Behörden hängen an alten Verwaltungsstrukturen fest Digitalisierung muss modern und nutzerfreundlich sein

Autor Ira Zahorsky

Deutschland hat dem Normenkontrollrat zufolge einen Digitalisierungsrückstand von 10 bis 15 Jahren. Dies liegt an den häufig ineffizienten gewachsenen Verwaltungsstrukturen, an denen Behörden und Verwaltungen ihre digitalen Prozesse und Services ausrichten, meint Bernd Lohmeyer von der Unternehmensberatung lohmeyer | Business UX.

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Deutsche Behörden und Verwaltungen sollten bei der Digitalisierung die Nutzerorientierung in den Vordergrund stellen und nicht an ineffizienten Strukturen festhalten.
Deutsche Behörden und Verwaltungen sollten bei der Digitalisierung die Nutzerorientierung in den Vordergrund stellen und nicht an ineffizienten Strukturen festhalten.
(Bild: © Christian Horz - stock.adobe.com)

„Die zukünftige Digitalstrategie der Behörden und Verwaltungen muss vor allem bürger- und servicezentriert sein“, fordert Bernd Lohmeyer. „Die neuen digitalen Services dürfen sich nicht an tradierten Verwaltungsstrukturen orientieren. Sie müssen sich an modernen Anforderungen des User-Experience-Design (UX) ausrichten. Die Nutzerorientierung muss im Vordergrund stehen.“

Derzeit liegt Deutschland, was die Digitalisierung von Behörden und Verwaltungen angeht, auf dem Niveau von Ländern wie Rumänien und Bulgarien. Damit bleibe ein enormes Ressourcenpotenzial ungenutzt, so Lohmeyer. Damit sowohl Bürger als auch Verwaltungsmitarbeiter Zeit sparen und eine Kostenersparnis für die öffentlichen Kassen erreicht werden kann, sind seiner Meinung nach folgende Punkte wichtig:

  • der direkte digitale Zugang für Bürger zu Verwaltungsservices,
  • eine stärkere Vernetzung der Behörden untereinander,
  • eine nutzer- und serviceorientierte Vereinheitlichung und
  • die Vereinfachung von Prozessen.

Vorbild Norwegen

Ein Beispiel ist Norwegen: Während in Deutschland bei fast jedem Behördenbesuch die Bürgerdaten neu aufgenommen werden, reicht in Norwegen ein einziger Eintrag. Dann haben alle Behörden die Daten zur Verfügung. In Deutschland werden dagegen dutzende Register parallel geführt. „Es ist unverständlich, warum so etwas wie in Norwegen in Deutschland nicht möglich sein sollte“, meint Lohmeyer. „Die Verwaltung würde von einer solchen Effizienzsteigerung stark profitieren.“

Problem bekannt

Immerhin sind sich viele Behörden des Problems bewusst, wie eine Umfrage der Hertie School of Governance von Juni 2017 unter 346 Behördenleitern zeigt. 58 Prozent der Befragten sehen die Digitalisierung als die größte Herausforderung für die Behörden in den nächsten fünf Jahren an.

Orientierung an Unternehmen

Die Digitalisierungsstrategie müsse gut durchdacht sein, so Lohmeyer. „Mitarbeiter und Bürger wollen eine tatsächliche Vereinfachung der Prozesse erleben. Digitalisierung sollte daher auch gleichzeitig Prozessoptimierung in der gesamten Verwaltung bedeuten.“ Bei diesen Prozessen müsse die Verwaltung auch stärker auf Erfahrungen von Unternehmen zurückgreifen, findet Lohmeyer: „In der Wirtschaft sind User Experience Design und digitale Transformation schon lange angekommen – insbesondere in großen Unternehmen. Diese Erfahrung müssen sich auch die Behörden zunutze machen.“

Eine Online-Befragung im Sommer/Herbst 2017 des Instituts für den Öffentlichen Sektor mit der Hertie School of Governance zeigte in diesem Zusammenhang, dass rund Dreiviertel der 42 teilnehmenden Start-ups, die sich mit Digitalisierung beschäftigen, Behörden als wichtigen zukünftigen Kunden betrachten.

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