Forschen mit Gesundheitsdaten Warum ein Datentreuhänder so wichtig ist
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Die forschungskompatible elektronische Patientenakte gehört zu den zentralen eHealth-Projekten der Bundesregierung. Eine Studie der Bundesdruckerei gibt Antworten auf die zentrale Frage: Wie lassen sich die Potenziale Big-Data-getriebener Forschung im Gesundheitsbereich nutzen und gleichzeitig die Persönlichkeitsrechte der Bürger bewahren? Patrick von Braunmühl, Leiter Public Affairs bei der Bundesdruckerei, fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.

Das Digitale Versorgungsgesetz (DVG) sieht die Einführung einer elektronischen Patientenakte (ePA) bis zum Jahr 2021 vor. Auf Grundlage der ePA ist geplant, die Gesundheitsdaten aus Arztpraxen und Krankenhäusern für die medizinische Forschung einsetzbar zu machen. Damit ließen sich schnellere Forschungsfortschritte erzielen und das Gesundheitssystem insgesamt langfristig verbessern.
Beispielsweise könnten neue Therapien entstehen, die in verstärktem Umfang individuelle Krankheitsmerkmale und Krankengeschichten berücksichtigen. Bis 2025 soll an allen Universitätskliniken solch eine forschungskompatible elektronische Patientenakte verfügbar sein.
Datensouveränität muss erhalten bleiben
Wie eine repräsentative Umfrage der Bundesdruckerei vom November 2019 zeigt, stehen die Bürger in Deutschland diesem Vorhaben durchaus positiv gegenüber: Jeder Zweite würde seine Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken weitergeben. In Zeiten der Corona-Krise dürfte der Wert nochmal deutlich gestiegen sein.
Diese Bereitschaft knüpfen die Bürger jedoch an klare Bedingungen. Fast 80 Prozent aller Befragten gaben an, der Datenschutz müsste vollständig gesichert sein. Und ebenfalls 80 Prozent fordern die volle Transparenz im Hinblick auf den Datennutzer und den entsprechenden Verwendungszweck.
Die Bundesregierung ist sich diesem Spannungsfeld bewusst und betont in ihrer High-Tech-Strategie 2025, dass stets Patientenwohl, Datenschutz und Datensicherheit im Mittelpunkt zu stehen haben. Patienten sollen jederzeit die Souveränität über ihre Gesundheitsdaten behalten. Dies bedeutet, die Bürger entscheiden jederzeit selbstbestimmt, wer Zugriff auf die Informationen erhält und welche Daten weitergegeben werden.
Doch wie können Datensouveränität auf der einen und Forschungspotenziale auf der anderen Seite miteinander in Einklang gebracht werden? Welche organisatorischen, technischen und rechtlichen Schutzmaßnahmen sind dafür notwendig?
In einem ersten Schritt muss der Patient ausdrücklich zustimmen, dass seine Gesundheitsdaten an die Forschung übermittelt werden. Für diese freiwillige „Opt-in-Regelung“ sprachen sich in der Umfrage über zwei Drittel der Befragten aus. Um auf dem Weg zu den Forschungseinrichtungen Datenmissbrauch zu verhindern, schlägt die Studie im Einklang mit dem Deutschen-Versorgungs-Gesetz (DVG) ein abgestuftes Modell vor: Vorgesehen ist, die im Prozess notwendigen Arbeitsschritte auf unterschiedliche Organisationen zu verteilen (siehe Grafik).
Eine zentrale Rolle spielt dabei eine starke Vertrauensstelle, die wichtige Funktionen eines sogenannten Datentreuhänders wahrnimmt. Datentreuhänder sind neutrale Instanzen, die keinerlei kommerzielle Interessen an der Nutzung der Daten besitzen.
