Digitale Agenda Ein Großteil der Vorhaben noch nicht umgesetzt
Harsche Kritik übt der eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. an der Umsetzung der Digitalen Agenda. Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl sind große Teile der Agenda durch die Bundesregierung nicht umgesetzt, so der Verband in seinem Barometer Netzpolitik. Es gebe dringenden Handlungsbedarf.
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So konnten im vergangenen Halbjahr die zuständigen Ministerien im Vergleich zum vorherigen Halbjahr nur wenige weitere Punkte der im Jahr 2014 vorgestellten Digitalen Agenda 2014-2017 als erledigt abhaken, heißt es im Barometer, der seit der Vorstellung der Digitalen Agenda halbjährlich veröffentlicht wird.
Über die Hälfte der untersuchten 45 Vorhaben seien entweder noch in Arbeit (44 Prozent, beziehungsweise 20 Vorhaben) oder noch gar nicht angegangen (16 Prozent, beziehungsweise sieben der untersuchten Vorhaben). „Die Regierung hat erkannt, wie wichtig das Thema Digitalisierung ist und treibt viele Vorhaben voran“, sagt Oliver Süme, Vorstand Politik & Recht beim eco.
„Allerdings ist ein Großteil der definierten Aufgaben noch nicht umgesetzt und natürlich ergeben sich im Zuge des Digitalisierungsprozesses auch ständig neue Fragen, auf die der Gesetzgeber Antworten finden muss. Wichtig ist jetzt, dass sich die Regierung nicht zurücklehnt und in den Wahlkampfmodus schaltet“, dringenden Handlungsbedarf gebe es beispielsweise beim Thema Urheberrecht und Datenschutz, so Süme.
Wichtige Fortschritte
Einen wichtigen Fortschritt sieht eco dagegen in der Abschaffung der WLAN-Störerhaftung. Der Bundestag habe hier nach langem Hin und Her ein Gesetz beschlossen, dass Anbietern öffentlicher WLAN-Hotspots mehr Rechtssicherheit verschaffe und damit die Verbreitung von mobilem Internet fördere.
Erfreulich sei in diesem Zusammenhang aus Sicht der Internetwirtschaft auch, dass die ursprünglich im selben Gesetz vorgesehene Verschärfung der Host-Provider-Haftung wieder gestrichen wurde.
Auch beim Thema Netzneutralität gibt es nach eco-Ansicht Fortschritte und nennt in diesem Zusammenhang die Anfang Juni dem Gremium europäischer Regulierungsbehörden für elektronische Kommunikation (BEREC) vorgelegten Leitlinienentwurf, mit dem die Bundesregierung die EU-Verordnung Digitaler Binnenmarkt und Netzneutralität (VO/2015/2120) vom Oktober konkretisieren will.
„Der Entwurf könnte zu einer Versachlichung der Diskussion führen, da er das Potenzial hat, die Interessen von Internetzugangsanbieter und Endnutzern, Verbrauchern sowie Inhalte- und Applikationsanbietern in Ausgleich zu bringen“, so der Verband. Ausdrücklich wird das klare Bekenntnis zur Netzneutralität, zum Best-effort-Prinzip und zum Endkundenschutz begrüßt.
Die Anforderungen in Bezug auf Zero-Rating, Spezialdienste und Transparenzmaßnahmen bewertet eco als zu streng. Sie stellen für Anbieter von Internetzugangsdiensten zum Teil sehr hohe Hürden dar. Ihre Einhaltung werde es sehr schwer machen, Produkte mit Zero-Rating oder Spezialdienste wirtschaftlich sinnvoll anzubieten.
Handlungsbedarf bei Urheberrechtsreform, Datenschutz und Infrastruktur
Die größten Baustellen sieht eco jedoch nach wie vor bei den Themen Urheberrechtsreform, Datenschutz und Infrastruktur. „Im völlig veralteten Urheberrecht muss die Politik noch viel stärker auf eine EU-weite Modernisierung drängen und sicherstellen, dass diese nicht in die falsche Richtung läuft – wie bei den aktuellen Überlegungen zum EU-Leistungsschutzrecht“, sagt Oliver Süme.
Weitere Aufgaben ergeben sich für die Bundesregierung auch im Zusammenhang mit der im April dieses Jahres offiziell vom Europäischen Parlament verabschiedeten Datenschutz Grundverordnung. Die Mitgliedstaaten haben sich dabei unter anderem auf folgende Punkte geeinigt: Marktortprinzip, Nutzereinwilligung, Portabilität, Privacy by Design, Recht auf Vergessenwerden. Diese Punkte muss der Gesetzgeber nun bis 2018 in nationales Recht umsetzen. Die Bundesregierung sollte hier vorhandene Spielräume nutzen und nicht durch überbürokratisierte Regelungen Innovation und neue Dienste gefährden.
Auch im Handlungsfeld Digitale Infrastruktur, gibt es nach Ansicht des eco noch viel zu tun. Nach wie vor fehle ein überzeugendes ambitioniertes Konzept für den flächendeckenden Breitbandausbau, auch wenn zuletzt immerhin die finanzielle Förderung angehoben wurde.
„Der Breitbandausbau ist und bleibt das wichtigste Infrastrukturprojekt in den nächsten zehn Jahren. Das derzeitige Ziel flächendeckender Übertragungsgeschwindigkeiten von 50 Mbit/s bis 2018 ist wichtig, aber nur ein Zwischenschritt. Der Ausbau der Netze muss auch nach 2018 entschieden weiter vorangetrieben werden. Deutschland braucht eine Gigabitinfrastruktur, wenn wir weltweit nicht den Anschluss verlieren wollen“, sagt eco Vorstand Oliver Süme.
Eine ausführliche Analyse der einzelnen Handlungsfelder der Digitalen Agenda finden Sie hier.
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