Untersuchung zur Verwaltungsreform Mitarbeiterorientierung als Basis der Modernisierung
Dass Verwaltungsmodernisierung auch unter den Bedingungen schmerzhafter Sparauflagen erfolgreich gestaltet werden kann, hat das 1996 gebildete Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) bei der Erneuerung der Landessozialverwaltung bewiesen. In einem von der Politik vorgegebenen Modernisierungszeitraum von 1996 bis 2005 hat das Landesamt die Einsparauflage von dreißig Prozent des Personals – 297 Vollzeitstellen – erfüllt.
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Dabei wurden zwei Landesämter zu einem zusammengefasst und neue Aufgaben von den ehemaligen Bezirksregierungen sowie den vorgesetzten Ministerien übernommen. Damit ist nicht nur eine formale Vereinigung gelungen, sondern es ist eine neue Behörde mit einem gelebten Wir-Gefühl entstanden. Wichtig war außerdem, dass die Qualität der Arbeit gesichert und die Kundenzufriedenheit auf dem gewohnten hohen Niveau gehalten werden konnte. Der Schlüssel zu diesem nachhaltigen Erfolg war die Beteiligung der Mitarbeiter. Das Landesamt hatte zudem das Glück, von der Politik einen vernünftigen Zeitrahmen eingeräumt zu bekommen. Der Umbau wurde maßgeblich selbst gestaltet, wobei das LSJV das innovative Potenzial seiner Mitarbeiter nutzen konnte. Sie waren also nicht Opfer eines ihnen aufgezwungenen Prozesses. Vielmehr hatten sie die Gelegenheit, mit ihren Ideen zu einem guten Ergebnis beizutragen.
Ein Grundgedanke im Modernisierungsprozess war, dass möglichst viele Vorhaben selbst angepackt und umgesetzt werden sollten. Externe Unterstützung sollte nur dort eingeholt werden, wo dem Landesamt der Sachverstand fehlte und mit vertretbarem Aufwand nicht aufgebaut werden konnte. Für fast alle Modernisierungsfelder konnten einzelne Mitarbeiter begeistert werden. Über Schulungen, den Austausch mit anderen Behörden oder gezieltes Coaching machten sich die Mitarbeiter so fit, dass sie das Handwerkszeug für die Umsetzung der Modernisierung in guter Qualität beherrschten. Dies brachte den Vorteil, dass kein zusätzliches Personal für die Umsetzung der umfangreichen und sehr komplexen Modernisierungsvorhaben benötigt wurde, sondern eine Projektstruktur mit einem interessierten Mitarbeiterstamm aufgesetzt werden konnte. Ein positiver Nebeneffekt war dabei, dass das Budget geschont wurde. Das LSJV musste aber auch erkennen, wo die eigenen Grenzen liegen – etwa bei der Erstellung des Pflichtenheftes oder Feinkonzeptionen – und hat dann externen Sachverstand eingebunden.
KLR als Baustein der Modernisierung
Das Erfassen der Kosten und die Rechenschaft über den Zielerreichungsgrad öffentlichen Verwaltungshandelns ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Verwaltungserneuerung. Dies gilt besonders für eine Leistungsverwaltung wie das Landesamt. Verwaltungsmodernisierung und der Weg zum Erfolg wird dann für alle klar, wenn verlässliche Daten vorhanden sind, die verdeutlichen, warum ein bestimmter Reformschritt unumgänglich ist.
Der Schlüssel dazu liegt in einer nachvollziehbaren Bewertung von Verwaltungsleistungen durch die Kosten- und Leistungsrechnung. Sie eröffnet interne Vergleiche und macht nutzbare Ressourcen sichtbar. Deshalb hat das rheinland-pfälzische Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung sehr früh mit der Modernisierung des Rechnungswesens begonnen und seine Möglichkeiten genutzt. Bereits zum 1. Januar 1999 wurde im LSJV ein EDV-gestütztes Materialbestellwesen installiert, das seit dem Jahr 2000 als Grundlage für die Aufstellung von Budgets dient. Das Bestellwesen beinhaltet die Festlegung von Kostenstellen und Kostenarten und ist somit als „Bote einer Kosten- und Leistungsrechnung“ zu sehen. Auf diese Weise wurde schon zu einem frühen Zeitpunkt eine Basis für die Einführung der KLR geschaffen, da für die Mitarbeiter, die im Rahmen der Budgetierung mit Kostenstellen- und Kostenartenrechnung vertraut gemacht wurden, lediglich noch die Kostenträgerrechnung im Rahmen der KLR-Einführung hinzukam.
