Aufbruchstimmung in Berlin Keine Ausnahme von der Regel mehr
Das neue E-Government-Gesetz des Landes Berlin (EGovG Bln) ist ein längst überfälliger Schritt. Nun kommt es auf die schnelle Umsetzung an. Dr. Wilfried Bernhardt, Staatssekretär und CIO a.D., versucht sich an einer Analyse.
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Das Gesetz zur Förderung des eGovernment (E-Government-Gesetz Berlin – EGovG Bln) ist am 10. Juni in Kraft getreten. Langjährige Diskussionen zu möglichen Regelungsinhalten wurden damit kurz vor Ende der Legislaturperiode vorläufig abgeschlossen. Das Gesetz fügt sich in eine eGovernment-Gesetzgebung ein, die mit dem (Bundes-) EGovG 2013 ihren Ausgang nahm. Da dem Bund beim eGovernment selbst nur eine begrenzte Regelungskompetenz zusteht, hatte er in seinem Gesetz mit „Motornormen“ die Länder zu eigenen Regelungen animieren wollen. Das ist bisher nur begrenzt gelungen. Mit einiger zeitlicher Verzögerung und daraus folgenden größeren Problemen folgt nun Berlin dem Vorbild des Bundes, geht aber im Detail an vielen Stellen eigene Wege.
Eigene Lösungen für eigene Probleme
So betont § 2 Abs. 2 als Ziele des Gesetzes die Gewährleistung der „Transparenz, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Bürgerfreundlichkeit, Unternehmensfreundlichkeit und Benutzerfreundlichkeit einschließlich der barrierefreien Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Verwaltungsprozesse“. Zwar dürfte es nicht möglich sein, die Realisierung dieser Ziele isoliert einzuklagen. Dennoch sind diese Ziele nicht bedeutungslos: Sie strahlen auf die Interpretation der übrigen Gesetzesbestimmung aus und dienen auch als Leitlinien für die Umsetzung von Maßnahmen.
Wenn § 4 Abs. 4 normiert, dass die Fähigkeiten und Kompetenzen der Dienstkräfte „durch besondere Qualifikationsmaßnahmen zentral und dezentral zu fördern“ sind, dann stellt dies im Vergleich zu anderen eGovernment-Regelungen ein – für die speziellen Berliner Gegebenheiten allerdings notwendiges – Novum dar.
Damit erkennt der Berliner Gesetzgeber an, dass die Regelungen in der Berliner Verwaltung nur dann effizient umgesetzt werden können, wenn es gelingt, die Verwaltungsangehörigen darauf vorzubereiten. Oft sind in Berlin Fortschritte in der Digitalisierung daran gescheitert, dass die Verwaltungsangehörigen nicht oder zu spät mit den neuen Techniken vertraut gemacht wurden.
Wirksame Fortbildungsdienstleistungen sind allerdings nicht zum Nulltarif zu erlangen, sie werden in erheblichem Maße Ressourcen benötigen. Die Erfahrungen lehren, dass man skeptisch sein muss, ob der Berliner Senat über einen Doppelhaushalt hinaus zu entsprechenden Investitionen bereit sein wird. Vorher ist ein Einführungskonzept zu erarbeiten, das umfassend die Planungen für eine schrittweise Einführung in den Berliner Behörden darstellt.
Hervorzuheben ist, dass die neuen Regelungen zur elektronischen Kommunikation im Vergleich zum Senatsentwurf erheblich strikter formuliert sind: Es entfielen Formulierungen mit „wenn“, „soweit“ und „es sei denn“, die noch den Senatsentwurf prägten. Nun verpflichtet das Gesetz jede Behörde dazu, eine De-Mail-Adresse zu eröffnen, elektronische Formulare für wiederkehrende Vorgänge zur Verfügung zu stellen (beziehungsweise diese dann auch grundsätzlich über ein einheitliches Portal interaktiv verfügbar zu halten) und für Verwaltungsverfahren, in denen eine Identitätsfeststellung zu erfolgen hat, eine Identifizierung mit einer eID anzubieten (§ 4).
Verwaltungen neigen oft dazu, Ausnahmen von der Regel für sich zu reklamieren, wenn sie mit Modernisierungsmaßnahmen in Verzug geraten. Insoweit hat sich zum Glück die Einsicht durchgesetzt, dass die Berliner Verwaltungen bedingungslos auf den Weg zur digitalen Transformationen zu bringen sind, denn Bemühungen einer eher „sanften“ Anpassung der Berliner Verwaltung an die Digitalisierungserfordernisse sind in der Vergangenheit gescheitert. Gerade vordergründig die Verwaltung schonende Ausnahmeklauseln beeinträchtigen die Rechtssicherheit. Bürger und Wirtschaft werden nur bereit sein, intensiv in elektronische Infrastrukturen für die Kommunikation mit der Verwaltung zu investieren, wenn sie auch darauf vertrauen können, dass die Verwaltung flächendeckend entsprechende Zugänge eröffnet.
Das Gesetz schenkt der Verwaltung dafür noch eine einjährige Übergangszeit, die zugleich dokumentiert, dass es in Berlin im Gegensatz zu anderen Ländern noch an den erforderlichen Kommunikationsstrukturen fehlt. Erst zum 10. Juni 2017 werden die neuen Regelungen zur elektronischen Kommunikation in Kraft treten, während diese etwa auf Bundesebene und in Sachsen bereits gelten oder in Kürze Wirksamkeit erlangen.
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