Schwarzbuch Verbrannte Steuergelder

Autor Susanne Ehneß

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) listet in seinem mittlerweile 48. Schwarzbuch wieder zahlreiche Arten von Steuergeldverschwendung auf. Insgesamt hat der Verband 100 Fälle auf kommunaler, Landes- sowie Bundesebene recherchiert.

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Wenn Steuergelder verbrennen, schaut der BdSt genau hin
Wenn Steuergelder verbrennen, schaut der BdSt genau hin
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Das aktuelle Schwarzbuch des BdSt zeigt Steuergeldverschwendungen quer durch die Bundesrepublik. Darunter sind skurrile Fälle wie die Investition von 900.000 Euro in ein Parkhaus, das in drei Jahren abgerissen werden soll oder der geplante Bau einer Seilbahn über die Elbe, wobei allein für das Gutachten und die Machbarkeitsprüfung mit Kosten zwischen 50.000 und 150.000 Euro gerechnet werden muss.

Auch im Bereich IT, Digitalisierung und Öffentliche Verwaltung gab es verpulvertes Steuergeld (oder droht Verschwendung). Der BdSt listet beispielsweise folgende Fälle auf:

Windows 7: Migration verschlafen

„IT und Hamburg – ein schwieriges Thema“. meint der BdSt. Politik, Behörden und Verwaltung hätten sich in jüngster Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wenn es um Bits und Bytes ging. Nun sei ein weiteres Kapitel von Pleiten, Pech und Pannen geschrieben, denn Hamburg habe die Migration des Betriebssystems verschlafen. Acht Jahre.

Microsoft bekannt gab 2012 bekannt, dass zum 14. Januar 2020 der Support und damit auch die Sicherheitsupdates für sein Betriebssystem Windows 7 eingestellt werden. Wie dem BdSt auf Nachfrage mitgeteilt wurde, liefen zum Stichtag in Hamburg noch 9.123 Computer mit Windows 7 – 8.082 davon bei der Polizei. Daraus machte der Senat folgende Bilanz: „Abzüglich der polizeilichen Endgeräte waren am 14. Januar 2020 bereits circa 98 Prozent der Endgeräte auf Windows 10 migriert.“

Und die Ursachen für die Verzögerung? „Dies ist im Wesentlichen durch noch nicht bereitgestellte Hard- oder Software begründet“, so die Antwort. Die hamburgische Verwaltung habe im November 2016 mit den Planungen zur Umstellung auf Windows 10 begonnen. Die Umstellung dauere bei der Polizei Hamburg und wenigen weiteren Fällen noch an.

Der Weiterbetrieb mit der veralteten Windows-Version kostet. Durch den Abschluss eines erweiterten Windows-7-Supportvertrags sind Kosten in Höhe von 526.000 Euro entstanden – davon entfallen auf die Polizei 476.000 Euro.

Digitale Fahrgastinformation

Die Stadt Reutlingen hat 2018 die digitale Fahrgastinformation (DFI) ausgebaut. Die DFI informiert an Bushaltestellen auf großen Monitoren in Echtzeit über die An- und Abfahrtszeiten. Dieser Service sollte auf das Umland, unter anderem in Eningen, ausgeweitet werden. Im April 2019 wurde in Eningen der Baubeschluss gefasst, an sieben Standorten sollten acht DFI installiert werden. Eingeplant waren dafür Kosten in Höhe von 127.000 Euro, 50 Prozent sollten vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur kommen. Das Ergebnis der Ausschreibung lag deutlich unter der Kostenberechnung (rund 75.200 Euro statt 95.200 Euro). „Es sah also nicht schlecht aus für den nächsten Schritt in Sachen Digitalisierung. Bis die Sache mit der Stromversorgung kam“, so der BdSt.

Ursprünglich sollten die Fahrgastanzeigen kostengünstig mit dem Strom der Straßenbeleuchtung versorgt werden, dies war aber nicht machbar. Daher musste der Strom aus dem allgemeinen Stromnetz bezogen werden, zudem war für jede Anzeigetafel ein eigener Stromanschlusskasten mit Zähleinrichtung erforderlich. Die Verteilerkästen lagen jedoch teilweise in größerer Distanz zu den Bushaltestellen – so wurden aus ursprünglich rund 127.000 Euro rund 215.000 Euro Gesamtkosten.

Kostengünstigere Lösungen, wie zum Beispiel Solaranlage, wären zudem nur bei sehr viel kleineren Monitoren im Format möglich gewesen. Letztlich wurde das Projekt komplett eingestampft, aber die Gemeinde blieb auf rund 36.000 Euro für bereits erbrachte Planungs- und Arbeitsleistungen sitzen.