Die KLR-Einführung
Zunächst wurde innerhalb des Landesamtes eine Projektgruppe gebildet, in der möglichst alle Ebenen und Bereiche des Landesamtes eingebunden und der betriebswirtschaftliche Sachverstand gebündelt wurden. Vertreter aller Abteilungen, des Personalrats und auch der Ämter für soziale Angelegenheiten erstellten gemeinsam ein Konzept für die Einführung der KLR. Dieses Konzept wurde zur Überprüfung an eine Unternehmensberatung weitergereicht, die im Auftrag des LSJV eine Feinkonzeption mit Pflichtenheft erstellte. Dies bildete die Basis für eine europaweite Ausschreibung für die passende Anwendungssoftware. Aufgrund dieser Ausschreibung wurde schließlich die MACH AG mit Sitz in Lübeck mit der Lieferung der Software beauftragt. Dazu zählt auch die Anwendung, mit deren Hilfe die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit auf Produkte buchen. Man entschied sich dabei für eine webbasierende Anwendung, die auch über das Intranet des Landesamtes zugänglich ist.
Akzeptanzuntersuchung zu einem sehr frühen Zeitpunkt
Als von einer Diplomandin der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung Mayen / Rheinland-Pfalz die Anfrage kam, eine Befragung zur Akzeptanz der Kosten- und Leistungsrechnung aus Mitarbeitersicht im Rahmen einer Seminararbeit durchzuführen, hat sich das Landesamt entschlossen, dieses Vorhaben zu unterstützen, um Rückschlüsse zum eigenen Vorgehen zu erhalten und den Erfolg des mitarbeiterorientierten Ansatzes beurteilen zu können. Allerdings ist eine solche Befragung zu einem Zeitpunkt, an dem eine innerbetriebliche Veränderung gerade erst stattgefunden hat, nicht unproblematisch. Denn häufig reagieren Mitarbeiter bei Veränderungen zunächst abwehrend.
Als Umfragemethode wurde das Einzelinterview ausgewählt. Grundlage dafür war ein Frage-Leitfaden, der vom Interviewer aufgrund der ihm gegebenen Antworten ausgefüllt wurde. Die Befragten wurden zufällig ausgewählt, wobei darauf geachtet wurde, eine möglichst ausgewogene Gruppe an Befragten zu erhalten, in denen alle Altersgruppen und Laufbahnen vertreten waren. Befragt wurden 51 Mitarbeiter des LSJV am Standort Mainz. Die Befragten kamen aus den Abteilungen 3 (Landesjugendamt), 4 (Soziales / Integrationsamt) und 6 (Qualitätssicherung im Sozialen Bereich). Beschäftigte der Zentralabteilung wurden nicht befragt, um den Vorwurf einer Beeinflussung möglichst zu vermeiden, da diese die für die Einführung der KLR verantwortliche Abteilung war.
Der mitarbeiterorientierte Ansatz mit einer klaren Projektorganisation und einer umfassenden, aktiven Kommunikation hat sich für das LSJV offensichtlich bezahlt gemacht. Denn rund 55 Prozent der Mitarbeiter fühlten sich über die Einführung der KLR gut informiert, etwa 39 Prozent gaben an, einigermaßen gut informiert gewesen zu sein. Eher schlecht informiert fühlten sich nur knapp 6 Prozent der Befragten.
