Digitalisierung der Verwaltung IT-Strategie statt Aktionismus

Von Susanne Ehneß

Andreas Köninger, Vorstand der SinkaCom AG, beschreibt im Interview, wie die Digitalisierung im Behördenalltag gelingen kann und fordert mehr Unterstützung auf kommunaler Ebene.

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OZG-Aktionismus führt eher zu Mehrfacharbeit im operativen Betrieb
OZG-Aktionismus führt eher zu Mehrfacharbeit im operativen Betrieb
(© Sergey Nivens - stock.adobe.com)

Herr Köninger, Sie betreuen digitale Projekte für die Öffentliche Hand. Welche Projekte werden derzeit am häufigsten bei Ihnen nachgefragt?

Köninger: Die SinkaCom AG betreut im Wesentlichen Themen rund um das Onlinezugangsgesetz (OZG) sowie die sinnvolle Umsetzung der Richtlinien. Da auf diesem Gebiet eine Vielzahl verschiedener Anbieter mitspielt, gestaltet sich die Wahl des richtigen Ansprechpartners als komplexes Unterfangen. Speziell Städte und Gemeinden ohne interne IT-Kapazitäten benötigen Beistand. Wir unterstützen hierbei die Konzeption, den Aufbau und die Umsetzung verschiedener digitaler Lösungen. Die Integration von beispielsweise Websites, Formularen und Zahlungswegen in interne Prozesse und Strukturen – unter Berücksichtigung der IT-Security – gehört zu unseren Themenfeldern. Außerdem kümmern wir uns um die Eingliederung des notwendigen Datenschutzes sowie den technischen Betrieb.

Aktuell am häufigsten werden bei uns virtuelle Marktplätze, Stadtwebsites und -apps nachgefragt, die als Grundlage der zukünftigen Kommunikationsstrukturen dienen. In den Städten Bruchköbel und Gransee wurden zuletzt ebenjene Systeme eingeführt.

Welche konkrete Unterstützung brauchen deutsche Behörden bei solchen Digitalisierungsprojekten?

Köninger: Um es kurz zu machen: Geld beziehungsweise Budget. Da in der Verwaltung die IT-Kapazitäten sowie die erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen nicht ausreichend vorhanden sind, müssen diese extern eingekauft werden. Dazu gilt es sogenannte Blaupausen zu schaffen, die es ermöglichen, vorhandene Systeme universell einzusetzen. Schließlich muss nicht jede Stadt und Gemeinde das Rad neu erfinden.

Darüber hinaus fehlt es vonseiten des Gesetzgebers an klaren rechtlichen Strukturen, die den Einkaufsprozess verkürzen. Kleine technische Änderungen benötigen keine öffentlichen Ausschreibungen, die zeit- und ressourcenintensiv sind. Konkrete Vorgaben und Umsetzungsstandards bezüglich der Digitalisierungsergebnisse würden die Arbeit ebenso deutlich erleichtern. Weniger Leitplanken und Regelwerke, dafür viel klarere Anforderungen, wie es hinterher funktionieren und aussehen muss, lautet die Devise.

Worauf ist hinsichtlich des Datenschutzes zu achten?

Köninger: Datenschutz galt zwischenzeitlich als beliebteste Ausrede, um Digitalisierung zu verhindern. Das ist in meinen Augen jedoch einfach nur vorgeschoben. Es muss das erforderliche Wissen vermittelt werden, das mit festen Umsetzungsstandards zu erreichen ist. Nichtsdestotrotz stellt Datenschutz einen essenziellen Faktor dar, speziell im Bereich der Bürger-Identitäten. Ebenjene stellen die Städte und Gemeinden vor mächtige Probleme, da die vorhandenen Systeme für die neuen Technologien und Anforderungen niemals gedacht und gemacht waren. Ein Reisepass-Antrag stellt ganz andere Anforderungen an den Umgang mit persönlichen Daten als die Abwicklung einer Sonderleerung von Mülltonnen. Sobald diesem Gebiet Rechnung getragen wird, ist vieles innerhalb der DSGVO-Thematik automatisch erledigt.

