Vermeintliche Bitstream-Alternativen im Kampf gegen Crosstalk So funktioniert VDSL2-Vectoring

Autor / Redakteur: Dirk Srocke / Dipl.-Ing. (FH) Andreas Donner

Im Vorjahr hatte die Bundesnetzagentur (BNetzA) konkrete Bedingungen für den Einsatz der Vectoring-Technologie festgelegt. Wir schildern, wie Provider heute mit der Technik Durchsätze und Zuverlässigkeit von VDSL2 steigern.

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Dank Vectoring können Kupferkabel noch immer zeitgemäße Geschwindigkeiten liefern.
Dank Vectoring können Kupferkabel noch immer zeitgemäße Geschwindigkeiten liefern.
(Bild: DTAG)

Das Gros der Breitbandzugänge in deutschen Festnetzen basiert auf DSL. Laut Angaben der Bundesnetzagentur wurden 2013 insgesamt 28,7 Millionen Breitbandanschlüsse betrieben, davon entfielen 23,2 Millionen auf DSL. Für Provider bleibt die Technik ein preisgünstiger Migrationsschritt auf dem Weg zur kompletten Glasfaservernetzung, da klassische Telefoniekabel für Breitbandzugänge auf der letzten Meile weitergenutzt werden können.

Die Herausforderung dabei: Während Daten per Glasfaser verlustfrei über lange Distanzen transportiert werden können, sind Signale in Kupferkabeln störanfällig und werden mit wachsender Entfernung zunehmend gedämpft. Dementsprechend nah rücken Glasfasern mittlerweile an den Endkunden: Begann das Kupferkabel beim klassischen DSL schon in der Vermittlungsstelle, führen Glasfasern beim Nachfolger beim derzeit aktuellen VDSL bis zum Verteilerkastern.

Doch selbst auf diesen kurzen Strecken sinken Datenraten rasch ab. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt im physikalischen Phänomen des Übersprechens (Crosstalk): Die kupfernen Kabel für verschiedene Teilnehmer sind in Bündeln zusammengefasst. Dort agieren die Adernpaare als Schwingkreise und beeinflussen sich gegenseitig negativ. Genau diesen Effekt soll das 2010 von der International Telecommunication Union (ITU) verabschiedete Vectoring-Verfahren G.993.5 abschwächen. Voraussetzung ist dabei, dass die Crosstalk-Amplituden kleiner als das Hauptsignal sind.

Fernübersprechen und andere Störungen

Beim Vectoring geht es ausschließlich um das Fernübersprechen (Far-end Crosstalk Signal, FEXT). Der störende Sender liegt dabei an einem Ende des Leitungsbündels, der beeinflusste Opfer-Empfänger am anderen Ende. Gegen Fremdübersprechen (Alien Crosstalk, AXT) ist der Ansatz an sich machtlos. Weniger kritisch ist dagegen das Nahübersprechen (Near-end Crosstalk, NEXT) – Störsender und gestörter Empfänger liegen am gleichen Ende des Bündels. Grund: An einem Bündelende liegen lediglich Upstream-Sender und Downstream-Empfänger (Endkunde) respektive Downstream-Sender und Upstream-Empfänger (Verteiler). Downstream und Upstream nutzen bei VDSL verschiedene Frequenzen; Interferenzen lassen sich dadurch weitgehend über Filter ausblenden.

Das auf ein Kabelpaar einwirkende Übersprechen lässt sich als Vektor der Interferenzen aller anderen Kabelpaare im gleichen Leitungsbündel beschreiben – daher rührt der Name des Verfahrens, das Crosstalking-Effekte kontinuierlich überwacht und in Echtzeit wieder als Gegenrauschen eingespeist.

Mehr Durchsatz oder längere Verbindungen

Theoretisch kann ein Vectoring Processing System, das FEXT komplett aus VDSL2-Signalen herausrechnen. Damit erhöht sich dann entweder die nutzbare Bandbreite bei gleicher Entfernung; wahlweise können auch weiter entfernte Endkunden mit der bislang verfügbaren Verbindungsgeschwindigkeit versorgt werden.

TK-Ausrüster Huawei geht davon aus, dass sich die durchschnittlichen VDSL2-Datenraten dank Vectoring um 70 Prozent steigern lassen. Bei kürzeren Verbindungen sei sogar eine Verdopplung möglich. In Zahlen ausgedrückt (PDF) bedeutet das: Über Distanzen von 300 Meter können Nutzer noch mit 100 Mbit/s rechnen, bei 500 Metern noch mit 80 Mbit/s. Vectoring lässt dabei auch mit weiteren Techniken kombinieren, beispielsweise dem als Bonding bezeichneten Zusammenfassen zweier Kupferpaare zu einer logischen Datenleitung.

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