Organisatorische Resilienz bestimmt Zukunftsfähigkeit von Behörden Corona-Krise als Chance zur Neugestaltung
Es muss nicht immer Corona sein, schließlich ist das Leben reich an unliebsamen Überraschungen. Dennoch hat die Pandemie gezeigt, wie wichtig das Thema Resilienz für Öffentliche Verwaltungen ist. Bleibt die Frage, wie lässt sie sich erzielen?
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Die Überraschung über Ausmaß und Folgen der Corona-Krise hat alle getroffen: die öffentliche Hand, Wirtschaftsunternehmen und die Bürger. Das neue Corona-Virus und die Maßnahmen, die gegen seine epidemische Verbreitung ergriffen werden mussten, haben unseren Alltag erheblich verändert. Der alte Normalzustand scheint noch in weiter Ferne. Ein Business as usual dürfte sich erst einstellen, wenn allgemein verfügbare Impfstoffe und Medikamente der Covid-19-Pandemie ihren Schrecken nehmen.
Nur ist fraglich, ob der alte Normalzustand überhaupt wiederherzustellen sein wird. Wahrscheinlich werden die Erfahrungen der Corona-Krise die Gesellschaft dauerhaft verändern. Die Krise hat die Rahmenbedingungen, unter denen Organisationen handeln, deutlich verschoben. Sie hat Potenziale aktiviert, die vorher kaum denkbar schienen, und sie hat bestehende technologische Trends wie den zur Digitalisierung weiter verstärkt. Etliche Maßnahmen, die schnell umgesetzt werden mussten, werden auch in Zukunft bedeutsam bleiben – von flexiblen Home-Office-Optionen über zeit- und ressourcenschonende Webmeetings bis hin zur Digitalisierung des Schulunterrichts.
Die Krise als Weckruf zur Veränderung
Auch für die Öffentliche Verwaltung ist es daher nicht damit getan, kurzfristig auf die Herausforderungen zu reagieren, vor die sie die Krise gestellt hat. Vielmehr kommt es darauf an, die dauerhaften Veränderungen und künftigen Umwälzungen bewusst zu reflektieren, um proaktiv den neuen Normalzustand mitzugestalten. Jede Krise birgt auch eine Chance. Um sie zu nutzen, gilt es, die Beschleunigung der Veränderungen in der Gesellschaft zu akzeptieren und die eigene Organisation so aufzustellen, dass sie zukünftigen Entwicklungen und Krisen gewachsen ist.
Behörden, die erst dann auf Krisen zu reagieren beginnen, wenn diese bereits eingetreten sind, sind zum Scheitern verurteilt. Die Volatilität unserer Zukunft verlangt von Organisationen die Fähigkeit, sich verändernde Rahmenbedingungen rasch zu erkennen, sie zu antizipieren und auf diese Veränderungen proaktiv zu antworten. Wenn die Corona-Krise eines verdeutlicht hat, dann die herausragende Bedeutung organisatorischer Resilienz. Die Krise ist also auch ein Weckruf.
Das Konzept der Resilienz
Der Begriff der Resilienz (vom lateinischen resilire: ab- oder zurückprallen) stammt ursprünglich aus dem Kontext der Psychologie. Psychologische Resilienz bezeichnet eine individuelle Widerstandsfähigkeit, die es einem Menschen gestattet, Krisen durchzustehen und sogar als Motor für die eigene Weiterentwicklung zu nutzen. Resilienz ist aus Sicht der Psychologie allerdings nicht angeboren – Resilienz ist etwas, das wir erlernen und an dem wir ein Leben lang arbeiten. Auch unterschiedlichste andere Wissenschaften haben das Konzept aufgenommen.
So bezeichnet Resilienz in der Soziologie die Widerstands- und Regenerationsfähigkeit von Gesellschaften gegenüber äußeren Risiken und Belastungen, wohingegen die Werkstoffwissenschaft Resilienz als die Fähigkeit eines Materials definiert, Energie durch elastische Verformung – und damit ohne Beschädigung – aufzunehmen und wieder abzugeben.
