IoT: Technologien, Mindset, Strategien Vom Dornröschenschlaf zur Digitalisierung der Dinge

Autor Sylvia Lösel

Welche Vorteile bringt das Internet of Things? Wie vereinfacht es unser Leben, wie erreicht man dadurch mehr Nachhaltigkeit? Auf diese Fragen gilt es Antworten zu geben, um dem IoT in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Darüber war man sich in einer divers besetzten Diskussionsrunde einig.

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Für mehr Nachhaltigkeit und Energieeffizienz kann das IoT sorgen.
Für mehr Nachhaltigkeit und Energieeffizienz kann das IoT sorgen.
(Bild: greenbutterfly – stock.adobe.com)

Wer heute an IoT - das Internet of Things - denkt, hat zumeist Produktionsstraßen in Fabriken vor Augen, die mit Sensoren ausgestattet sind. Doch auch abseits von Industrie und Fertigung können IoT-Lösungen sinnvoll sein, etwa im Smart Home, bei der Gebäudeautomation oder im eingangs genannten Szenario.

Entscheidend für derartige Lösungen ist die zu Grunde liegende Technologie: Die Sensoren müssen eine lange Lebensdauer haben, sicher und bidirektional funken können und kostengünstig sein. „Die Vorzüge einer Datenübertragung mit hoher Reichweite und dabei geringem Leistungsverbrauch erfüllen nur die wenigsten Technologien“, ist beispielsweise auf der Website von Line Metrics zu lesen. Das österreichische Unternehmen hat sich der Gebäudeautomation verschrieben und will europäischer Marktführer für Datenerhebung in Bestandsgebäuden werden. Der Anbieter setzt dabei auf LoRaWAN (Long Range Wide Area Network). Denn „gängige Sensorlösungen, die auf WLAN, Bluetooth oder Zigbee basieren, haben unter optimalen Bedingungen eine maximale Reichweite von rund 100 Metern. Das ist in der Praxis für eine Industriehalle oft nicht ausreichend und für ein größeres Areal im Freien zu wenig.“

Bei WLAN kommt hinzu, dass es in etwa drei Mal so viel Strom wie ein herkömmliches LoRa-Modul benötige. Parallel zu LoRaWAN gibt es jedoch noch andere Low Power Wide Area Networks (LPWANs). Dazu zählen Sigfox und Nb-IoT.

Auf dem Weg zum energieeffizienten Netzwerk

Ein Betreiber, der gerade in Deutschland dabei ist, LoRaWAN-Netze aufzubauen ist melita.io. Deren Executive Chairman war bei der Diskussionsrunde „Deutschland und die Digitalisierung – verschlafen wir nun auch IoT?“ dabei, die von der Agentur Beil2 organisiert wurde.

Harald Rösch, Executive Chairman melita.io und CEO von Melita Ltd.
Harald Rösch, Executive Chairman melita.io und CEO von Melita Ltd.
(Bild: melita.io)

Es geht um Nachhaltigkeit, besseren Einsatz von Ressourcen und Reduzierung der Kosten, indem Informationen transparent gemacht werden, die dann als Entscheidungsgrundlage dienen

Harald Rösch, Executive Chairman von melita.io

„Ein Kunde nutzt unsere Technik für intelligente Mülltonnen. Damit konnte er 36 Prozent mehr Wertstoffe einsammeln, weil die Tonnen immer nutzbar waren, und 20 Prozent Treibstoff einsparen, weil sie nur noch dann geleert wurden, wenn es wirklich notwendig war. Und darum geht's im Kern bei IoT im B2B-Bereich: Es geht um Nachhaltigkeit, besseren Einsatz von Ressourcen und Reduzierung der Kosten, indem Informationen transparent gemacht werden, die dann als Entscheidungsgrundlage dienen“, sagt Harald Rösch, Executive Chairman von melita.io. Und mit Blick auf die Zukunft: „Wenn wir eine flächendeckende Abdeckung mit NB-IoT und LoRaWAN hätten – was in anderen europäischen Ländern bereits umgesetzt wurde – dann stellen wir ein energieeffizientes Netzwerk zur Verfügung, um jegliche Sensoren anzubinden. Damit hätten wir keine proprietäre Lösung mehr, sondern einen offenen Standard, den mehrere Wettbewerber für sich nutzen können.“

Vorteile sichtbar machen

Anna Dietrich, Referentin Mobilität, KI und Smart Cities beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.
Anna Dietrich, Referentin Mobilität, KI und Smart Cities beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.
(Bild: BVDW)

