Studie der Bundesdruckerei zur eIDAS-Verordnung „eIDAS muss gesetzlich stärker berücksichtigt werden“
Die „Verordnung über elektronische Identifizierung und elektronische Vertrauensdienste“, kurz eIDAS, bietet Behörden zentrale Werkzeuge für die sichere und einfache Digitalisierung von Verwaltungsprozessen. Fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten analysiert eine aktuelle Studie der Bundesdruckerei die Herausforderungen bei der Umsetzung in Deutschland.
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Die Europäische Union hat mit der eIDAS-Verordnung einen gesetzlichen Rahmen gelegt, der elektronische Interaktionen und Transaktionen zwischen Unternehmen, Behörden und Bürgern fördern soll. Im Mittelpunkt stehen sogenannte Vertrauensdienste, mit deren Hilfe Verwaltungen ihre Kommunikations- und Service-Prozesse auch in der digitalen Welt sicher und vertrauenswürdig gestalten können. Alle eIDAS-Vertrauensdienste basieren auf Standards, sind technologieoffen und gelten EU-weit. Sie besitzen eine hohe Beweiskraft vor Gericht und bieten ein einheitlich hohes Sicherheitsniveau.
„Die eIDAS-Verordnung ist ein wichtiger Meilenstein für das eGovernment: Mit ihrem Werkzeugkasten, den Vertrauensdiensten, macht sie digitalisierte behördliche Workflows möglich“, sagt Patrick von Braunmühl, Leiter Public Affairs der Bundesdruckerei.
Hohe Potenziale bei der Digitalisierung
Die Studie bescheinigt den Vertrauensdiensten ein entsprechend hohes Digitalisierungspotenzial und veranschaulicht dies an konkreten Anwendungsbeispielen.
Als neues Werkzeug führt die eIDAS-Verordnung das qualifizierte elektronische Siegel (QSiegel) ein, das den Ursprung und die Unversehrtheit von digitalen Dokumenten bestätigt. QSiegel sind immer auf eine Organisation ausgestellt, wie etwa Bürgerbüros, Standes- und Finanzämter oder Rentenversicherungen. Mit QSiegeln können jetzt deutlich mehr behördliche Bescheide – wie Steuer- und Rentenbescheide – verschickt werden als bisher, weil die ausstellende Behörde eindeutig zu erkennen ist und die Dokumente gleichzeitig vor Manipulation geschützt sind. Als weitere Anwendungsbeispiele nennt die Studie die elektronische Zustellung von Urkunden jeglicher Art (Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden) und Zeugnissen.
Bei der qualifizierten elektronischen Signatur (QES) sieht die eIDAS-Verordnung mit der Fernsignatur ein neues, vereinfachtes Verfahren vor. Die elektronische Unterschrift lässt sich dabei ohne Signaturkarte und Lesegerät aus der Ferne auslösen, zum Beispiel über mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets. Öffentliche Verwaltungen können die QES überall dort einsetzen, wo eine persönliche Unterschrift gefordert ist. Die Studie erwähnt zum Beispiel Förderanträge, Baugenehmigungen oder Abfallbegleitscheine.
Interessant für den Behördensektor ist auch das qualifizierte elektronische Website-Zertifikat (QWAC – aus dem Englischen: qualified website authentication certificate). Es dient als digitaler Ausweis für die Webseite einer Behörde und verschlüsselt den Datentransfer zwischen dem Computer des Bürgers und dem Internet-Auftritt der Behörde.
Praxisbeispiel
Wie die eIDAS-Vertrauensdienste im Zusammenspiel einen bisher analog durchgeführten Verwaltungsdienst in digitale Verfahren überführen können, verdeutlicht die Studie an einem Szenario zur Wohnungsummeldung: Der Bürger unterschreibt den entsprechenden Antrag bequem von zu Hause aus mit der QES. Die Kommunikation mit der Webseite des Einwohnermeldeamts ist über ein QWAC abgesichert. Der Vermieter kann den neuen Wohnort des Bürgers mit der Fernsignatur oder Wohnungsbaugesellschaften mit einem QSiegel bestätigen.
Schließlich werden alle Dokumente durch die Behörde mit einem QSiegel und Zeitstempel versehen. Auf diese Weise lässt sich der gesamte Vorgang auf lange Zeit nachvollziehbar und unverändert elektronisch archivieren. Der letzte analoge Schritt: Der Bürger muss vor Ort im Amt seine Adresse auf dem Ausweis nachtragen lassen.
Regelungslücken schließen
Der Einsatz von Vertrauensdiensten im behördlichen Alltag ist jedoch noch stark ausbaufähig. „Der Bekanntheitsgrad der Vertrauensdienste in Deutschland ist noch zu gering. Zudem werden die Vertrauensdienste in der Praxis zu wenig genutzt“, erläutert Patrick von Braunmühl ein zentrales Ergebnis der Studie.