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IT-Chaos beim Bund

Auch die IT-Konsolidierung der Bundesverwaltung findet Erwähnung im Schwarzbuch. Das Mammutprojekt soll die zersplitterte IT-Landschaft der Bundesbehörden vereinheitlichen, Rechenzentren, Prozesse und Dienste bündeln sowie die Sicherheit und Effizienz erhöhen.

Nach Meinung des BdSt hat die Regierung diese komplexe Reformaufgabe unterschätzt. Fortlaufend seien umfangreiche Änderungen und Erweiterungen vorgenommen und für viel Steuergeld externe Berater angeheuert worden. „257,6 Millionen Euro gab die Regierung bereits bis Anfang 2020 für teures Expertenwissen aus; bis zum derzeit geplanten Projektende sollen sich die Beraterkosten nochmals auf mindestens 578,2 Millionen Euro mehr als verdoppeln“, so der Verband.

Wie sehr das IT-Projekt aus dem Ruder gelaufen sei, lasse sich schon allein daran ermessen, dass die Regierung die ursprünglich taxierten Projektgesamtkosten zur Bündelung der anfangs rund 100 verschiedenen Rechenzentren und mehr als 1.200 Serverräume sowie der diversen IT-Dienste und Lizenzen grob auf einen „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“ geschätzt habe. „Dieses Geld verschlingen jetzt allein die angeheuerten Beratungsunternehmen – die aktuell kalkulierten Gesamtkosten sind auf 3,4 Milliarden Euro in die Höhe geschossen“, heißt es dazu.

Der BdSt geht davon aus, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sei: Wegen des Management-Chaos und der Kostenexplosion splittete die Regierung das Projekt inzwischen auf. Das zuvor zentral zuständige Innenministerium habe seit diesem Jahr nur noch Teil-Kompetenzen inne, wichtige Projektaufgaben würden nun vom Finanzressort verantwortet, und das übergreifende Controlling der IT-Konsolidierung sei beim Bundeskanzleramt platziert. „Durch die Umorganisation wird derzeit auch das Projekt neu analysiert: Eine neue Prioritätenplanung wird erstellt sowie eine ‚grundlegende Aktualisierung der Maßnahmen- und Ausgabenplanung‘ für bedeutsame Teilprojekte“, fasst der BdSt zusammen. „Das klingt bedrohlich für die Steuerzahler – so drohen weitere Mehrkosten und ein Reißen des Zeitplans über das Jahr 2025 hinaus. Damit steht die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts offen infrage, denn bereits die aktuelle, aber auch wohlwissend überholte Kalkulation sieht eine Rentabilität der neu aufgestellten IT-Landschaft frühestens für das Jahr 2037 vor“, fasst der BdSt zusammen und zieht als Fazit: „Die Regierung rechnet sich das Mammutprojekt schön.“

Corona-Soforthilfen

Probleme gab es mit der im März 2020 durch den Berliner Senat beschlossenen Corona-Soforthilfe II für Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer mit Zuschüssen von bis zu 5.000 Euro. Die Investitionsbank Berlin (IBB) überwies innerhalb von zwei Wochen rund 1,6 Milliarden Euro an 191.500 Antragsteller – „so schnell und unbürokratisch wie in keinem anderen Bundesland“, so der BdSt. In einer Kombination aus Bundes- und Landesmitteln gab es für Unternehmen mit maximal fünf Beschäftigten Zuschüsse von bis zu 14.000 bzw. 15.000 Euro bei bis zu zehn Beschäftigten.

Für Verwirrung sorgten bei den Antragstellern laut Steuerzahlerbund die unterschiedlichen Voraussetzungen der Programme. Bei der Frage, wofür die Soforthilfe II verwendet werden dürfe, habe es gravierende Unterschiede gegeben. Anfangs sei die Verwendung der Zuschüsse aus Landesmitteln auch für die Gehälter der Beschäftigten und entgangene Unternehmereinkünfte erlaubt gewesen, die Verwendung der Bundesmittel war für Personalkosten und zur Deckung privater Lebenshaltungskosten hingegen ausdrücklich verboten. Eine Einschränkung für beide Programme, dass die Tätigkeit im Haupterwerb ausgeübt werden muss, gab die IBB erst ab Ende März vor. Die kombinierte Beantragung aus Landes- und Bundesmitteln wurde dann nach einer Bearbeitungspause bereits am 6. April auf Beschluss des Senats in ein einheitliches Bundesprogramm überführt. Hierdurch standen dann Zuschüsse für Unternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten in Höhe von 9.000 Euro und für 6 bis 10 Beschäftigte in Höhe von 15.000 Euro zu Verfügung.

