Zwischen Urlaubskarte und Blockchain Ein Digitallotse für jedes Rathaus
Ob OZG-Umsetzung oder Sicherung des Wirtschaftsstandorts, die Kommunen tragen die Hauptlast der Digitalisierung. Doch oft fehlt es am Know-how. Die Digitallotsen der kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg sollen das nun ändern.
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22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus baden-württembergischen Kommunen kamen nach Wiesloch, um sich in einem Seminar zum Kommunalen Digitallotsen zu qualifizieren. Es war eine der ersten Veranstaltungen der Verwaltungsschule des Gemeindetags Baden-Württemberg, die die Seminare im Auftrag der Kommunalen Spitzenverbände unter dem Dach der Digitalakademie@bw des Landes Baden-Württemberg durchführt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus unterschiedlichen Bereichen der Verwaltung. Unter ihnen waren IT-Fachleute, Mitarbeiter des Hauptamtes, Vertreter des Personalreferats, Experten aus dem Bauamt und Leiter von Stabsstellen des Bürgermeisters.
Jede Kommune ist anders
Vor welche Herausforderungen stellt Digitalisierung die Verwaltung? Die Bandbreite bereits eingesetzter und beabsichtigter Instrumente reicht von der „Urlaubskarte bis zur Blockchain“.
Die Unterschiede könnten dabei nicht größer sein. Steht bei einer Verwaltung die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems im Fokus, so befasst sich die andere bereits mit dem Aufbau einer Mobilitätsplattform oder dem autonomen Fahren. Und nur vereinzelt haben die Kommunen bisher mit einem konkreten Maßnahmenplan verbundene Digitalstrategien, die den Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und den Verwaltungsmitarbeitern die Chancen der Digitalisierung aufzeigen. In dem Seminar „Kommunaler Digitallotse“ wurde daher auch die dringende Notwendigkeit einer Re-Organisation der Verwaltung hin zu einem Netzwerk augenscheinlich.
Beharrungskräfte überwinden
Besonders deutlich wurde, dass in vielen Kommunen die Bereitschaft zur Veränderung von Prozessen und Arbeitsformen nur gering ausgeprägt ist. Nur wenn die Führungskräfte hinter der Digitalisierung stehen, sind Veränderungen möglich. Dazu müssen Führungskräfte die Veränderungen selbst leben, den Einsatz moderner Instrumente zur Kommunikation wollen und Kooperation und Kollaboration aktiv vorantreiben. Veränderungsprozesse nur von einzelnen Ämtern und Abteilungen aus anzustoßen, wird kaum erfolgreich sein können.
„Es ist schwierig, Amtsleiter und Mitarbeitende in Ämtern und Abteilungen von der Einführung digitaler Prozesse zu überzeugen. Das Beharrungsvermögen ist sehr groß. Führungskräfte stehen nur bedingt hinter uns“, klagt eine Seminarteilnehmerin.
Neben dem persönlichen Engagement der Führungskräfte kommt der Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine entscheidende Bedeutung zu. Sie sind die aktiven Kräfte, die Veränderungen umsetzen. Deshalb müssen sie mit dem notwendigen Grundwissen und dem erforderlichen Handwerkszeug ausgestattet werden.
Das Seminar für Kommunale Digitallotsen in Wiesloch zeigte zudem eindrucksvoll, dass zahlreiche Verwaltungsmitarbeiter im selben Boot sitzen. Behörden- und kommunenübergreifende Schulungen stärken diese Community. Es gilt, am Thema „dran zu bleiben“, Begeisterung zu wecken sowie Kolleginnen und Kollegen in der eigenen Verwaltung mitzunehmen.
Dass dies keine vergebliche Mühe ist, zeigte sich an der großen Bereitschaft der Seminarteilnehmer neue Wege zu gehen, sich Verfahren und Anwendungen von anderen Kommunen, IT-Dienstleistern und IT-Unternehmen anzusehen. Und auch das Engagement der Teilnehmer überzeugte.
Aufgabe der Digitallotsen
Eine wesentliche Aufgabe der Digitallotsen wird es nun sein, die Kolleginnen und Kollegen sowie die Führungskräfte mit ihrem Elan anzustecken. Ziel des Qualifizierungsprogramms „Kommunaler Digitallotse“ ist es, in allen 1.101 Städten und Gemeinden sowie in allen 35 Landkreisen in Baden-Württemberg ausgewählte Verwaltungsmitarbeitende als Digitallotsen zu gewinnen und zu qualifizieren. Als Impulsgeber sollen sie notwendige Transformations- und Veränderungsprozesse in den Verwaltungen anregen und als Motivatoren für Digitalisierungsprojekte im Land handeln.
Seminarangebot
Das dreitägige Seminar in Wiesloch wurde durch insgesamt fünf Module strukturiert. Aufgezeigt wurden unter anderem Chancen und Möglichkeiten einer Entlastung von Personal sowie Vereinfachung der Abläufe durch konsequente Digitalisierung von Verwaltungsprozessen.
Markus Losert von der Stadtverwaltung Karlsruhe stellte am ersten Seminartag die Megatrends der gesellschaftlichen Veränderungen dar und ging dabei besonders auf die sozialen Aspekte wie die Sammlung von personenbezogenen Daten und Profilbildung ein. Vorgestellt wurden neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Blockchain, autonome Maschinen und Sensoren.
Losert erläuterte an den Beispielen des Parkraummanagements in Stuttgart und Ludwigsburg den Einsatz von Sensoren in Parkhäusern. Über Augmented-Reality-Anwendungen im Bereich Mobilität lassen sich beispielsweise die nächsten Straßenbahnhaltestellen auf dem Smartphone anzeigen. Das Thema Chatbot verknüpfte der Referent unter anderem mit dem Bürgerservice 115.
Insgesamt wurde deutlich, dass Digitalisierung die Verwaltungsmitarbeiter dabei unterstützt, in eine ganz neue Beziehung zu den Bürgerinnen und Bürgern einzutreten.
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