Consulting im Public Sector Wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht zu helfen

Von Chiara Maurer

Der Druck, auf den digitalen Wandel und damit auf immer komplexer werdende Anforderungen an die eigene IT-Landschaft zu reagieren, setzt auch zahlreiche Einrichtungen der Öffentlichen Hand unter Zugzwang. Nicht selten sehen sich Institutionen aus personellen oder zeitlichen Gründen nicht in der Lage, erforderliche Schritte einzuleiten und greifen deswegen oftmals auf externe Beratungsdienstleister zurück.

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Umstritten und doch notwendig? Die Beauftragung von Consulting-Unternehmen sorgt nicht selten für Aufruhr
Umstritten und doch notwendig? Die Beauftragung von Consulting-Unternehmen sorgt nicht selten für Aufruhr
(© EtiAmmos – stock.adobe.com)

Die Welt wird digital und Behörden müssen mit der Digitalisierung Schritt halten können. Der Ausbau und die Standardisierung der IT-Verwaltung bei zeitgleicher Wahrung der Datensicherheit stellt zahlreiche Behörden vor eine Herausforderung, der sie sich selbst oftmals nicht gewachsen fühlen.

Sehen Verwaltungseinrichtungen keine Möglichkeit, Vorhaben eigenständig umzusetzen oder Maßnahmen zur Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen zu definieren, sind oftmals Consultings die Lösung. Jedoch sorgten in den vergangenen Jahren unterschiedliche Fälle von Beratungsleistungen in Behörden für Furore. Es stellt sich die Frage: Tragen Beratungsleistungen die metaphorischen Eulen nach Athen oder sind sie sogar Initiatoren der digitalen Transformation?

Der Big Spender: Das ­Verteidigungsministerium

Ab 2018 sorgte die Berateraffäre des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) dafür, dass der Einsatz von Beratern kritisch hinterfragt wurde. Unter der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sollen zahlreiche Aufträge an externe Berater vergeben worden sein – und das ohne vorherige Ausschreibung. Der Vorwurf der Vetternwirtschaft stand im Raum, ein Untersuchungs­ausschuss ging den Anschuldigungen nach.

„Ich bin der Meinung, wir brauchten Hilfe von außen“, kommentierte von der Leyen die Vorwürfe. Die benötigte Unterstützung fand sie in Beratungsleistungen im Wert von rund 155 Millionen Euro, die allein im ersten Halbjahr 2019 in Anspruch genommen wurden; 110 Millionen davon für Beratungen im IT-Sektor. Alle anderen Ministerien zusammen gaben, zum Vergleich, im selben Zeitraum hingegen lediglich 178 Millionen für Beratungsleistungen aus.

Von Seiten des BMVg hieß es damals, dass die Berater vor allem mit Aufgaben der Digitalisierung und der Cyberabwehr betraut ­worden seien, jedoch hielt die Opposition dieses Argument für nicht stichfest; hätte für diese Geldsumme doch auch eigenes Personal geschult werden können.

Ein Sachverständiger stellte schließlich fest: Zwar habe die Zielsetzung der Digitalisierungsvorhaben durch das Ministerium selbst stattgefunden, bei der Umsetzung dieser müsse jedoch auf die externe Beratung zurückgegriffen werden, da aufgrund des hohen Innovationstempos im IT-Sektor der Bundeswehr, entsprechend qualifiziertes Personal nicht schnell genug ausgebildet werden könne.

Unterstützung für die ­Bundesagentur für Arbeit

Die Reaktion von Behörden auf Vorwürfe in Bezug auf den übermäßigen Einsatz von Beratungsdienstleistern scheint ein Muster erkennen zu lassen; begründete doch auch die Bundesregierung wiederholte Beratungen durch externe Dritte in der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf ähnliche Art und Weise.

In den Jahren 2012, 2016 und 2021 vergab die Regierung mehrere Aufträge an ein externes Beratungsunternehmen. Mitglieder der Fraktion Die Linke nahmen dies zum Anlass einer Kleinen Anfrage und monierten, dass die Bundesregierung zwar darüber informiert habe, dass die Beratungen lediglich temporärer Natur seien, jedoch wiederholt derselbe Auftrag an dasselbe Unternehmen vergeben worden sei. Erneut wurden Stimmen laut, die die Akquise und Weiterbildung von internem Personal den Consultings vorzogen und diese hinterfragten.

