eGovernment-Studien Digitale Verwaltung im Aufbruch
Der Herbst ist traditionell die Zeit der großen eGovernment-Studien. So haben der Branchenverband Bitkom und die Initiative D21 nun beinahe zeitgleich zwei neue Analysen vorgelegt. Die jeweiligen Ergebnisse lassen den Leser allerdings vergleichsweise ratlos zurück, kommen die beiden Studien doch zu ganz anderen Aussagen. eGovernment Computing hat einen Blick auf beide Untersuchungen geworfen.
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So kommt der Bitkom zu der Überzeugung, dass die Mehrheit der Bundesbürger bei der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen Nachholbedarf sieht. Dazu der Bitkom in seiner Studie: „Mit 56 Prozent sagt mehr als die Hälfte, dass sie mit dem digitalen Angebot der für sie zuständigen Behörden nicht zufrieden ist. Zufrieden äußert sich lediglich etwas mehr als jeder Dritte (35 Prozent).“
Dagegen kommen die Kollegen in ihrem aktuellen eGovernment MONITOR 2020 zu folgendem Ergebnis: „Die Zufriedenheit mit digitalen Behördendiensten ist in Österreich und der Schweiz mit 79, beziehungsweise 71 Prozent insgesamt hoch, Deutschland liegt mit 62 Prozent etwas dahinter.“ Die wichtigsten Aspekte für die Zufriedenheit seien in allen drei Ländern Bequemlichkeit (sich einen Termin vor Ort auf dem Amt zu ersparen), Zuverlässigkeit der Systeme (stabile Verbindung, kein Abbruch des Prozesses) und die gute Bedienbarkeit der Dienste, heißt es dazu weiter.
Ähnlicher fallen die Ergebnisse der beiden Studien aus, wenn es darum geht, den Einfluss der Corona-Krise auf die Nutzung von eGovernment zu bewerten. So heißt es beim Bitkom: „Die Bürger wurden zudem vor dem Hintergrund der Corona-Krise dazu befragt, inwiefern sie in dieser Zeit Verwaltungsdienstleistungen von Ämtern oder Behörden genutzt haben. Demnach hat seit März 2020 etwas weniger als die Hälfte (44 Prozent) eine solche Dienstleistung in Anspruch genommen.“
Am häufigsten sei es dabei um die Beantragung von Corona-Soforthilfen (16 Prozent) gegangen – und die erfolge ausschließlich digital. Bei Dienstleistungen, die nicht flächendeckend digital angeboten würden – wie etwa bei der Bestellung von Personenstandsurkunden – falle die Nutzungsrate sehr viel geringer aus.
Beim eGovernment MONITOR halten die Autoren hier fest: „Die zeitweise eingeschränkte Verfügbarkeit mancher behördlichen Dienstleistungen durch Corona hatte nur einen geringen Einfluss auf die Nutzung von eGovernment-Angeboten: In Deutschland geben sieben Prozent an, dadurch mehr Behördengänge als früher online durchgeführt zu haben, in Österreich sind es 13 und in der Schweiz zwölf Prozent. Eine erstmalige Nutzung digitaler Verwaltungsangebote aufgrund von Corona geben in Deutschland vier, in Österreich und in der Schweiz jeweils drei Prozent an. Die meistgewählte Strategie der BürgerInnen war die vorübergehende Vermeidung von Behördengängen.“
Die Autoren des eGovernment MONITOR 2020 glauben aber, darüber hinaus einen Bewusstseinswandel bei der Bevölkerung gegenüber eGovernment feststellen zu können. „Hingegen wächst die Offenheit gegenüber eGovernment-Angeboten vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie: Im Kontext Corona gefragt, können sich in Deutschland 75 Prozent vorstellen, künftig häufiger Behördengänge online durchzuführen, in Österreich sind es 81 und in der Schweiz 70 Prozent. Die digitale Abwicklung im Vergleich zum persönlichen Gang aufs Amt empfindet eine große Mehrheit als Erleichterung (DE: 70 Prozent / AT: 77 Prozent / CH: 68 Prozent).“
Und beim Bitkom erklärte Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: „In der Corona-Krise hat die Beantragung von Nothilfen und Kurzarbeit gezeigt, dass Verwaltungsdienstleistungen einfach und schnell online angeboten werden können und auch genutzt werden. Dagegen werden Anliegen wie die An- und Ummeldung von Kraftfahrzeugen, die kaum online verfügbar sind, notgedrungen überwiegend klassisch vor Ort erledigt.“