Um dies zu ändern, schlägt die Untersuchung vor, bestehende Regelungslücken zu schließen. Patrick von Braunmühl: „Die eIDAS-Dienste müssen gesetzlich stärker berücksichtigt werden. Bestehende Gesetze sind dort zu erweitern, wo bestimmte eIDAS-Werkzeuge noch nicht implementiert wurden. Insbesondere das QSiegel und das QWAC sind in die Gesetzestexte zu integrieren.“
Das betrifft zum Beispiel das Verwaltungsverfahrensgesetz. Hierbei sind besonders die Beglaubigungen von Dokumenten von großem Interesse, denn diese gehören zu den stark nachgefragten Behördendienstleistungen. Bereits jetzt müssen Verwaltungsstellen in der Lage sein, von selbst ausgestellten Urkunden auch elektronische Beglaubigungen anzufertigen. Das Verfahrensverwaltungsgesetz sieht aber lediglich den Einsatz einer QES vor, nicht aber die Nutzung von QSiegeln. Dabei fordert das Gesetz neben der persönlichen Signatur auch Angaben zur Identität der auszustellenden Behörde. Genau dies ist in einem QSiegel bereits geprüft vorhanden.
Für das E-Government-Gesetz schlägt die Studie eine ergänzende Regelung vor, nach der die eIDAS-Vertrauensdienste genutzt werden müssen. Behörden wären dann verpflichtet, elektronische Dokumente nicht nur mit der QES, sondern auch mit dem QSiegel anzunehmen. Weiterhin empfiehlt die Studie, das E-Government-Gesetz um Vorschriften zur elektronischen Akte zu erweitern: Das QSiegel könnte dann als geeignete technisch-organisatorische Maßnahme dienen, um die Papieroriginale nach Überführung in das elektronische Archiv zu vernichten. Zwar enthält die technische Richtlinie TR-RESISCAN bereits einen Hinweis darauf, aber die gesetzliche Verankerung schafft für die öffentlichen Anwender zusätzliche Rechtssicherheit.
Eine stärkere Integration der eIDAS-Vertrauensdienste in das Telemediengesetz bietet für Behörden und Bürger eine wichtige Sicherheitsfunktion. Denn QWACs können den Betreiber einer Webseite sicher identifizieren. Auf diesem Weg ließe sich die Manipulation von Webseiten mit öffentlichem Interesse wie zum Beispiel von Behörden und künftigen Bürgerkonten, Arbeitsämtern oder Krankenhäusern verhindern.
Neue Gesetze immer berücksichtigen
Neben der stärkeren Einbindung der Vertrauensdienste in IT-relevante Gesetze sind weitere rechtliche Schritte notwendig: „Gänzlich neue gesetzliche Regelungen müssen dort geschaffen werden, wo digitale Prozesse noch nicht mitgedacht wurden“, erklärt von Braunmühl. So erfordert das Ausstellen digitaler Zeugnisse etwa erfordert eine Anpassung des Bundesgesetzbuchs (BGB). Dort sind die QES und das QSiegel neu zu etablieren, etwa in den spezialgesetzlichen Regelungen für Bildungseinrichtungen oder Arbeitsverhältnisse. Wie sich die digitale Dimension in der Gesetzgebung von Anfang an mitdenken lässt, zeigt die Studie an der zweiten Zahlungsverkehrsrichtlinie (Payment Services Directive, PSD2) im Bankensektor. Die PSD2 verlangt, dass Banken Drittanbietern Zugriff auf die Online-Zahlungskonten ihrer Kunden gewähren. Dabei müssen sich die Drittanbieter bei jedem Zugriff eindeutig und sicher identifizieren. Zudem sind Banken und Drittanbieter verpflichtet, während der Kommunikation die Vertraulichkeit und Integrität der Daten sicherzustellen. Dazu schreibt die PSD2-Richtlinie den Einsatz von QWACs oder QSiegeln vor. Auf diese Weise sind die Vertrauensdienste im Gesetzgebungsverfahren gleich mit berücksichtigt.
Die Zukunft
Für die Politik gibt die Studie konkrete Handlungsempfehlungen. Im Fokus steht dabei die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr. Im nächsten Jahr findet zudem eine Evaluation der eIDAS-Verordnung durch die EU-Kommission statt. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte die Bundesregierung die Einbindung der eIDAS-Vertrauensdienste in bestehende IT-relevante Gesetze forcieren und neue gesetzliche Lösungen für digitale Prozesse mit QES, QSiegel & Co. schaffen.
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