Zeiterfassung über die Web-Anwendung
Ein Argument, das gegen Neuerungen wie die Einführung einer KLR mit einer Zeitbuchung der Mitarbeiter auf deren jeweilige Produkte sprechen könnte, ist der Zeitfaktor. Naturgemäß ist kein Mitarbeiter über zusätzliche Aufgaben erfreut. Wenn diese noch viel Zeit in Anspruch nehmen, stellt sich schnell die Frage nach dem Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Daher wurden die Mitarbeiter danach gefragt, wie viel Zeit die tägliche Erfassung bei ihnen in Anspruch nimmt. Hier gaben 86,3 Prozent der Beschäftigten an, weniger als fünf Minuten zu benötigen. 13,7 Prozent veranschlagten fünf bis zehn Minuten. Da für mehr als vier Fünftel der Befragten auf die tägliche Erfassung ihrer Tätigkeiten eine Zeitdauer von weniger als fünf Minuten entfällt, und keiner der Befragten mehr als zehn Minuten für die tägliche Erfassung benötigt, kann mit Sicherheit nicht von einem unzumutbaren oder unwirtschaftlichen Aufwand ausgegangen werden. Eine weitere Frage beschäftigte sich damit, wie zufrieden die Mitarbeiter mit der Bedienung der Software sind.
Dabei äußerte sich mit 54,9 Prozent die absolute Mehrheit der Befragten als äußerst zufrieden, 37,3 Prozent gaben an, teilweise zufrieden zu sein, nur 7,8 Prozent zeigten sich unzufrieden. Die Akzeptanz, die die webbasierende Zeiterfassung hier erfährt, ist für ein neu eingeführtes Computerprogramm erstaunlich hoch. Ebenso spricht die kurze Bedienungsdauer für die Bedienungsfreundlichkeit des Programms.
Sinn und Notwendigkeit der KLR
Die Gretchenfrage der Untersuchung wurde aufgeteilt: Ob die Implementierung des betriebswirtschaftlichen Instruments KLR sinnvoll sei, wurde getrennt für den Bereich der Öffentlichen Verwaltung allgemein und für den Bereich des LSJV im Speziellen abgefragt. Mit 66,7 Prozent bejahten mehr als zwei Drittel der Befragten den Sinn der Einführung der KLR im Öffentlichen Sektor.
Das ist ein Ergebnis, das in dieser Deutlichkeit nicht erwartet werden konnte. Daher wurden die Mitarbeiter ganz konkret gefragt, ob sie es grundsätzlich sinnvoll finden würden, dass die KLR im LSJV eingeführt wird. Interessant ist, dass bei dieser Frage der Anteil der Zustimmung exakt gleich bleibt. Die Anzahl der Kritiker erhöht sich hingegen von 7,8 auf 15,7 Prozent. Allerdings übertrifft die Anzahl derer, die betriebswirtschaftliche Messinstrumente und den Bereich der Sozialverwaltung als durchaus kompatibel betrachten, die Anzahl der Kritiker um mehr als das Vierfache. Abgefragt wurde schließlich auch, ob sich die positive Einstellung auch auf die tatsächliche Umsetzung erstreckt. Eine identisch hohe Zustimmungsrate konnte hierbei nicht erwartet werden. Auf die Frage, wie zufrieden sie mit der Umsetzung der KLR im LSJV sind, antworteten 41,2 Prozent mit „sehr zufrieden“, 35,3 Prozent mit „teilweise zufrieden“ und 23,5 Prozent mit „nicht zufrieden“. Aufgrund des kurzen Einsatzzeitraumes der KLR ist die Zustimmung der relativen Mehrheit zu dieser Frage ein beachtliches Ergebnis.
Mitarbeiterorientierung zahlt sich aus
Aufgrund der Ergebnisse kann man zu dem Schluss gelangen, dass die Einführung der KLR im LSJV – was die Einstellung der Mitarbeiter zu diesem Veränderungsprozess angeht – sehr erfolgreich verlaufen ist. Dies ist sicherlich auch den Vorarbeiten zu verdanken, die im Rahmen des Modernisierungsprozesses zur KLR hinführten. Auch konnte mithilfe der Befragung das Vorurteil widerlegt werden, dass gerade die Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes Neuerungen besonders skeptisch gegenüber stehen und Veränderungen generell und pauschal ablehnen. Wichtig ist, dass stetig an der Kommunikation weitergearbeitet wird und man sich sowohl auf der Führungs- als auch auf der Mitarbeiterebene offen gegenüber Vorschlägen zeigt sowie diese konstruktiv miteinander umsetzt. Mit der Gründung einer Taskforce oder der Einrichtung eines Intranetforums sowie vielen Berichten in der LSJV-Mitarbeiterzeitung gibt es bereits gute Beispiele.
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Link: Homepage der MACH AG
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