Bis dahin waren aber in fünf Tagen bereits rund 900 Millionen Euro von der IBB an mehr als 100.000 Unternehmen, Solo-Selbstständige und Freiberufler überwiesen worden. Bis zum Ende des Programms hat die IBB insgesamt knapp 1,8 Milliarden Euro an 212.455 Antragsteller ausgezahlt, aber auch rund 28.000 Anträge abgelehnt.

Der Vorstandsvorsitzende der IBB bestätigte in einem Fernsehbeitrag, dass eine Identitätsprüfung im Sinne der Vorlage eines Personalausweises bei der IBB nicht habe stattfinden müssen. Die Prüfung habe sich darauf bezogen, dass die Überweisung auf ein Konto erfolgte, bei dem Kontoinhaber und Kontoeröffner deckungsgleich gewesen seien. Deutlicher benannte ein Vertreter des Landeskriminalamts den Grund für die unzureichenden Kontrollen: „Wir wissen, dass die IBB aufgrund des politischen Willens hier keine großartigen Prüfungen am Anfang vorgenommen hat. Dadurch ist natürlich die Tatgelegenheit zum Betrügen sehr groß gewesen.“

Immerhin konnte laut BdSt die IBB Mitte Juli davon berichten, dass 16.352 Antragsteller Zuschüsse in Höhe von 109 Millionen Euro zurückgezahlt hätten und für alle rund 246.000 Anträge inzwischen ein kompletter Datenabgleich mit den Finanzämtern durchgeführt worden sei.

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Radzählstellen

Die Stadt Stuttgart baut ihre Radwegenetz aus und setzt auch auf – wie der BdSt moniert – teure Radzählstellen. Laut Stadt sollen diese Zählsäulen fürs Radfahren werben und den Vorbeifahrenden signalisieren, dass sie als Verkehrsteilnehmer wichtig für eine nachhaltige Mobilität sind.

Insgesamt will die Stadt laut BdSt elf neue Dauerzählstellen einrichten, zehn von ihnen erhalten ein Infoterminal. Für den Bau einschließlich der Stromanschlüsse rechnet die Stadt mit Kosten von 520.000 Euro. Darin sind die Betriebskosten für die ersten zehn Jahre enthalten. Mit bis zu 175.000 Euro werden die neuen Stuttgarter Fahrradzählstationen vom Bundesverkehrsministerium im Rahmen des Programms „Saubere Luft 2017-2020“ gefördert.

Behördenverlagerungen

Der BdSt hat Vorbehalte hinsichtlich der geplanten bayerischen Behördenumzüge. Im Rahmen der „Landesstrategie Bayern 2030“ sollen in den kommenden Jahren 3.000 staatliche Stellen von der Landeshauptstadt München in strukturschwächere Regionen verlagert werden.

So ist beispielsweise geplant, den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit 120 Stellen von München nach Ansbach in Mittelfranken umzusiedeln. Ein Teil des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr soll mit rund 200 Mitarbeitern nach Augsburg ausgelagert werden. Im Raum Weiden sollen künftig rund 300 Mitarbeiter des Landesfinanzamts eine neue Heimat finden. In Zwiesel werden 300 Stellen für Finanzbeamte entstehen, die sich um Fragen und Neuberechnung der Grundsteuer kümmern werden. In Freyung-Grafenau wird ein neues Verwaltungsgericht mit 40 Mitarbeitern, das bisher am Verwaltungsgericht Regensburg angesiedelt war, gegründet. Das zentrale Schulungszentrum des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit soll von München nach Bad Kissingen in Unterfranken verlagert werden. Und in Hof soll ein zentrales Polizeibeschaffungsamt mit 300 Arbeitsplätzen etabliert werden. Von dort werden künftig Polizeibeamte aus ganz Bayern mit Uniformen und Ausrüstung versorgt.

„Diese beispielhaft genannten Behördenverlagerungen sind zwar ein starkes Signal, dass die schwächsten Landkreise im Freistaat Bayern unterstützt werden sollen“, kommentiert der BdSt. „Allerdings ist zu hinterfragen, ob durch Behördenverlagerungen schwache Regionen tatsächlich gerettet werden können und einer Abwanderung langfristig entgegengewirkt werden kann. Auch aus der Öffentlichen Verwaltung selbst wurden gegenüber dem Bund der Steuerzahler Bedenken und Befürchtungen geäußert, dass durch Behördenverlagerungen bisher gut funktionierende Verwaltungen geschwächt werden könnten.“

Alle aufgedeckten Fälle können auf der entsprechenden BdSt-Seite nachgelesen werden.

Das Schwarzbuch kann hier kostenfrei bestellt werden.

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