eGovernment und die Folgen für die politischen Wissenschaften

Wenn sich Politik in IT manifestiert ...

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Systemintegration ist politische Philosophie

Gleichzeitig haben wir es mit massiven Transformationen zu tun, die lieb gewonnene Institutionen wie die Verlags- oder Musikindustrie, aber auch unsere Demokratie gefährden können – man denke nur an den Angriff auf die Rechtstaatlichkeit im Fall von Stuttgart 21.

Das ist eine vollkommen neue Herausforderung für Staaten und Gesellschaften. Doch diese Schattenseiten begleiten jede technische Revolution, vor allem, wenn sie so tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringt wie die Informationsrevolution und alle Lebensbereiche durchdringt. Diesem müssen wir in neu gedachten Architekturen Rechnung tragen.

Fest steht: Unsere Situationslogik hat sich durch neue Organisationsformen grundlegend verändert. Damit hat wohl selbst der Vater der Transaktionskostentheorie, der britische Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Ronald Coase, nicht gerechnet.

Er ging noch davon aus, dass bei fallenden Transaktionskosten die hierarchisch aufgebaute Organisation wachsen würde. Das Spannende an der heutigen Revolution aber ist, dass offene Prozessketten, die weder hierarchisch organisiert noch durch Markttransaktionen geleitet sind, inzwischen weltweit wichtige Grundbedürfnisse abdecken: Vom Wissensmanagement (Wikipedia) über Nah- und Fernverkehr (Mitfahrzentrale.de) bis zur Krisenkommunikation (Ushahidi.com) werden Einzelpersonen oder Organisationen in die Lage versetzt, globale Gemeingüter zur Verfügung zu stellen.

Das heißt, die Nachfolger bestehender Institutionen werden ganz anders aussehen, als unsere heutigen Staaten, Unternehmen oder Interessenorganisationen, die bislang hierarchisch strukturiert und organisiert sind.

Die politischen Entscheider müssen also politische Philosophie als Systemintegration verstehen: Projekte wie der neue Personalausweis, De-Mail, Netze des Bundes, oder P23R sind mehr als technische Projekte, sie sind politische Theorie in Software-Spezifikationen geschrieben. Und um diese brauchen wir einen gesamtgesellschaftlichen politischen Diskurs!

Netzpolitik ist zur zentralen Fragestellung geworden. Wir müssen sie ernst nehmen als das, was sie ist: Politische Philosophie, die sich hinter Fragen der Systemintegration verbirgt.

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