IT-Trends OZG-Infos erreichen Entscheider nicht
Capgemini hat seine Studie IT-Trends 2019 vorgelegt. Darin werden auch die IT-Trends für den Public Sector unter die Lupe genommen. eGovernment sprach mit Marc Reinhardt von Capgemini über die Schlussfolgerungen, die sich aus der Studie ergeben.
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Herr Reinhardt, die Studie IT-Trends 2019 weist für den Erfolg öffentlicher IT- beziehungsweise eGovernment-Projekte sinkende Werte aus. Gleichzeitig spricht die Studie aber auch von großen Erfolgen. Wie kommt es zu diesem offensichtlichen Widerspruch?
Reinhardt: In der Tat halten die Studienteilnehmer der Öffentlichen Verwaltung – ebenso wie die der Wirtschaft – die Fortschritte in der Digitalisierung für etwas weniger erfolgreich als im Vorjahr. Der Mittelwert sank von 2,58 auf 2,81 (auf einer Skala von 1 – sehr großer Erfolg – bis 5 – gar kein Erfolg).
Dieser Einschätzung liegt vermutlich zugrunde, dass die Öffentliche Verwaltung heute viel besser verstanden hat, welches Niveau die Nutzererfahrung haben muss, um die Akzeptanz bei den Bürgern und Unternehmen zu steigern. Es ist wie mit dem Rudern gegen den Strom, auch wenn man schnell rudert, kann man zurückfallen. Gleichwohl nennen die Teilnehmer der Öffentlichen Verwaltung auf konkrete Nachfrage durchaus erfolgreiche Digitalisierungsbemühungen, die aber als einzelne Leuchttürme immer noch isoliert in der Landschaft stehen. Um die Gesamtwahrnehmung von eGovernment zu verbessern, müssen die Angebote nicht nur gut, sondern auch konsistent und flächendeckend verfügbar sein.
Vielen Entscheidern in den Öffentlichen Verwaltungen sind die Inhalte von OZG und SDG nicht oder nur unzureichend bekannt. Offensichtlich fehlt es also an Aufklärung. Was könnten BMI und IT-Planungsrat hier tun?
Reinhardt: Die Informationen zur OZG-Umsetzung – wohlgemerkt der Vollzug eines nationalen Gesetzes, das gleichzeitig die SDG-Verordnung der EU umsetzt – haben nach Einschätzung der Studienteilnehmer bislang deutlich weniger als die Hälfte der wichtigsten Entscheider in ihren Organisationen erreicht. Das ist alarmierend – auch deswegen, weil dieser große nationale eGovernment-Kraftakt nicht nur die Arbeit der Verwaltung und ihre Wahrnehmung in der Bevölkerung , sondern das Verhältnis von Staat und Bürgern als solches nachhaltig verändern wird. Die OZG-Umsetzer in Bund und Ländern sollten daher die Entscheider auf allen Verwaltungsebenen gezielter adressieren und die Relevanz dieses gemeinsamen Projektes für die moderne Verwaltung und die Bürger in den Vordergrund rücken.
Mit ersten Implementierungserfolgen könnten BMI und IT-Planungsrat verdeutlichen, welchen konkreten Nutzen die Umsetzung von SDG und OZG für die Verwaltung selbst hat. Denn nur wer diesen Nutzen für seine Organisation kennt, ist auch bereit, zum Gelingen des Gesamtvorhabens beizutragen. Bund und Länder allein können eine erfolgreiche Umsetzung des OZG nicht garantieren, da viele Leistungen auf kommunaler Ebene erbracht werden. Dorthin, in die Fläche, müssen auch die Informationen fließen. Das gelingt nur, wenn Landesverbände, Kammern und kommunale IT-Dienstleister einbezogen und die Kommunikationsmittel auch auf sie zugeschnitten werden.
Die Studie bemängelt die langsame Umsetzung bei beiden Projekten und schlägt zur Beseitigung eine verstärkte Nutzung von Querschnittskomponenten vor. Heißt das, die Blaupausenstrategie von BMI und IT-Planungsrat funktioniert nicht? Wo liegen die Fehler?
Reinhardt: Zwar werden tatsächlich bereits Querschnittskomponenten entwickelt und als Blaupausen eingesetzt, allerdings noch nicht konsequent genug. Das dürfte daran liegen, dass zwei widerstreitende Ziele parallel verfolgt werden: Zum einen möglichst schnell vorzeigbare Ergebnisse zu erzielen, zum anderen bis 2022 alle Leistungen online zur Verfügung zu stellen. Im Sinne der schnellen, vorzeigbaren Ergebnisse ist es wichtig und richtig, politisch relevante oder häufig genutzte Verfahren zu priorisieren. Im Sinne des schnellen Erfolges ist es verkraftbar, diese einzelnen Leistungen auch in Individualansätzen zu digitalisieren.
Für die ganze Breite des Leistungsspektrums kann das aber kein Weg sein – hier können Blaupausen helfen, mittel- und langfristig die schnelleren und größeren Gesamtfortschritte zu erreichen. Es ist also absolut sinnvoll, Baumuster und Querschnittskomponenten zu identifizieren und zu implementieren, die in möglichst vielen Fällen eingesetzt werden können. Eine solche Strategie kostet zwar zu Beginn etwas mehr Zeit, spart durch Synergien im weiteren Verlauf allerdings ein Vielfaches dieses anfänglichen Mehraufwands ein. Anders ist das Ziel, bis 2022 möglichst viele – im Idealfall alle – Leistungen online zur Verfügung zu stellen, nicht zu erreichen.
Laut Studie hat die Öffentliche Verwaltung Probleme mit der zunehmenden Komplexität ihrer IT-Anwendungen. Was bedeutet das – um auf den Haupttitel der Studie „Intelligente Technologien“ zurückzukommen – für den Einsatz solcher Systeme? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die IT-Organisation und die IT-Konsolidierung?
Reinhardt: Die Komplexität der Anwendungslandschaft wächst, da die Digitalisierung sie nach außen für Bürger und Unternehmen öffnet sowie neue Lösungen und Services hinzukommen, aber kaum bestehende Funktionalitäten und Anwendungen entfallen. Durch die Öffnung kommen Schnittstellen hinzu, die Nutzerfreundlichkeit sowie eine lückenlose Servicebereitstellung werden sehr viel wichtiger; gleichzeitig steigen die Herausforderungen hinsichtlich der Sicherheit und eines stabilen IT-Betriebs.
Um diese Anforderungen zu meistern, setzt die Öffentliche Verwaltung auch heute schon intelligente Technologien zur Automatisierung ein, beispielsweise Bots zur schnellen Bereitstellung von Entwicklungs- und Produktionsumgebungen auf Basis von Cloud-Plattformen. Diese unterstützen den Einsatz agiler Arbeitsweisen inklusive der Einführung und des Ausbaus von DevOps. Intelligente Technologien nutzt auch die Öffentliche Verwaltung vorrangig, um wiederkehrende Aufgaben mit geringerem Wertbeitrag zu automatisieren – mit dem Ziel, die Mitarbeiter von solchen Aufgaben zu entlasten oder für andere frei zu machen.
Dazu gehören neben einzelnen Ansätzen von Machine Learning auch der zunehmende Einsatz von Robotic Process Automation (RPA). Für die IT-Organisation bedeutet das, dass sie sich viel früher mit neuen und innovativen Technologien auseinandersetzen muss, als das bisher der Fall war. Dafür sollte sie auch entsprechende Fähigkeiten und Funktionen des Innovationsmanagements haben. Die IT-Konsolidierung hilft hierbei, denn zu kleine Einheiten können das nicht leisten.
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