IT-Lösungen im Gesundheitswesen müssen fristgerecht umgesetzt werden Operation am offenen Herzen

Autor / Redakteur: Carsten Kramschneider* / Regina Willmeroth

Die Digitalisierung der Medizin nimmt mit dem eHealth-Gesetz Fahrt auf. Nun müssen die richtigen Weichen gestellt werden, damit Deutschland in Sachen Innovation im Gesundheitswesen wieder vorne mit dabei ist.

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Mobile Geräte und Anwendungen machen auch vor dem Gesundheitswesen nicht Halt – und sind gerade für Ärzte und Pflegepersonal von großem Nutzen
Mobile Geräte und Anwendungen machen auch vor dem Gesundheitswesen nicht Halt – und sind gerade für Ärzte und Pflegepersonal von großem Nutzen
(Bild: © contrastwerkstatt/ Fotolia.com)

„Mehr Tempo bei der Digitalisierung!“ – das forderte Bundesgesundheitsminister Gröhe vor rund zwei Jahren in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in dem er für das neue eHealth-Gesetz warb. Mit dem Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (eHealth) verfolgt die Bundesregierung einen Fahrplan zur Einführung einer digitalen Infrastruktur und für moderne Anwendungen im Sinne der besseren Gesundheitsversorgung und Selbstbestimmung der Patienten.

Diesen Fahrplan versucht sie nun mit Hochdruck in die Realität umzusetzen. Nun gilt es, den umfangreichen Maßnahmen­katalog des am 29. Dezember 2015 in Kraft getretenen eHealth-Gesetzes im geplanten Zeitraum bis 2019 auszuführen. Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken stehen jetzt gleichermaßen in der Pflicht, den gesetzlichen Vorgaben zu folgen. „Wer mitmacht, wird belohnt. Wer sich dem Fortschritt verweigert, muss mit Sanktionen rechnen“, hieß es unmissverständlich von Stefan Bales, Referatsleiter beim Bundesgesundheitsministerium auf dem conhIT Kongress 2016.

Toxische Kombination an Herausforderungen

Dabei war eine Vision für ein digitales Gesundheitssystem in Deutschland längst überfällig. Während wir uns hierzulande das viertteuerste Gesundheitswesen der Welt leisten – hinter den USA, der Schweiz und Frankreich –, warnen Experten vor einer „toxischen Kombination“ an Herausforderungen. Diese reichen von steigenden Kosten und ungesicherter Finanzierung über eine schwankende Versorgungsqualität und fehlendes Fachpersonal hin zu Ineffizienz und unnötiger Bürokratie. Und während sich andere Länder und Branchen den Mehrwert von modernen Technologien bereits seit vielen Jahren zu Eigen machen, hinkt das deutsche Gesundheitssystem in Sachen Digitalisierung etwa den USA, den Niederlanden oder Österreich hinterher.

Dies ist das nüchterne Ergebnis ­einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Das volle eHealth-Potenzial und das enorme Wachstumspotenzial des digitalen Gesundheitsmarktes würden hierzulande nicht ausgeschöpft. Damit drängt sich die Frage auf: „Kann hier noch aufgeholt werden?“ Die zeitlichen Vorgaben für die Realisierung des Maßnahmenkatalogs sind mit nur drei Jahren durchaus ambitioniert.

So ist auf Basis der Zeitpläne der Gematik und der Industrie ein flächendeckender Roll-out der Telematik-Infrastruktur geplant, an die bis Mitte 2018 Arztpraxen und Krankenhäuser angeschlossen sein sollen. Erste Hürden mussten hierbei bereits überwunden werden, da die notwendige Technik nicht von heute auf morgen bereitgestellt werden konnte.

Der Rollout könnte im Frühjahr oder Sommer 2017 mit einem Jahr Verzögerung abgeschlossen werden. Neben dem Großprojekt Telematik-Infrastruktur müssen zugleich weitere Schwerpunkte des Gesetzes innerhalb kurzer Fristen in die Praxis umgesetzt werden: Modernes Stammdaten-Management mit einer Online-Prüfung und Aktualisierung von Versichertenstammdaten – das Fristdatum hier ist der 1. Juli 2018. Medizinische Notfalldaten sollen auf Wunsch der Versicherten ab 2018 auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeichert werden. Zudem soll ab 2019 ein ­eMedikationsplan über die eGK abrufbar sein.

Geplant ist auch die Einführung von eArztbriefen, mit denen Ärzte auf sensible Daten der Gesundheitskarte zugreifen können. Der eArztbrief befindet sich gerade in der Anschubfinanzierung und soll Ärzten den Workflow gegenüber der Brief-Variante erleichtern. Fraglich ist bislang, wie viele Ärzte über einen eArztbrief mit digitaler Signatur verfügen. Richtig knapp wird es mit den Fristen für Frühjahr und Sommer 2017 – etwa bei der Einführung der EBM-Ziffern für telemedizinische Leistungen oder dem Interoperabilitätsverzeichnis.

Letztlich soll das Gesetz auch den Einstieg in elektronische Patienten­akten fördern, auf denen wichtige Informationen wie Arztbriefe, Daten über die Medikation und ähnliches Patienten bereitgestellt werden sollen. All das sind gute und notwendige Maßnahmen für die Modernisierung des deutschen Gesundheitssystems. Gleichzeitig wird die Gematik dazu gedrängt und hat alle Hände voll zu tun, die entsprechenden technologischen Voraussetzungen zu schaffen – und die gesetzlich vorgeschriebenen Fristen einzuhalten.

Keine Innovation ohne ­Investition

Genau das ist eine alles andere als triviale Aufgabe, denn bis jetzt gibt es keine bundeseinheitlichen Standards, die den Datenaustausch zwischen verschiedenen Systemen ermöglichen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Kliniken und Praxen gezwungen sind, deutlich mehr in IT zu investieren. Das IT-Budget in hiesigen Kliniken beträgt dieses Jahr rund 1,5 Prozent des Gesamtbudgets. Inbegriffen sind hier auch die sogenannten Maintenance-Kosten. Mitunter ist es ­also möglich, dass 80 Prozent der IT-Ausgaben in die Wartung und Instandhaltung bereits vorhandener Systeme fließen. Investitionen in moderne Technologie-Lösungen im Rahmen des eHealth-Gesetzes sind vor diesem Hintergrund nur schwer möglich.

Im Gegensatz zu Deutschland ist denjenigen Ländern, die man pauschal als „Digital Nations“ bezeichnen könnte, der technologische Fortschritt einiges mehr wert. In den Niederlanden etwa beträgt das IT-Budget von Kliniken im Durchschnitt 5 Prozent des Gesamtbudgets. Ähnliche Zahlen lassen sich auch in den USA verzeichnen. Da mag es wenig verwunderlich sein, dass dort Kliniken nahezu vollständig digitalisiert sind und papierlos funktionieren.

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