Organisatorische Resilienz
Seit einigen Jahren wird das Konzept der Resilienz immer häufiger auch dazu genutzt, die Widerstandsfähigkeit von Organisationen zu beschreiben. Disruptionen, technologische Fortschritte und die sich immer weiter beschleunigende Digitalisierung definieren das Umfeld, in dem sich auch Behörden heutzutage bewegen und sich angesichts von Wandel und Volatilität als belastbar und widerstandsfähig erweisen müssen. Die British Standards Institution (BSI) definiert unter ihrem Standard BS65000(2014) Organisatorische Resilienz als die „Fähigkeit einer Organisation, auch in einem komplexen und dynamischen Umfeld den Wandel zu antizipieren, zu überleben und zu wachsen“.
Um als Behörde in Krisen widerstandsfähig zu bleiben, reicht es nicht aus, Risikomanagement zu betreiben. Vielmehr gilt es, Veränderungen und Risiken richtig zu antizipieren. Nur dann lassen sie sich in Chancen verwandeln. Organisatorische Resilienz setzt genau dort an und zielt darauf ab, einen ganzheitlichen Blick auf Organisationen zu entwickeln, der es ermöglicht, die Chancen zu erkennen, die sich durch Risiken eröffnen. So verstanden ist organisatorische Resilienz also die grundsätzliche Fähigkeit einer Organisation, agil und flexibel zu reagieren und sich fortwährend an Veränderungen anzupassen. Resilienz ist die strategische Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit.
Der ganzheitliche Blick auf die Behörde
Der beschriebene ganzheitliche Blick auf eine Organisation muss sicherstellen, dass sich die Mechanismen, Prozesse, Systeme und Menschen einer Behörde in die gleiche Richtung bewegen. Die innere Haltung und der Zusammenhalt von Führungskräften und Mitarbeitern durch gemeinsame Werte und Visionen sind grundlegend dafür, die Resilienz zu kultivieren. Das klingt möglicherweise komplex. Die gute Nachricht ist allerdings: Ebenso wie Menschen Resilienz erlernen können, sind auch Behörden dazu in der Lage.
Der Aufbau von Resilienz ist dabei kein terminierbares Projekt, sondern eine Fähigkeit, die mit der Zeit erworben und kontinuierlich praktiziert werden muss. Sie ist ein Prinzip, das von Organisationen internalisiert und von allen Beteiligten gelebt sein muss. Zudem hat die aktuelle Krise verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Mitarbeiter ganzheitlich zu betrachten und sie nicht auf ihre funktionale Rolle zu reduzieren.
Die Verunsicherung und den psychischen Druck durch die Corona-Krise haben wir alle deutlich gespürt. Ein ganzheitlicher Blick auf die öffentliche Verwaltung nimmt darum auch die Mitarbeiter mit all ihren Belangen in den Blick, um Resilienz aufzubauen.
Neun konkrete Schritte und Best Practices
Die British Standards Institution (BSI) hat nicht nur mit ihrem Standard BS65000(2014) das Konzept der organisatorischen Resilienz definiert, sondern 2017 mit der ISO 22316 auch einen Leitfaden veröffentlicht, der zeigt, mit welchen Schritten Organisationen ihre Resilienz stärken können. Diese ISO-Norm mit dem Titel „Security and resilience – Organizational resilience – Principles and attributes“ definiert Richtlinien, die einen konzeptionellen Rahmen schaffen, den Organisationen ihren Bedürfnissen entsprechend anpassen können. Auf Basis dieser Richtlinien und eigener langjähriger sowie branchenübergreifender Erfahrung haben wir die folgenden neun konkreten Grundsätze für die Verankerung organisatorischer Resilienz in der öffentlichen Verwaltung oder im Unternehmen formuliert (siehe den Kasten oben rechts auf der Seite).
Die Krise hat gezeigt, wie volatil unser Umfeld sein kann. Sie ist der Anlass, sich Gedanken über die prinzipielle Widerstands- und Anpassungsfähigkeit der eigenen Organisation zu machen. Auch in der Öffentlichen Verwaltung ist es die organisatorische Resilienz, die über die Zukunftsfähigkeit entscheidet. In Krisen und danach.
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