Kommentar Stift, Papier und Fax: Kommt jetzt die Stunde der Digitalisierung?
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Warteschlangen, kurze Öffnungszeiten und unverständliche Formulare: Viel Bürger wünschen sich, ihre Verwaltungsangelegenheiten online erledigen zu können. Bei der Nutzung digitaler Dienstleistungen belegt Deutschland im europaweiten Vergleich aber regelmäßig nur einen Platz im hinteren Bereich. Ein Kommentar von Stéphane Paté.

Die Öffentliche Verwaltung ist geprägt von Routine, in der klar definierte Aufgaben oftmals noch analog abgearbeitet werden. Dieser Kosmos ist einerseits verlässlich und berechenbar, andererseits eben auch träge – denn Innovationen voranzutreiben gehörte bislang nicht zu den Hauptaufgaben von Behörden. Umwälzungen führen aber dazu, dass etablierte Prozesse und Methoden überdacht und neue Wege eingeschlagen werden müssen. Wie wird der öffentliche Sektor aus der Corona-Krise herausgehen? Werden die Amtsstuben und öffentlichen Einrichtungen digitaler sein als zuvor?
Fakt ist, es gibt kaum einen Bereich unseres Lebens, der nicht von den Folgen der Pandemie betroffen ist und von digitalen Lösungen profitiert hat. Dies gilt gerade für den öffentlichen Sektor – hier wurde mehr als deutlich, welchen Mehrwert die Digitalisierung für Bildung, Gesundheit, Versorgung und Bürgerservice liefert. Es wurden Schwachstellen aufgedeckt, die es nun zu adressieren gilt. Auf der anderen Seite gibt es viele Erfolgsgeschichten, die unkompliziert umgesetzt wurden. Gerade die Verwaltung steht vor gravierenden Umwälzungen – die Treiber sind rechtliche Vorgaben wie das Online-Zugangsgesetz für Fachverfahren, die wachsenden Nachfrage vieler Bürger nach digitalen Services sowie die praktischen Erkenntnisse aus der Pandemie und den Klimaschutzdiskussionen.
All dies spiegelt sich auch in Smart-City-Projekten wider, die langsam an Fahrt aufnehmen. Bei den Plänen zum Aufbau einer solchen Stadt müssen die Verantwortlichen alle wichtigen Handlungsfelder abdecken: Erstens intelligente Lösungen für Energie- und Wasserversorgung sowie Mobilität und Transport, um Städte nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten. Zweitens das Angebot digitaler Bürgerservices, damit unnötige Behördengänge wegfallen. Drittens die gesellschaftliche Teilhabe, um der Spaltung zwischen digital-affinen und weniger digital-affinen Bevölkerungsteilen entgegenzuwirken.
Durch die Digitalisierung im Gesundheitswesen wiederum bietet sich die Chance, Big Data in Smart Data zu verwandeln. Patientendaten können miteinander vernetzt und verknüpft werden, so dass Diagnosen schneller gestellt, Krankheiten besser überwacht, individuelle Therapiemöglichkeiten entwickelt sowie Ärzte und Pflegekräfte spürbar entlastet werden. Beispiele für digitale Technologien, die derzeit das deutsche Gesundheitssystem umkrempeln, gibt es viele: Das reicht von der elektronischen Patientenakte, um die bestehenden Dokumentations- und Kommunikationswege zu vereinfachen, über die Video-Sprechstunde und Messung von Gesundheitsdaten per App bis hin zur Auswertung radiologischer Bilder mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und OP-Roboter. Natürlich hat manches davon noch einen Leuchtturm-Charakter – trotzdem erreicht die digitale Transformation Stück für Stück Krankenhäuser, Arztpraxen und alle anderen Einrichtungen im Gesundheitswesen.
Die Mittel sind auf jeden Fall da, um längst nötige Innovationsvorhaben im Bereich Verwaltung, Bildung und Gesundheit in Angriff zu nehmen. Sowohl die deutsche Regierung als auch die Europäische Union greifen mit geplanten fiskalischen Anreizen ein, die in Deutschland 130 Milliarden Euro und auf europäischer Ebene 750 Milliarden Euro erreichen. Marktforscher gehen davon aus, dass allein in Deutschland rund 15 Prozent dieses Betrags für Investitionen in die digitale Transformation verwendet werden, hauptsächlich – aber nicht ausschließlich – im öffentlichen Sektor.
Erhebliche Investitionen werden vor allem im Bereich der staatlichen Transformation erwartet. Hinzu kommen rund fünf Milliarden Euro aus dem DigitalPakt Schule für die Modernisierung der Bildung und vier Milliarden Euro aus dem Krankenhauszukunftsfonds, um Einrichtungen des Gesundheitswesens bei den Themen Digitalisierung und IT-Sicherheit unter die Arme zu greifen. All diese Pakete zusammen stellen eine der größten Möglichkeiten für die Transformation des öffentlichen Sektors seit der deutschen Wiedervereinigung dar.
Die Corona-Zeit stellt eine Zäsur dar. Wir müssen unser Denken und Handeln jetzt langfristig ändern und sicherstellen, dass wir nicht in wenigen Monaten wieder in den alten Trott zurückfallen. Vielmehr sollten wir den Digitalisierungsschub nutzen, denn spätestens jetzt sollte allen klar sein: Ein digitaler Staat und digitale Prozesse sind die Grundlage für eine zukunftsfähige Gesellschaft.
*Der Autor: Stéphane Paté Senior Vice President und General Manager, Dell Technologies Deutschland
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