Dass das IoT in Deutschland oft noch in den Kinderschuhen steckt, hat jedoch nicht nur rein mit technologischer Entwicklung zu tun. Einen wichtigen Punkt, der hierzulande noch fehlt, benennt Rösch: „Ich glaube, wir müssen noch viel mehr Großprojekte realisieren, wo IoT und dessen Vorteile für die Menschen wirklich sichtbar werden.“ Ohnehin sind in Deutschland oft Bedenken lauter zu hören als die Vorteile. Anna Dietrich, Referentin Mobilität, KI und Smart Cities beim Bundesverband Digitale Wirtschaft benennt zwei: „Allerdings sehen wir auch, dass es zwei Haupthindernisse in der Entwicklung von Consumer-IoT gibt. Das ist zum einen die Anpassung des Nutzerverhaltens, zum anderen aber eben auch die Sorge der Verbraucher um die Privatsphäre und den Verlust von Datenschutz und Kontrolle. Das sind zwei Herausforderungen, die wir in Zukunft angehen müssen, um die Potenziale von IoT weiterzuentwickeln.“

So berechtigt diese sind, ist auch Dietrich überzeugt, positive Aspekte besser zu kommunizieren: „Wir müssen im IT-Bereich Use Cases etablieren, die einen nachhaltigen Mehrwert erlebbar machen. Dann steigt auch die Bereitschaft, Daten zu teilen und IoT im Alltag einzusetzen. Ich würde sogar so weit gehen, dass man insgesamt in der Gesellschaft besser darüber aufklären muss, inwieweit Daten auch wichtig sind für die wirtschaftliche Entwicklung. Warum es wichtig ist, dass wir auch einen Teil unserer Daten, natürlich so gut es geht anonymisiert, teilen, damit unsere Wirtschaft am Zahn der Zeit bleiben kann. Aber der Nutzer spielt hier eine ganz zentrale Rolle in seinem Verhalten und in seinen Denkmustern.“

Nachhaltig dank IoT?

Manuel Höferlin MdB, Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda und digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion
Manuel Höferlin MdB, Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda und digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion
(Bild: FDP)

In eine ähnliche Kerbe schlägt Manuel Höferlin, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. „Es geht um die Bereitschaft zur kollektiven Datennutzung. Also was bin ich bereit, von mir – in welcher Form auch immer – preiszugeben, damit es einen gesellschaftlichen Mehrwert gibt.“ Gerade auch in Bezug auf Nachhaltigkeit und das Erreichen der Klimaziele sieht Steffen Braun, Direktor des Forschungsbereichs Urbane Systeme beim Fraunhofer IAO, das IoT als wichtigen Baustein. „Wir sehen in vielen Projekten im Public Sector, wo wir mit Kommunen und mit Landesregierungen zusammenarbeiten, gerade wirklich die Chance, IoT als ganz wichtigen Baustein einzusetzen, um größere Herausforderungen zu meistern, beispielsweise hinsichtlich des Klimawandels die Einsparung von Ressourcen zu erreichen.“

Steffen Braun, Direktor, Leitung Forschungsbereich „Urbane Systeme“ beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO
Steffen Braun, Direktor, Leitung Forschungsbereich „Urbane Systeme“ beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO
(Bild: Fraunhofer IAO)

Zudem plädiert auch er für einen neuen Blickwinkel: „Es würde uns helfen, von dieser Diskussion „Wir haben ein Regelwerk und damit müssen wir arbeiten“ wegzukommen. Sondern wir sollten schauen, wo können wir davon abweichen, um dann geschützt und gesteuert aus der Neuentwicklung heraus Erkenntnisse abzuleiten für die große Skalierung.“ Während man im Energiebereich heute über Smart Meter und die Steuerung durch kleine Sensoren auf Ebene einzelner Haushalte diskutiere, hat Braun eher das große Bild im Blick: „Es gibt Konzepte, wo eine gesamte Infrastruktur geschaffen wird und ein gesamtes Quartier, also mehrere hundert bis tausend Haushalte gar keinen eigenen Zähler mehr haben, sondern nur noch einen Stromanschluss und der Rest regelt und optimiert sich selbst. Das gibt riesige Potenziale frei. Der Endkunde merkt davon nichts, aber es ist eine andere Architektur, die massiv helfen kann.“

Sein Fazit: „Ich glaube, das sind die spannenden Fragen: Wie können wir IoT jetzt mit den guten Rahmenbedingungen und Fundamenten, die wir haben, nutzen, um daraus eine proaktive und starke Missions-Orientierung aufzubauen? Wie setzen wir es richtig ein und wie gestalten wir die Zukunft mit allen relevanten Akteuren?“

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei IT-BUSINESS.

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