Breitbandausbau: Stand, Ziele und Hürden Oh W-Lan
In vielen Dingen ist Deutschland ganz weit vorne – doch nicht beim Thema schnelles Internet. Im internationalen Ranking landet die stolze Industrienation nur im unteren Mittelfeld. Bürger und Unternehmen warten schon seit vielen Jahren auf eine größere Bandbreite.
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Das Bild ruckelt, dann hängt es. Nichts geht mehr, die Verbindung bricht ab: „Wenn ich online arbeite, darf meine Familie noch nicht mal unser Internettelefon benutzen, da die Leitung sonst überfordert ist“, ärgert sich Marion Lenz, Inhaberin eines kleinen Beratungsunternehmens im niedersächsischen Landkreis Gifhorn.
„Wenn ich versuche, meine Online-Seminare zum Laufen zu bringen, dann hakt alles“. Lenz, die vorwiegend im Homeoffice arbeitet, ist frustriert. Sobald sie Bilder für ihre Online-Plattform hochladen will, dauert das mehrere Stunden lang. „Meine Webinare funktionieren nur mit zwei oder drei Personen, aber eigentlich hätte ich mehr als 20 Teilnehmer“, berichtet sie. Noch immer muss sie mit ihrem alten DSL-Anschluss arbeiten. Bereits seit 2013 wartet sie sehnsüchtig auf eine Anbindung an ein Glasfasernetz.
Glasfaser gehört die Zukunft
So wie Marion Lenz geht es derzeit vielen Menschen, deren Haushalt noch nicht über eine Glasfaseranbindung verfügt, und die aufgrund der aktuellen Situation von zu Hause aus arbeiten. Ingo Butters vom bayerischen IT-Dienstleister LEW TelNet betont, dass Glasfaser im Vergleich zu einem Kupferkabel bis zu 20mal schneller sei. „Aufgrund des rasant steigenden Bandbreitenbedarfs ist Glasfaser bis ins Gebäude die einzig zukunftssichere Lösung“, sagt Butters. Das Unternehmen im Landkreis Augsburg hat nach eigenen Angaben bisher mehr als 230 Breitbandprojekte umgesetzt.
Laut einer Studie der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) befindet sich Deutschland mit einem Glasfaseranteil von rund 3,6 Prozent lediglich auf Platz 33 des Länderrankings. Sogar Länder wie Italien oder Kolumbien sind weiter vorne. Den Spitzenplatz belegt Südkorea mit einem Anteil von 81,7 Prozent.
Baukapazitäten fehlen
Nick Kriegeskotte, Leiter für digitale Infrastruktur beim Digitalverband Bitkom, macht dafür vor allem den späten Einstieg Deutschlands in die Förderung verantwortlich. Der Experte ergänzt: „Aktuell stößt der Breitbandausbau aufgrund begrenzter Baukapazitäten an Grenzen.“ Beschleunigen könne man die Entwicklung nur mit einfacheren Verlegetechniken – zum Beispiel auch oberirdisch. Überdies sei der ländliche Raum nur lückenhaft mit schnellem Internet versorgt. „Rund ein Drittel der Haushalte verfügt dort nicht über Anschlüsse, mit denen sich Geschwindigkeiten von mindestens 16 Mbit/s realisieren lassen. Das stellt bereits mit Blick auf heutige Anforderungen einen Mangel dar“, kritisiert Kriegeskotte.
Eine weitere Ursache für Deutschlands Rückstand im Breitband-Internet benennt Holger Schmidt, Experte für Digitalökonomie an der TU Darmstadt: „Die Deutsche Telekom hat dem kurzfristig günstigeren Ausbau des Kupferkabels lange den Vorzug gegenüber dem teureren Glasfaserkabel gegeben. Das hat dazu geführt, dass Deutschland heute eine der geringsten Glasfaserpenetrationen unter den Industrieländern aufweist“, moniert Schmidt im Gespräch mit eGovernment Computing.
Fazit
Demgegenüber will die Bundesregierung bis Ende 2025 ganz Deutschland mit Gigabit-Netzen versorgen. Nach den Informationen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur sollen noch in dieser Legislaturperiode zumindest alle Gewerbegebiete, Schulen und Krankenhäuser an das Gigabit-Netz angeschlossen werden. Diese Ziele könnten jedoch nur gemeinsam mit der Telekommunikationswirtschaft erreicht werden. Diese habe sich in den vergangenen Jahren im Rahmen der „Netzallianz Digitales Deutschland“ zu Investitionen in Höhe von acht Milliarden Euro jährlich verpflichtet.
Schmidt hält dagegen: „Der Staat stellt inzwischen zwar Fördermittel bereit, aber das Geld wird nur zu einem Bruchteil abgerufen.“ Deutschlands digitale Wettbewerbsfähigkeit liege beim Thema „Technische Infrastruktur“, wozu der Breitbandausbau gehöre, nur auf Rang 40 in der Welt. „Das ist für ein so reiches Land wie Deutschland ein Armutszeugnis“, bilanziert Schmidt.
Unterdessen hofft Marion Lenz noch immer auf eine schnellere Internetverbindung. Bis dahin arbeitet sie am liebsten zwischen 2 und 6 Uhr morgens. „Denn dann,“ weiß sie, „nutzen die wenigsten Leute das Netz.“
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