„Die Mehrheit ist unzufrieden mit den Online-Dienstleistungen der Verwaltung. Es braucht mehr und nutzerfreundlichere Angebote, um die Zufriedenheit der Bürger zu erhöhen und die Effizienz der Verwaltung zu steigern. Das Onlinezugangsgesetz zur Digitalisierung von 575 Verwaltungsdienstleistungen muss zügig umgesetzt werden und die Nutzerorientierung sollte im Mittelpunkt stehen.“
Das harsche Urteil über das eGovernment-Angebot der Verwaltung hat aber möglicherweise auch mit der gestiegenen Bereitschaft digitale Dienste zu nutzen und einem gewachsenen Kenntnisstand zu tun. Im eGovernment Monitor heißt es dazu: „Eine der größten Barrieren für die Nutzung aus der Vergangenheit ist nahezu überwunden: Das Bewusstsein für digitale Verwaltungsangebote steigt kontinuierlich, fast alle OnlinerInnen kennen mindestens einen Dienst (DE: 97 Prozent / AT: 99 Prozent / CH: 96 Prozent). Am bekanntesten sind die Suche nach Informationen, das Herunterladen von Formularen zur Vorbereitung und Abwicklung von Behördengängen, die Vereinbarung von Terminen sowie die Abwicklung der elektronischen Steuererklärung.“
Von zentraler Bedeutung ist für die Autoren des eGovernment MONITOR zudem die individuelle Ansprache der Nutzer. „NutzerInnen von eGovernment unterscheiden sich stark voneinander – eine reine Betrachtung des Durchschnitts reicht für eine bedarfsgerechte Gestaltung von eGovernment in Deutschland nicht aus. Der eGovernment MONITOR 2020 nimmt daher erstmalig eine Typisierung vor, um den Handlungsbedarf für eine künftig stärkere Nutzung von eGovernment in Deutschland zu ermitteln. Die Untersuchung zeigt: Den „typischen“ beziehungsweise die „typische“ eGovernment-NutzerIn gibt es nicht. Die BürgerInnen, die ihre Behördengange zumindest teilweise online erledigen, lassen sich jedoch in fünf Nutzertypen unterteilen. Diese sind in Bezug auf Einstellungen und Bedürfnisse sowie spezifische Nutzungsgewohnheiten unterscheidbar. „Positiv überrascht hat uns vor allem das große Potenzial der ‚zukünftigen Viel-NutzerInnen‘, die mit 32 Prozent die größte Gruppe darstellen. Sie sind digitalaffin und bereits offen gegenüber digitaler Verwaltung. Hier kann man mit wenig Auf-wand viele BürgerInnen aktivieren, man muss sie nur informieren, welche Angebote sie wo finden können“, so D21-Präsident Hannes Schwaderer.
Große Chancen für die weitere Entwicklung von eGovernment sehen die Autoren des eGovernment MONITORS auch in der Nutzung der Smartphone-Schnittstelle der Online-Ausweisfunktion. Dazu heißt es in der Studie: „Der Personalausweis im Scheckkartenformat ist seit zehn Jahren verfügbar, 76 Prozent der für den eGovernment MONITOR befragten Deutschen besitzen ihn. 24 Prozent der Befragten haben die Online-Ausweisfunktion aktiviert, die eine durchgängige Abwicklung von Behördengängen im Internet erlaubt.“
Allerdings würden trotz verbesserter Anwenderfreundlichkeit die Nutzungszahlen stagnieren. „Im Smartphone schlummert riesiges Potenzial für den Durchbruch der Online-Ausweisfunktion. Aber noch weiß über die Hälfte der Smartphone-BesitzerInnen nichts über diese Möglichkeit. Hier braucht es Aufklärung und mehr nutzerfreundliche Anwendungen“, so Prof Dr. Helmut Krcmar von der Technischen Universität München.
So gesehen, sind die Studienergebnisse eher als Momentaufnahmen einer glücklicherweise immer dynamischer werdenden Entwicklung zu werten, die unterschiedliche Facetten beleuchten.
Staatssekretär Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik, recht, der den eGovernment MONITOR so kommentierte: „Die digitale Verwaltung in Deutschland ist in Bewegung und wir sind auf einem guten Weg. Bald wird das auch stärker im Alltag der Bürgerinnen und Bürger ankommen.“
Richter weiter: „Ich sehe die Studienergebnisse als Auftrag, noch stärker im Sinne der Menschen zu denken. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger bei der digitalen Transformation mitnehmen. Nur wer den digitalen Anwendungen vertraut und sie versteht, wird sie später auch nutzen. Ein Schritt dazu war das kürzlich vorgestellte Dashboard zur digitalen Verwaltung, diesen Weg wollen wir weiter gehen.“
Den vollständigen eGovernment MONITOR finden Sie auf den Seiten der Initiative D21.
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