Die Regierung verteidigte den Einsatz von IT-Beratern mit dem Argument, dass die IT der Bundesagentur für Arbeit eine der größten IT-Plattformen in Europa darstelle, weshalb sich unterschiedliche Bedarfe in unterschiedlichen Fachbereichen ergeben, die zudem oft nur von kurzer Dauer sind. Aus diesem Grund sei der Aufbau von entsprechendem Wissen und Kompetenzen innerhalb der BA „in den meisten Fällen nicht zielführend, zu aufwändig und nicht wirtschaftlich“.

Dass wiederholt das selbe Unternehmen die Aufträge erhielt, wurde damit begründet, dass die Leistungserbringer ihre Aufgaben zur Zufriedenheit der Auftragsgeber erledigten. So habe es für die BA keinen Anlass gegeben, die fachliche Eignung der bisherigen Auftragnehmer in Frage zu stellen.

Aktuell: Der Großauftrag der EU-Kommission

Erst in diesem Jahr vergab nun auch die EU-Kommission einen Großauftrag für Beratungsleistungen an acht Consulting-Unternehmen. Ihre Aufgabe: die Unterstützung aller EU-Institutionen, Agenturen und Einrichtungen in Sachen Digitalisierung sowie die Begleitung dieser auf dem Weg der digitalen Transformation. Vier Jahre lang sollen die Vertragspartner – darunter das Konsortium der Unternehmen Sopra Steria und PwC – die Einrichtungen nicht nur bei der Analyse des Status quo aktueller Strukturen und Verfahren beraten, sondern zudem bei der Strategieentwicklung und -umsetzung betreuen.

Mit dem Mehrfachrahmenvertrag verfolgt die Europäische Kommission das Ziel, „die Politik in die ­Praxis umzusetzen“ und die EU-weite Interoperabilität zu gewährleisten. Dazu sollen grenzüberschreitende öffentliche Dienste, wie digitale Verwaltungsleistungen, so weit etabliert werden, dass sie für alle Verwaltungen, Unternehmen und Bürger gleichermaßen zugänglich sind, um die Kommunikation auf diese Weise unkomplizierter zu gestalten.

Entwicklung während der Covid-19-Pandemie

Seit 2020 ist ein Umschwung in der Consulting-Branche erkennbar. Die Corona-Pandemie sorgte für einen Fortschritt in der Digitalisierung, denn Kontaktbeschränkungen und -verbote sowie Quarantäne und Isolation zwangen die Behörden, in eine Digitalisierungs­offensive überzugehen.

Durch den kurzfristigen Lockdown im März des ersten Pandemiejahres blieb nur wenig Zeit, eigenes Personal weiterzubilden oder neu zu akquirieren, weshalb die Lösung des Problems oftmals in Beratungsleistungen gefunden wurde. Eine Lünendonk-Studie zum Markt für IT-Beratung und IT-Service in Deutschland aus dem Jahr 2021 spiegelt dies ebenfalls wider.

Durch die hohe Nachfrage nach Beratungsdienstleistern im Bereich der Behörden und des öffentlichen Dienstes kristallisierten sich besonders Leistungserbringer in ­diesem Sektor als Profiteure der Pandemie heraus und konnten so Umsatzanteile gewinnen. Zu begründen ist dies durch die gestiegenen Konsumausgaben des Staats in den Bereichen eGovernment und IT-Modernisierung.

Guter Rat ist teuer – aber lohnt sich das?

Hohe Geldsummen und der Vorwurf, kein eigenes Personal für gewisse Tätigkeiten zu schulen oder zu beschaffen, sind nicht selten aufgeführte Argumente gegen die Beauftragung von Consulting-Unternehmen. Vor allem Behörden geraten regelmäßig ins Kreuzfeuer der Kritik, wenn sie auf externe Dritte zurückgreifen. Da aber besonders Einrichtungen der Öffentlichen Hand vom IT-Fachkräftemangel betroffen sind, scheint es oftmals der einzige Weg zu sein, Vorhaben, besonders im Bereich der IT und des eGovernments, zeitnah und zukunftsorientiert umzusetzen.

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