Sie können die unterschiedlichsten Aufgaben übernehmen. Zum Beispiel verwalten Datentreuhänder die Identitäten und Berechtigungen der Teilnehmer. Sie kümmern sich um das Einwilligungs- und Zugriffsmanagement, sodass die Datennutzer nur auf diejenigen Informationen zugreifen dürfen, die von den Datenbesitzern freigegeben wurden.
Personenbezug effektiv auflösen
Im Rahmen der forschungskompatiblen elektronischen Patientenakte soll die Vertrauensstelle vor allem die Gesundheitsdaten pseudonymisieren. Bei diesem Verfahren werden alle Merkmale aus den Datensätzen entfernt, die zur Identifizierung eines Patienten führen könnten. Der Name oder ein anderes Identifikationsmerkmal wird durch ein Pseudonym ersetzt, etwa eine Kennzahl oder einen mehrstelligen Code. Danach verliert die Vertrauensstelle jeglichen Zugriff auf die Inhalte der Daten.
Nach der Pseudonymisierung gelangen die Daten zum Forschungsdatenzentrum. Dieses sorgt für eine hohe Datenqualität: Es aggregiert und strukturiert die Daten und passt diese – falls notwendig – internationalen Standards an. Am Ende des Prozesses werden die pseudonymisierten und optimal aufbereiteten Daten an die Forschungseinrichtungen übermittelt.
Laut Modell soll zudem weiteres Material zu einem individuellen Datensatz angefordert werden können. Die entsprechende Anfrage wird vom Forschungsdatenzentrum an die Vertrauensstelle weitergeleitet. Letztere ist dafür zuständig, die Antwort des Patienten einzuholen. Willigt dieser ein, werden die benötigten Daten aufbereitet und an das Forscherteam weitergeleitet.
Organisatorischer Schutz in beide Richtungen
Indem auf dem Weg vom Patienten zu den Forschern jeweils die Vertrauensstelle und das Forschungsdatenzentrum zwischengeschaltet sind, entsteht ein organisatorischer Schutz in beide Richtungen. Die Vertrauensstelle hat zwar die Mittel, um den Personenbezug wiederherzustellen, kennt jedoch nicht mehr den Dateninhalt. Umgekehrt kann das Forschungsdatenzentrum die Daten keiner Person zuordnen.
Anreize für die Patienten schaffen
Der Erfolg der forschungskompatiblen Patientenakte hängt davon ab, dass die Bürger ihre Gesundheitsdaten der Forschung freiwillig überlassen. Zu diesem Zweck sind zielgerichtete Anreize zum Teilen der Daten empfehlenswert.
Forschungseinrichtungen könnten dazu verpflichtet werden, die Ergebnisse ihrer Studien leicht verständlich aufzubereiten und der Öffentlichkeit bereitzustellen. Dafür wäre das im Koalitionsvertrag vorgesehene „Nationale Gesundheitsportal“ eine gute Plattform.
Zusätzlich ist es denkbar, dass einzelne Erkenntnisse der Forschung – vermittelt über die Vertrauensstelle – an die betroffenen Personen zurückgespielt werden: Die Patienten würden dann direkt erfahren, wie sie mit ihren Gesundheitsdaten die Gesundheitsversorgung verbessert haben.
Fazit zum Datentreuhänder
Der Einsatz eines Datentreuhänders in Form der Vertrauensstelle ist meiner Meinung nach das aussichtsreichste Modell, um medizinischen Fortschritt mit dem Schutz der Patientenidentitäten zu vereinen. Die Vertrauensstelle stellt mit effektiven Pseudonymisierungstechniken sicher, dass die Privatsphäre der Patienten geschützt bleibt und ihre Daten nicht in falschen Hände geraten.
Ein zweiter zentraler Aspekt für den Erfolg der forschungskompatiblen Patientenakte ist die freiwillige sogenannte Datenspende der Patienten. Hier gilt es mit geeigneten Maßnahmen eindeutig zu vermitteln: Der Nutzen für das Gemeinwohl im Allgemein und den Datengeber im Speziellen ist groß. mk
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