahren unterstützt noch keine Standardschnittstellen (z. B. auf Basis von Web-Services). Nur verhältnismäßig wenige DMS-Anbieter aus der DACH-Region verfügen über einige, bereits realisierte Schnittstellen zu manchen Fachverfahren.
  • Workflows: Neben Freigabe- oder Rechnungsprüfungsworkflows, die auch in anderen Branchen vorkommen, gibt es im öffentlichen Bereich besondere Workflow-Ausprägungen, z. B. bei der Mitzeichnung oder im Rahmen der Postverteilung.
  • Regulatorische Vorgaben: Diverse Gesetze und regulatorische Rahmenbedingungen sind besonders im öffentlichen Umfeld relevant: E-Government-Gesetze von Bund und Ländern, TR ESOR (Signaturen, Nachsignatur), TR RESISCAN (Ersetzendes Scannen), Archivgesetz oder EIDAS-Verordnung sind nur Beispiele für Vorgaben, die auch auf DMS-Projekte Auswirkungen haben.

SharePoint vs. DMS

Immer wieder kommt in Vergabeprojekten die Frage auf, ob nicht SharePoint als DMS zum Einsatz kommen kann, z. B. weil SharePoint (u. a. im Rahmen von Office 365) bereits vorhanden ist. Auch andere Apps, wie Teams oder OneDrive Business, die SharePoint verwenden, kommen immer häufiger zum Einsatz und erfahren spätestens seit der Corona-Krise einen Boom. Im kommunalen Umfeld taucht die Frage, ob SharePoint ein geeignetes DMS sein könnte, überwiegend in den größeren Verwaltungen auf. Dabei ist es sinnvoll, wie auch bei jeder anderen Lösung, einen genauen Blick auf den Standard-Funktionsumfang von SharePoint zu werfen, immer vor dem Hintergrund der eigenen, relevanten DMS-Anforderungen.

Im Gegensatz zu vielen DMS-Anbietern, die ihre Lösung als Komplettpaket aus einer Hand anbieten, stellt Microsoft mit SharePoint eher einen „Werkzeugkasten“ bereit: Mit diesem kann man zwar durchaus eine DMS-Lösung bauen, muss dafür jedoch regelmäßig entweder eigene Erweiterungen programmieren oder auf fertige Add-ons oder Apps von Drittherstellern zurückgreifen. Zwar ist auch bei klassischen DMS-Anbietern nicht jede Komponente (z. B. Suchmaschine oder OCR-Texterkennung) selbst entwickelt, jedoch sind diese häufig so tief integriert, dass zum einen keine separate Installation erforderlich ist und zum anderen Support, Wartung und Softwarepflege aus einer Hand geliefert werden.

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