Piraten setzen auf andere Politikinstrumente Was ist Liquid Democracy? Was ist Liquid Feedback?

Autor / Redakteur: Franz-Reinhard Habbel und Paul Wolter / Gerald Viola |

Ende April 2012 sorgte die Piratenpartei auf ihrem Bundesparteitag in Neumünster für Aufmerksamkeit in Politik, Medien und Öffentlichkeit. 1.500 Parteimitglieder saßen mit ihren vernetzten Laptops in einer großen Halle und arbeiteten erstaunlich geräuschlos ihre Aufgaben ab. Wie kommen Beschlüsse zustande? Wer ist antragsberechtigt?

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Piraten bringen neue Politikinstrumente nach Deutschland
Piraten bringen neue Politikinstrumente nach Deutschland
(Quelle: Franz-Pfluegl - Fotolia.jpg)

Die Piratenpartei ist in Deutschland angetreten, um unter anderem frischen Wind in politische Debatten zu bringen. Das Antrags- und Delegiertensystem der klassischen Parteien wird dabei weitgehend in Frage gestellt. Die Piratenpartei kennt keine Delegierten. Jedes Mitglied der Piratenpartei soll die Möglichkeit haben initiativ zu werden, Mitstreiter zu suchen und damit seine Anliegen durchzubringen.

Eine solche „Parteiarbeit von unten“ verzichtet auf Vorgaben von Vorständen und anderer Gremien, die oftmals von Delegierten nur noch zur Kenntnis genommen und „abgesegnet“ werden. Für diese Art unmittelbare Demokratie setzt man auf ein Verfahren, das als Liquid Democracy bezeichnet wird. Was verbirgt sich hinter dieser englischen Bezeichnung? Was ist mit „fließender Demokratie“ gemeint?

Wer in der politischen Debatte mitreden will, muss sich mit diesen neuen Verfahren auseinandersetzen. Dies wird auch die Arbeit der klassischen Parteien verändern.

Mit der Bezeichnung Liquid Democracy wird ein ganzheitliches Konzept beschrieben, das die grundlegenden Säulen unserer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie hinterfragt.

Dieses Konzept wurde im Zuge der neuen Möglichkeiten des Internetzeitalters überhaupt erst denkbar, ist jedoch noch kein ausgereiftes Projekt, das sofort praktisch umsetzbar wäre. Vielmehr befindet sich das Konzept selbst noch im liquiden Zustand und ist die Summe verschiedener Entwürfe.

Diese Entwürfe liegen jedoch nicht weit auseinander und haben alle gemein, dass sie sich in einem Kontinuum zwischen direkter und indirekter Demokratie bewegen und das Prinzip des Delegated Voting beinhalten. Delegated Voting beschreibt die Delegation des Stimmrechts, welches jedes Individuum der Institu­tion oder der Gesellschaft besitzt.

Man kann also entweder sein Stimmrecht selbst wahrnehmen oder es an eine Vertrauensperson weitergeben, die es ihrerseits wieder an eine nächste Vertrauensperson weitergeben kann. Auch der Entzug einer Delegation ist ständig möglich.

So entsteht ein jederzeit flüssiges Netzwerk an Delegationen. Motivation des Delegierens kann beispielsweise Unkenntnis oder Zeitmangel sein. Ein weiterer Aspekt des Delegierens ist, dass es auch bei großen Teilnehmerzahlen einen produktiven Diskurs ermöglicht.

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