Lockerung des Fernbehandlungsverbots Der Weg ist frei für die Onlinesprechstunde
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Was für die einen ein wichtiger Schritt nach vorne für eHealth ist, darin sehen die anderen eine dramatische Verschlechterung der Pflegesituation für alte, pflegebedürftige und schwerstkranke Menschen. Die Rede ist von der Lockerung des Fernbehandlungsverbots, das der Deutsche Ärztetag auf seiner gestrigen Sitzung beschlossen hat.

Bis vor kurzen war es Ärztinnen und Ärzten laut Musterberufsordnung untersagt, beim Erstkontakt mit Patienten individuelle ärztliche Behandlungen ausschließlich über telemedizinischen Verfahren abzuwickeln. Bereits im letzten Jahr lockerten die Ärzte in Baden-Württemberg erstmals das Fernbehandlungsverbot für Modellprojekte, da dort die Patienten zunehmend auf telemedizinische Leistungen in der Schweiz auswichen. Mit der Entscheidung der Ärztekammer kann nun auch die Erstdiagnose und somit Krankschreibungen oder Arzneiverordnungen per Video-Chat oder Smartphone erfolgen.
So erklärt die Deutsche Gesellschaft für Telemedizin e. V. (DGTelemed) zur Lockerung des Fernbehandlungsverbots wenig überraschend zur Entscheidung: „Damit wurde der Grundstein für eine ausschließliche ärztliche Behandlung aus der Ferne gesetzt, denn die Berufsordnung untersagte Ärzten bis jetzt noch immer die ausschließliche telemedizinische Leistungserbringung.“
Nun seien beispielsweise auch Videosprechstunden auch außerhalb von Verlaufskontrollen bei bereits bekannten Patienten möglich. Die neue Regelung in der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) sehe künftig vor, dass Ärzte im Einzelfall auch bei ihnen noch unbekannten Patienten eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien vornehmen dürften.
DGTelemed Vorstandsmitglied Rainer Beckers erklärt dazu: „Die Lockerung des Fernbehandlungsverbots schafft Rechtssicherheit für die Ärzte und damit neue Möglichkeiten. Wir haben in Deutschland zukunftsweisende Lösungen und Projekte, denen der Schritt in die Regelversorgung nun erleichtert wurde. Ich glaube auch, dass sich viele Ärztinnen und Ärzte nun viel intensiver mit den digitalen Möglichkeiten beschäftigen werden, da eine rechtliche Hürde genommen wurde.“
Die Deutsche Gesellschaft für Telemedizin e. V. begrüßt daher diese lange geforderte Entwicklung, sieht jedoch auch weiteren Handlungsbedarf, „damit die Digitalisierung des Gesundheitswesens weiter voran schreiten kann“.
Ähnlich positiv sieht man die Entwicklung beim Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V. So erklärte Sebastian Zilch, Geschäftsführer des Verbands: „Die Lockerung des Fernbehandlungsverbots war längst überfällig. Telemedizinische Anwendungen und Onlinekonsultation von Ärztinnen und Ärzten ermöglichen im Zuge des demographischen Wandels eine flächendeckende, sektorübergreifende Gesundheitsversorgung. Die digitale Realität, die in anderen Bereichen bereits zum Alltag gehört, kann so auch in die Versorgung Einzug halten. Damit telemedizinische Leistungen so schnell wie möglich integraler Bestandteil der Versorgung werden, gilt es nun finanzielle Anreize zur Nutzung für zu schaffen. Ein Verbot zu lockern reicht alleine nicht aus, ist aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“
Noch bleiben aber einige Fragen ungeklärt. Darauf wies der Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz: „Es finden sich kaum noch Mediziner, die ins Haus kommen. Stattdessen soll es jetzt die Fernbehandlung am Computer richten.“ Für die meisten alten Patienten werde das nicht zu Verbesserungen führen. „Wenn ihnen die Kraft zum Arztbesuch fehlt, drohen sie so noch mehr abgehängt zu werden.“
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz kritisierte: „Nun wird Front gegen die Verbesserung der Terminservicestellen gemacht. Die Ärztevertreter sollten sich endlich wieder an ihre Ethik erinnern. Der Patient muss im Mittelpunkt stehen und nicht das Geld.“
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