Sabine Smentek im Interview Die OZG-Strategie ist ein großer Erfolg
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In diesem Jahr wählt auch das Land Berlin. eGovernment Computing hat daher mit der Berliner Staatssekretärin Sabine Smentek über den Stand der OZG-Umsetzung, Digitalisierung und eGovernment gesprochen.

Frau Smentek, die Pandemie ist für viele Verwaltungen so etwas wie ein eGovernment-Katalysator gewesen. War das im Land Berlin ebenso?
Smentek: Ja und Nein. Als die Pandemie im vergangenen Jahr begann, konnten im Durchschnitt etwa 10 Prozent der Berliner Verwaltungen ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit zum Homeoffice anbieten. Allerdings gibt dieser Wert die wirklichen Verhältnisse nur sehr unzulänglich wieder, da die Situation sich in den einzelnen Berliner Verwaltungen sehr unterschiedlich darstellte. So reichte die tatsächliche Homeoffice-Fähigkeit von 80 Prozent in der Berliner Senatsverwaltung bis zu 0 Prozent in einigen Außenverwaltungen – je nachdem, wie die jeweilige Verwaltung in den Vorjahren schon auf mobile Arbeitsfähigkeit gesetzt hatte.
Inzwischen sind durchschnittlich 40 Prozent der Berliner Verwaltungen Homeoffice-fähig. Das ist mehr als ordentlich – auch vor dem Hintergrund, dass wir während der Pandemie über Wochen hinweg keine PCs oder Notebooks kaufen konnten. Sogar jetzt liegen die Lieferzeiten immer noch zwischen 18 und 20 Wochen. Alles, was wir im letzten Sommer orderten, ist jetzt geliefert, aber es gibt nach wie vor einige Rückstände bei den Bestellungen vom ITDZ (IT-Dienstleistungszentrum Berlin – Anmerkung d. Red.).
Für die Berliner Bezirke, also unsere Kommunalverwaltung, haben wir aufgrund dieser schwierigen Situation mit dem sogenannten 5.000er Projekt ein eigenes Beschaffungsvorhaben gestartet. Im Rahmen dieses Projekts haben wir 5.000 Laptops geordert. Wenn wir das abgewickelt haben, dürften wir bei über 50 Prozent Homeofficefähigkeit liegen. Neben der angespannten Beschaffungslage hat uns in Berlin auch der Ausbau der IT-Infrastruktur zu schaffen gemacht. Die durch die Pandemie von jetzt auf gleich dramatisch angestiegene Last hat uns deutlich gemacht, dass wir beim Ausbau der IT-Infrastruktur – also Rechenzentren und Bandbreite – sehr viel schneller werden müssen. Auch, um für künftige Notlagen gewappnet zu sein.
Selbstkritik ist ja an sich eine löbliche Sache. Allerdings wird Berlin – wenn es um die Digitalisierung und eGovernment geht – immer wieder auch von außen kritisiert. Im Herbst wird nun auch der Berliner Senat neu gewählt. Was sagen Sie also einem Berliner Wähler, der wissen will, wie es mit eGovernment weitergeht?
Smentek: Ich glaube nicht, dass die Situation in Berlin so schlimm ist, wie sie gerne dargestellt wird. Ich denke, das wird auch die anstehende Evaluation des Berliner eGovernment-Gesetzes zeigen. Die Evaluierung wird belegen, dass die Strategie des Berliner Senats, die Zentralisierung des IT-Betriebes und eine weitere Standardisierung der IT-Infrastruktur anzugehen, richtig war und ist. Denn auch die Pandemie hat gezeigt, dass an einheitlichen Standards, einer zentralen Beschaffung und einem zentralen Betrieb der IT kein Weg vorbeiführt. In der kommenden Legislaturperiode wird es also darum gehen, diese Prozesse weiter voranzutreiben und den Ausbau der IT des Landes Berlin auch mit den notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zu unterstützen. Denn die IT-Infrastruktur zu modernisieren, kostet nun mal Geld. Diesen Weg will ich weiter beschreiten.
Was bedeutet das denn nun im Detail und wie sieht Ihr ganz persönlicher Forderungskatalog aus? Was muss Ihrer Meinung nach beim eGovernment in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden?
Smentek: Mehr Geld und Personal zu fordern, das klingt ja zunächst nicht wirklich revolutionär. Ich denke, dass werden auch die anderen Landes-CIOs auf der Agenda haben. In Berlin ist das aber tatsächliche eine Forderung von politischer Relevanz. Denn Corona hat das Land Berlin eine Menge Geld gekostet und wir werden in den kommenden Jahren auch noch viel Geld ausgeben müssen, um die Folgen der Pandemie zu bewältigen. Der Landeshaushalt sieht leider nicht mehr so rosig aus wie noch vor drei Jahren. Wenn ich nun sage, wir brauchen weiterhin Geld für die Modernisierung der IT-Infrastruktur, dann ist das also eine hochpolitische Forderung. Denn auch die anderen Ressorts brauchen weitere Mittel, egal ob es nun um den S-Bahn-Ausbau, den Bau von Schulen oder den Wohnungsbau oder um die Kulturpolitik geht. Man muss also ganz klar sagen, dass das in den nächsten Jahren sehr viel schwieriger werden wird.
Das zweite, was ich mir von der Evaluierung des eGovernment-Gesetzes erhoffe ist, dass wir zu einer noch stärkeren Konzentration der Zuständigkeiten kommen. Was ich damit meine, lässt sich sehr schön am Thema Breitbandausbau an den Schulen verdeutlichen. Es ist ja schon hanebüchen, dass wir auf der einen Seite Verwaltungsgebäude mit Breitband versorgen, aber um die direkt danebenstehende Schule kümmert sich dann die Bildungsverwaltung. Da werden Synergien verschenkt. Ich würde die IT-Infrastruktur gerne noch stärker als bisher konzentrieren, um das abzustellen. Und ich würde mir wünschen, dass wir im Sinne der Digitalisierung für Bürgerinnen und Bürger die Modernisierung der IT-Fachverfahren sowie die Entwicklung und den Rollout von eGovernment-Diensten noch stärker zentral steuern.
Leider wirft uns da das Ressortprinzip immer wieder Steine in den Weg. Ich halte das aber für erforderlich. Insbesondere wenn wir uns in der nächsten Legislaturperiode die OZG-Umsetzung vornehmen. Als Land stehen wir da zwar gar nicht so schlecht da, aber es wird für die Bürgerinnen und Bürger bisher viel zu wenig spürbar. Eine wirkliche Digitalisierung von Verwaltungsleistungen erreiche ich ja erst, wenn ich auch die Fachverfahren einbinde. Dafür sind jetzt jedoch noch die einzelnen Fachressorts zuständig. Insofern würde ich mir eine stärkere Steuerungsfunktion wünschen.
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