Koalitionsvertrag Bremen setzt auf „User First“

Autor / Redakteur: Franz-Reinhard Habbel, Publizist & Beigeordneter a.D. des DStGB / Manfred Klein

Erstmals bilden die SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE in Bremen ein Regierungsbündnis. Welchen Stellenwert hat darin die Digitalisierung? Unser Autor Franz-Reinhard Habbel liefert die Antwort im Twitterformat.

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Die Rot-Rot-Grüne-Koalition hat sich ein umfangreiches Digitalisierungsprogramm gegeben
Die Rot-Rot-Grüne-Koalition hat sich ein umfangreiches Digitalisierungsprogramm gegeben
(© Nikolay N. Antonov – stock.adobe.com)

Die Vereinbarung zur Zusammenarbeit betrifft die Zeit von 2019 - 2023. Vier Jahre sind in der IT-Technologie eine lange Zeit. Mit atemberaubender Geschwindigkeit entstehen neue Dienstleistungen, Startups stellen ganze Branchen auf den Kopf, die Kommunikation verändert sich vollständig. Mittendrin in dieser Entwicklung befinden sich Politik und Verwaltung. Bis Ende 2022 soll das Online-Zugangsgesetz umgesetzt sein. 575 Dienstleistungen stehen dann digital zur Verfügung. Gerade im Bereich der Digitalisierung stellt sich die Frage nach der Relevanz solcher Koalitionsvereinbarungen.

Die vereinbarten Inhalte werden in aller Regel zwar abgearbeitet, Weiter- oder Neuentwicklungen in der Legislaturperiode haben es aber schwer, aufgegriffen und umgesetzt zu werden. Es gilt ja der Koalitionsvertrag und dort sind sie nicht zu finden. Die Digitalisierung orientiert sich aber nicht an den Zeitabläufen eines Regierungsbündnisses, zu schnell sind die Veränderungen. Wer konnte sich vor vier Jahren schon vorstellen, dass heute eRoller durch die Städte fahren, oder das Facebook mit einem neuen Banking-Angebot bei den Nutzern punkten will. Angesichts derartiger Umbrüche sollte bei Koalitionsverträgen im Bereich der Digitalisierung der Versuch unternommen werden, auch mit Öffnungsklauseln zu arbeiten, die eine ständige Weiterentwicklung politischer Vorgaben möglich machen. Das nennt man dann „dynamisches Regieren“.

Open Data

Die Bremer Koalition sieht in der Gleichbehandlung aller Daten im Internet die Voraussetzung für wirtschaftliche und demokratische Chancengleichheit im Netz. Das Land will sich auch weiterhin auf allen politischen Ebenen für die effektive Sicherung der Netzneutralität und gegen ein „Zwei-Klassen-Internet“ einsetzen. Beschrieben wird, dass die Digitalisierung alle Lebensbereiche verändern wird, von der Bildung über die Mobilität, die Arbeitswelt, die Landwirtschaft bis zur Art, wie wir miteinander ins Gespräch kommen.

Mit der Online-Terminbuchung, den Bürgerinformations-Service in der Stadtbibliothek und neue Online-Angebote wie zuletzt das „Online-Finanzamt“ wurde die Dienstleistungsqualität der Bremer Verwaltung bereits verbessert. Bremen will jedoch den digitalen Wandel in der Gesellschaft dazu nutzen, die Verwaltung insgesamt bürgerfreundlicher zu gestalten. „Wir wollen den Einsatz von Finanzmitteln zukünftig stärker an der Herausforderung der Digitalisierung orientieren. Unser Vorhaben: das Antragsverfahren so zu gestalten, dass die Digitalisierung zu Effizienzeffekten und Entbürokratisierung führt. Dies betrifft sowohl die Verwaltung als auch die Bewilligung von Förderprojekten. Davon profitieren auch die Wirtschaft und die Fördergeldempfänger*innen des Landes“, heißt es im Vertrag.

Erwähnt wird auch, was eigentlich selbstverständlich ist, nämlich gesetzliche Vorgaben umzusetzen. So will man die Verwaltungen bürgerfreundlich modernisieren und sie entsprechend den Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes bis 2023 digitalisieren. Hier will Bayern allerdings deutlich schneller sein. Zudem ist dafür eine ausreichende Finanzierung Voraussetzung.

Als Leitlinie für die Digitalisierung in Bremen gilt das Motto „Users First“. Mit zusätzlichen Online-Möglichkeiten, sollen Termine vereinbart werden, Fragen gestellt und Dokument bestellt werden können. Der Senat will dazu in allen Zuständigkeitsbereichen die Prozesse so umgestalten, dass die Leistungen für Bürgerinnen, Bürger, Unternehmen, Vereine und Verbände sowie andere Verwaltungen effizienter und effektiver erbracht werden.

„Wir werden die Verwaltung so aufstellen, dass sie zeitlich flexibel für berufstätige Menschen ist. Digitale Möglichkeiten sollen das Angebot erweitern, aber bestehende Alternativen wie den persönlichen Kontakt nicht ersetzen“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag. Wo es im direkten Kontakt mit den Bürger*innen notwendig ist, müsse die Verwaltung mehrsprachig und in einfacher Sprache kommunizieren. „Wir wollen mehr Personal für Bürgerpartizipation, Bürgerkonsultationen, direkten Bürgerdialog (z. B. durch bessere telefonische Erreichbarkeit über das Bürgertelefon 115, Informationstreffen)“, heißt es weiter.

Das Ziel des Bremer Koalitionsvertrages ist es, die Verwaltung so weiter zu entwickeln, dass sie schnellere und bessere Rückmeldungen auf Eingaben von Bürger*innen im Sinne der Verfahrenstransparenz geben kann. Jede Behörde soll sich zudem auf bürgerfreundlichere Fristen für ihre unterschiedlichen Prozesse verpflichten.

Es soll zudem rechtlich geprüft werden, wie und ob es möglich ist, die Bearbeitungszeit von Anträgen zu beschleunigen und Antragsverfahren für Bürger*innen einfacher und transparenter zu gestalten. Darüber hinaus soll ein Verfahrens­kodex für verlässliche und zeitnahe Antworten der Verwaltung auf Anfragen und Anträge der Bürger verabschiedet werden.

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