Die Auswirkung einer Technologie auf den Begriff der „Staatlichkeit“ Thomas Hobbes und die Blockchain
Hat die Blockchain-Technologie – die derzeit schon die Vorstände von Traditionsbanken umtreibt – auch das Zeug, unser Verständnis von Staatlichkeit zu revolutionieren oder wird es bei der Etablierung Serviceleistungen der Verwaltungen beim „weiter-wie-bisher“ bleiben?
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Mit der zunehmenden Digitalisierung unseres Alltags sind wir in den letzten zwei Jahrzehnten mehrfach gezwungen worden, sehr grundsätzlich unsere Überzeugungen darüber zu überdenken, wie das gesellschaftliche Leben, Organisationen und Politik funktionieren. Unternehmen wie Netflix, Uber, Spotify oder Airbnb stellen tradierte und etablierte Geschäftsmodelle grundlegend in Frage.
Daneben belegen Projekte wie Linux, Ushahidi oder goVolunteer die Macht der Selbstorganisation. Den meisten dieser Innovationen gemein ist die Etablierung direkter Kooperations- und Transaktionsverbindungen – zuvor zwingend benötigte Mittler spielen plötzlich keine Rolle mehr. Mit Blockchain-Technologien drängen nun die nächsten Innovationen rapide in etablierte Strukturen.
Es hat sich das Ritual etabliert, jede neue Digitaltechnologie überschwänglich als Universalproblemlöser zu begrüßen und kaum vorstellbare Transformationen in sämtlichen Lebensbereichen mit beinahe gesetzmäßiger Sicherheit anzukündigen.
Und so werden auch Blockchain-Technologien von der überschwänglichen Erwartung begleitet, die Art und Weise wie Menschen und Organisationen kooperieren – natürlich – grundlegend zu verändern. Nichts weniger als das Wesen, mindestens aber die Rolle von Staatlichkeit stehen dieses Mal im Mittelpunkt der Transformationserwartungen. Ist nun nach der Musikindustrie, dem Hotel- oder dem Taxigewerbe nun der Staat an der Reihe, sich mit einer potenziell disruptiven Innovation konfrontiert zu sehen?
Die Relevanz von Blockchain-Technologien
Um die Relevanz der Blockchain-Technologie für Unternehmen und vor allem den Staat zu verstehen, bietet es sich in diesem Fall an, einige Schritte zurückgehen und das Thema historisch aus ideengeschichtlicher Perspektive zu erschließen. Wenn nun angeblich das Wesen und die Rolle von Staatlichkeit berührt werden, ist es für eine Einordnung und Bewertung hilfreich, den Weg zu den Ursprüngen des Staates zurückzuverfolgen.
Thomas Hobbes ist der Denker, mit dem wir diese grundsätzliche Frage nach Staatlichkeit verbinden. Sein Gesellschaftsvertrag löst das kollektive Aktionsproblem, indem er einerseits die Sanktionsgewalt auf den Staat, den Leviathan, überträgt und andererseits den Leviathan zur zentralen Instanz erklärt, der die Einhaltung von Verträgen zwischen den Bürgern der Gesellschaft garantiert. Die Kombination aus diesen beiden Wertversprechen war für die Menschen im Naturzustand nach Hobbes so attraktiv, dass sie bereit waren, ihre natürlichen Rechte an den Leviathan abzugeben und einen Gesellschaftsvertrag zu schließen.
Ganz praktisch führte das zu einer Staatlichkeit, die über eine professionelle, regelgebundene Verwaltung geprägt ist. Die wesentlichen Merkmale in Max Webers Bürokratiemodell – wie etwa Aktenmäßigkeit und eben jene Regelgebundenheit – sind zentral für die Eliminierung von Willkür im Verwaltungshandeln und die Schaffung von Legitimität. Die so häufig karikierten Hängeregister und ausladenden Archive sind Ausfluss genau dieser konstituierenden Prinzipien. Nur auf der allgemein anerkannten und universellen Wirksamkeit dieser Prinzipien kann der Staat die Rolle des neutralen Schlichters und des unparteilichen Intermediärs ausfüllen. Eine Beglaubigungsinstanz, der man nicht glaubt, ist wertlos.
Die Blockchain-Technologie gibt nun eine neue, interessante Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit einer solchen zentralen Richtinstanz. Sie kann das Einhalten und die Wirksamkeit von Verträgen ebenso beglaubigen wie Eigentums- und Verfügungsrechte, ohne aber dass eine zentrale Instanz dafür notwendig wäre. Und das ist radikal!
Mit Blockchain-Technologien können alle Transaktionen mit kryptografisch gesicherten Werten fixiert und über die kontinuierliche Fortschreibung deren historische Provenienz belegt werden. Der Economist bezeichnete Blockchain als „Vertrauensmaschine“.
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