Software Open Source ist keine Frage von Gut und Böse
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Open-Source-Software (OSS) ist überall. Kaum ein Softwareprodukt kommt heute ohne OSS-Komponenten aus. Neue Software wird um existierende OSS-Bestandteile herum designt und entwickelt. Als OSS eingeordnete Produkte sind in der Regel in größere Angebote verpackt und genauso kommerziell ausgerichtet wie vermeintliche Nicht-OSS-Produkte. Die Grenzen sind fließend, sodass eine kategorische Unterscheidung in Gut und Böse wenig Sinn macht. Behörden und öffentliche Verwaltungen sollten daher auf eine gesunde Balance zwischen OSS und proprietärer Software setzen.

Die Idee von Open Source ist sehr viel älter als die IT. Zahlreiche Werke aus der europäischen Kunst- und Musikgeschichte setzten bei näherem Betrachten auf einen Open-Source-Ansatz, um den Quellcode eines Werkes den eigenen Vorstellungen anzupassen, zu erweitern und letztlich etwas völlig Neues zu erschaffen. Rachmaninow, Liszt und Brahms zum Beispiel schrieben so ihre jeweiligen Variationen über das 24. Capriccio in a-Moll von Paganini. Ob Zitate von Themen oder Variationen – das dahinterstehende Prinzip ist dem Open-Source-Gedanken nicht unähnlich und war stets ein Garant für Neues. Entsprechend kann auch Open-Source-Software (OSS) einen Beitrag leisten, um Innovationen und die Digitalisierung insgesamt voranzubringen. Die Frage ist jedoch, ob Open Source zu einem entscheidenden Kriterium bei der öffentlichen Vergabe werden sollte.
Herausforderung
Die Digitalisierung der Öffentlichen Verwaltung in Deutschland kommt nur langsam voran. Das ist die ernüchternde (Zwischen-)Bilanz für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Schon lange war absehbar, dass das ursprünglich gesetzte Ziel von 575 Verwaltungsdienstleistungen, die digitalisiert und online bereitgestellt werden sollen, nicht zu erreichen ist. Inzwischen ist klar, dass die Öffentliche Hand auch den sogenannten OZG-Booster, der bis Ende des Jahres noch eine Liste von 35 priorisierten Verwaltungsdienstleistungen über die Zielgerade heben sollte, nicht mehr erfolgreich umsetzen kann.
Das führt zu einer herausfordernden Gemengelage. Einerseits ist man auf etablierte und schnell implementierbare IT-Lösungen angewiesen, um zügig eine moderne, Service-orientierte Verwaltung zu schaffen. Andererseits versucht die Politik, die Abhängigkeiten des öffentlichen Sektors von internationalen IT-Konzernen zu minimieren und die digitale Souveränität zu stärken. Die Digitalstrategie der Bundesregierung sieht daher den prioritären Einsatz von Open-Source-Software in der öffentlichen Verwaltung vor.
Sowohl OSS als auch proprietäre Software haben ihre Daseinsberechtigung
Souveränität erreichen
Das Bestreben nach mehr OSS ist grundsätzlich sinnvoll. Der Einsatz von OSS kann der Öffentlichen Verwaltung dabei helfen, Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern und Produkten abzubauen. Allerdings ist es gefährlich, von einigen wenigen prominenten Softwarekategorien wie Betriebssystem und Office-Anwendungen zu schnell auf die gesamte IT-Landschaft zu schließen.
Wir benötigen eine Versachlichung der teils ideologisch geführten Debatte um Open Source. Die Politik sollte nicht den Fehler begehen, OSS als alleinige Voraussetzung für mehr digitale Souveränität zu sehen. Digitale Souveränität ein sehr vielschichtiges Konzept, in das verschiedene Aspekte mit hineinspielen. Das reicht von Fragen der IT-Sicherheit über die Transparenz und Datenhoheit bis auch zu Fragen nach Herkunft und Marktanteilen einzelner Hersteller. Dass OSS mit Blick auf all diese und weitere Aspekte tatsächlich nur Vorteile für die Anwendenden hat und eine rigorose Vorfahrtsregelung für offene Software-Lösungen daher uneingeschränkt gut zu heißen ist, darf jedoch eher bezweifelt werden.
Zwar mag eine Öffentliche Verwaltung, die OSS nutzt, beispielsweise nicht mehr von einem proprietären Software-Hersteller abhängig sein, doch wie verhält es sich mit der Abhängigkeit vom externen OSS-Anbieter, der die OSS in der Regel in ein größeres Angebot verpackt? Die Vorstellung, dass eine Behörde eine OSS „nativ“ nutzt, d.h. direkt aus einem OSS-Repository, ist realitätsfremd.
Viele Open-Source-Lösungen sind genauso kommerziell ausgerichtet wie auf dem Markt verfügbare Software – mit Souveränität hat das wenig zu tun, wenn wir nicht gerade über die großen Komponenten wie Betriebssystem, Office oder Datenbanken sprechen.
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