Welche Themen sollten deutsche Verwaltungen zügig angehen?

Köninger: Aktuell sehe ich viel Flickwerk. Vielerorts wird bedingungslos, unter allen Umständen digitalisiert und alles getan, um OZG-Lösungen zu bekommen. Dazu kauft die Öffentliche Hand unterschiedlichste technische Services ein, häufig jedoch ohne vor der Anschaffung Faktoren wie etwa Interoperabilität zu klären. Entsprechend führt ein solcher Aktionismus aktuell eher zu Mehrfacharbeit im operativen Betrieb, wodurch sich extern und intern Frust ansammelt, der Chancen und Potenziale überlagert und so eine erfolgreiche Digitalisierung verhindert. Hier empfiehlt es sich, pragmatisch vorzugehen und zunächst die Entwicklung eines genauen Zielbildes in den Vordergrund zu stellen.

Anstatt sich dabei an speziellen Verwaltungsakten oder an eins zu eins benannten Services zu orientieren, sollte sich alles um konkrete Leitplanken und Leistungs­ideen drehen. Daraus lässt sich im Anschluss passgenau eine entsprechende IT-Strategie ableiten, die es in der Verwaltung und den entsprechenden Gremien zu kommunizieren gilt. Zu viel Zeit darf dabei allerdings auch nicht verstreichen. Vor allem im Bereich Technologie ändert sich die Welt viel zu schnell, als dass ein über ­eine Spanne von zwölf Monaten stetig ausgebautes Konzept in drei Jahren noch einen umfassenden Gültigkeitsanspruch erheben könnte.

Wie schätzen Sie allgemein den Digitalisierungs-Status-quo im deutschen Public Sector ein?

Köninger: In Schulnoten ausgedrückt, würde ich ein „ungenügend“ vergeben. Über weite Strecken beobachte ich dieselben Einstellungen, die es beispielsweise auch im Handwerk noch bis vor zehn Jahren gab. In der Verwaltung haben wir nur kein Jahrzehnt mehr Zeit, um das Mindset zu ändern. Meiner Einschätzung nach muss es jenseits der großen Kooperationen mit Konzernen wie SAP, Microsoft, Google und Co. eine spezialisierte und vereinfachte Förderkulisse für digitale Themen geben, die von kompetenten, mittelständischen Beratungs-, IT-, Systemhäusern auf kommunaler Ebene begleitet werden – eine Art „Inkubator“ oder Beschleuniger vor Ort.

Andreas Köninger
Andreas Köninger
(© SinkaCom AG)

Was raten Sie kleineren Kommunalverwaltungen, wie sie Digitalisierungsprojekte finanziell stemmen können?

Köninger: Entsprechende Budgets für Digitalisierungsprojekte können nicht ohne Folgen für den Haushalt aus dem laufenden Betrieb gezogen werden. Sie stellen in der Regel eine echte Kraftanstrengung dar. In Sachen finanzielle Aufwendungen für die Digitalisierung lohnt es sich daher, nicht nur zusätzliche Mittel aus den Bundes- und Landesprogrammen zu beantragen, sondern auch eine direkte Anforderung bei den zuständigen Stellen einzureichen.

Neben der interkommunalen Zusammenarbeit kommt kleinen Kommunalverwaltungen bei der Umsetzung entsprechender Projekte insbesondere auch die Übertragung von Investitions- oder Entwicklungsansätzen aus der freien Wirtschaft zugute. Dabei ist es ratsam, mit einfachen Schritten zu beginnen, Prozesse zu verschlanken und Teilbereiche mit Bordmitteln oder einfachen Werkzeugen zu automatisieren und so freie Arbeitskapazitäten zu schaffen. Auf diese Art und Weise entsteht eine sich von innen heraus transformierende Organisation, die Fachkompetenzen selbst aufbaut und gleichzeitig die Budgets schont.

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