Ideale Plattform zur Erarbeitung konkreter Handlungsempfehlungen „Ein Marshall-Plan für eGovernment in Deutschland“
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Unter dem Motto „Von eGovernment zur digitalen Staatskunst“ diskutieren am 14. und 15. November die Spitzen aus Politik und Verwaltung, aus Wirtschaft und Wissenschaft die Zukunft von eGovernment. eGovernment Computing sprach mit den Sponsoren über ihre Erwartungen.

Angesichts der Herausforderungen, vor denen Staat und Verwaltung bei eGovernment und Digitalisierung stehen, wird auf dem diesjährigen eGovernment Summit auch die Frage diskutiert werden, inwieweit es dazu ein neues Regierungs- und Verwaltungshandeln braucht. Üblicherweise wird die Frage von politischer Seite meistens bejaht, doch finden sich auch aufseiten der Industrie dazu positive Stimmen.
So meinte Dirk Stocksmeier, Vorstandsvorsitzender der ]init[ AG, dazu: „Die digitalen Services der deutschen Verwaltung, das wissen alle Experten, bleiben bisher weit hinter den Erwartungen der Nutzer zurück. Und das wird uns dann auch bei europäischen und internationalen Vergleichen und Benchmarks eindrucksvoll mit Bewertungen auf den hinteren Plätzen attestiert.“
Der Grund dafür sei, so Stocksmeier, dass die meisten Services nicht nutzerfreundlich umgesetzt und zu wenige in der Fläche verfügbar seien. Um dies zu ändern, müssten die verschiedenen Ebenen der Verwaltung und die Fachressorts und Behörden anders zusammenarbeiten als bisher und sich bei der Entwicklung der digitalen Dienste an den Nutzerbedürfnissen orientieren, anstatt kleinteilig einzelne Leistungen in ihrer Zuständigkeit zu digitalisieren.
Hierzu bedürfe es einer neuen Form der Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsebenen und über Ressortgrenzen hinweg sowie einer neuen digitalen Staatskunst, die die Methoden der Plattformökonomie intelligent und zum Nutzen von Bürgern und Unternehmen als Kunden der Verwaltung anwendet.
Ein Marshall-Plan für die Digitalisierung
Stocksmeiers Fazit aus dieser Analyse: „Insofern stellt die Digitalisierung die Verwaltung vor eine große Herausforderung und es braucht so etwas wie eine neue digitale Staatskunst. Mit Blick auf die Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft sehen wir eine Entwicklung zu vernetzten Plattformen mit Leistungen vieler Anbieter, die aus Nutzersicht gebündelt werden, beispielsweise auf Reiseportalen. In vielen Bereichen der Verwaltung herrscht hingegen noch eine Silo-Perspektive. Mit der OZG-Themenfeldplanung und dem OZG-Umsetzungskatalog, der Leistungen aus Nutzersicht bündelt, haben wir die wichtigen grundlegenden Veränderungen auf den Weg gebracht.“
Ralf Schneider, Vorstand der ISB AG, ergänzte: „Mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) steht die Verwaltung vor einer doppelten Herausforderung: Zum einen sind binnen der nächsten vier Jahre 575 Verwaltungsleistungen zu digitalisieren und diese über einen Portalverbund zugänglich zu machen und zum anderen ist das Vorhaben durch Bund, Länder und Kommunen gemeinsam zu stemmen. Dies erfordert eine erheblich stärkere Koordinationskraft föderalen Handelns, als bislang jemals im IT-Umfeld nötig war; die sehr ambitionierte Frist für die Umsetzung des OZG erfordert Zusammenarbeit von allen und auf allen Ebenen.“
Es sei daher müßig zu diskutieren, ob die dafür erforderliche Strategie schon eine eigene „digitale Staatskunst“ darstelle; sicher sei aber, dass das bisherige Verwaltungshandeln für einen Erfolg nicht ausreiche.
Schneider unterstrich zudem, dass die Schaffung und Erhaltung einer funktionierenden Infrastruktur Staatsaufgabe sei. Ohne soziale Marktwirtschaft, Währungsreform und die Unterstützung der Alliierten hätte es den schnellen Wirtschaftsaufschwung nach 1945 nicht gegeben. Und ähnlich wie damals brauche es auch heute einen „digitalen Marshall-Plan“, um endlich einen Durchbruch bei der Digitalisierung im Allgemeinen und bei der Umsetzung des OZG im Speziellen zu erreichen.
Auch Uwe Hartmann, Vizepräsident des Geschäftsbereichs Public Sector bei der Software AG, nahm bei seinen Ausführungen Bezug auf die OZG-Umsetzung, kam jedoch zu einer anderen Einschätzung: „Die Einbindung von Bürgern, Wirtschaft und Verwaltung ist Grundvoraussetzung bei der erfolgreichen Gestaltung digitaler Verwaltungsdienstleistungen, wie etwa dem Onlinezugangsverbesserungsgesetz (OZG). Um dieses Ziel zu erreichen, erhält der Bund im Kontext der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen durch eine Grundgesetzänderung Gesetzgebungskompetenz zur Ausgestaltung des Zugangs zu den Verwaltungsdienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen. Das OZG regelt die weitere Ausgestaltung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben. Deshalb braucht es keine neue Staatskunst, vielmehr muss die Digitalisierung ganzheitlich betrachtet werden.“
Andreas Kleinknecht, Leiter des Geschäftsbereichs Public Sector bei Microsoft Deutschland, erklärte zum aufgeworfenen Gedanken einer digitalen Staatskunst: „Ich finde die Idee, über eine digitale Staatskunst nachzudenken, sehr attraktiv. Und das übrigens völlig unabhängig von der Frage der OZG-Umsetzung. Wir alle erleben, dass sich Abläufe, Netzwerke, Lebens- und Geschäftsmodelle in Gesellschaft und Wirtschaft rasant ändern. Politik und Verwaltung geraten zunehmend ins Hintertreffen, wenn sie weiterhin an den Organisationsmodellen und -strukturen der analogen Welt festhalten. Sie müssen Geschwindigkeit aufnehmen, den technologischen Wandel schneller bewältigen und agiler in der Bewertung von Regulierungsbedarf und vor allem im Erkennen von Chancen werden. Dazu gehören auch Digital-first-Ansätze bereits in den legislativen Prozessen, ein Überdenken von Beschaffungsverfahren, von starren Organisationsstrukturen oder dem etablierten Rollenverhältnis von Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.“
Angesichts dieses Spektrums wird schon jetzt deutlich, dass auch in diesem Jahr wieder extrem spannende Diskussionen auf dem Summit zu erwarten sind. Zum anderen wurden zwei weitere Themen genannt, die ebenfalls auf dem eGovernment Summit intensiv besprochen werden: Wie sich die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen verbessern lässt und wie sich digitale Verwaltungsleistungen nutzerfreundlich gestaltet lassen.
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