Mit IoT zur smarten Gemeinde Straßenbeleuchtung nach Stundenplan

Autor / Redakteur: Ariane Rüdiger / Lisa Marie Waschbusch

Der Ortsteil Martinfeld in der thüringischen Gemeinde Schimberg im Eichsfeld ist seit Juni die erste Gemeinde Deutschlands, in der die Straßenbeleuchtung komplett zentral durch IoT gesteuert wird. Doch damit nicht genug: Weitere Anwendungen sind schon geplant.

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In der kleinen Gemeinde Martinfeld wird die gesamte Straßenbeleuchtung neuerdings über das IoT gesteuert.
In der kleinen Gemeinde Martinfeld wird die gesamte Straßenbeleuchtung neuerdings über das IoT gesteuert.
(Bild: Pixabay / CC0 )

Im Zusammenhang mit Smart Cities fallen einem meist die großen Metropolen der Welt ein. Doch smarte öffentliche Dienste haben nichts mit der Einwohnerzahl zu tun. Im Gegenteil: Manchmal sorgt Überschaubarkeit dafür, dass Dinge schneller zustande kommen.

Ein Beispiel dafür ist der Ortsteil Martinfeld der thüringischen Gemeinde Schimberg im Eichsfeld. Dieser Ortsteil hat rund 660 Einwohner und 98 Straßenlaternen, die sich auf etwa 3,5 Straßenkilometer verteilen. Neben dem technologisch aufgeschlossenen Bürgermeister Gerhard Stitz gibt es im Ort auch einen fachkundigen Unternehmer: Jan Bose, Geschäftsführer der Alpha-Omega Technologie GmbH & Co.KG sowie Betreiber eines IoT-Onlineshops. Bose sieht sich vor allem als Berater und sitzt im Ortsparlament von Martinfeld.

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Straßenbeleuchtung: Kostspielige Angelegenheit

Die Straßenbeleuchtung war dort vor dem IoT-Projekt immer wieder eine Quelle von Ärger. „Wir wussten meist erst, dass eine Leuchte defekt war, wenn jemand kam oder anrief und das meldete“, erinnert sich Bürgermeister Stitz. „Da der Bauhof für insgesamt vier Gemeinden zuständig ist und außerdem zum Austausch der Leuchtmittel eine Hebebühne mieten muss, dauerte es meist mehrere Wochen, eine ausgefallene Leuchte zu reparieren.“ Zudem seien tief nachts 90 Prozent der Straßenlampen wieder ausgeschaltet worden, um Stromkosten zu sparen. Immerhin kostete die Elektrizität für die Straßenbeleuchtung trotzdem 6.600 Euro jährlich.

In Bose fand Stitz einen Partner, mit dem er das Problem an der Wurzel anpacken konnte. Es wurde ein innovativer Projektplan entwickelt, dann folgte ein Antrag auf Fördermittel bei der EU im Bereich Energieeinsparung, um das Beleuchtungsproblem zu lösen – und vielleicht noch viele weitere Probleme. Die Idee: Statt konventioneller Leuchtmittel werden alle Straßenleuchten auf LED umgerüstet, zudem erhält jede einen Sensor mit integriertem LoRaWAN-Funksender und eine Webschnittstelle, über die gemessene Werte an das zentrale System übergeben werden können. Der Administrator sieht eine Karte, auf der jede Lampe mit ihrem aktuellen Status eingezeichnet ist. In der Steuerzentrale wird ein LoRaWAN-Gateway ans Internet angeschlossen, über das der Steuerserver seine Informationen erhält.

LoRaWAN (Long Range Wide Area Networks) ist ein mit niedriger Energie im 866-MHz-Band funkendes Weitverkehrsnetz mit Bandbreiten im Bereich zwischen 0,3 und 50 Kbit/s. Das reicht, um regelmäßig einige Messwerte und Steuerimpulse zu übertragen. LoRa ist eine Umsetzung von LPWAN (Low Power WAN). Die Chips für die LoRa-Technologie sind derzeit ausschließlich von Semtech gefertigt. Hinter LoRaWAN steht der Industrieverband LoRaWAN Alliance, der eine MAC-Schicht für Lösungen mit den LoRa-Chips von Semtech entwickelt hat. Eine alternative Verbindungstechnik mit LoRa-Chips stammt von Symphony Link.

IoT-Projekt mit Mitbestimmung

Zurück nach Martinfeld: Dort wurden die Bürger in die Planung mit einbezogen. Sie durften bei der Auswahl des passenden Leuchtkopfes mitbestimmen: Drei Straßenleuchten mit jeweils unterschiedlichen Köpfen erhielten einen roten, einen gelben und einen grünen Druckknopf, um zu bewerten, wie gut die Leuchte gefiel. Am Ende wurde der Befund der Befragung mit anderen Kriterien abgeglichen.

„Wir haben uns dann für die zweitbeliebteste Lösung entschieden“, sagt Bose. Der Grund: Die beliebteste erforderte bei der Montage, dass das Gehäuse aufgeschraubt wurde und der Hersteller war laut Bose nicht sofort bereit, zehn Jahre Garantie zu geben. Das war für den letztlich ausgewählten Anbieter Schredér kein Problem. Schließlich sind seine Leuchtmittel auf 100.000 Stunden ausgelegt, bei den 3.000 Jahresbeleuchtungsstunden in Martinfeld also mehr als 30 Jahre. Die Leuchtköpfe kosten etwas über 200 Euro das Stück. Insgesamt fielen am Ende rund 50.000 Euro Kosten an, je zur Hälfte für Material und zur Hälfte für Montage. Konzept, Beratung und Projektsteuerung leisteten Bose und sein Team kostenlos.

Der Sensor mit Sender, der an jeder Straßenleuchte angebracht wurde, kommt von dem rumänischen Unternehmen Flashnet, das Gateway vom französischen Hersteller Kerlink. Gemessen werden an jeder Leuchte Schaltzustände, Spannung und Leistung. Änderungen am Schaltplan lassen sich einspielen.

Seit Juni sind alle Straßenleuchten umgestellt. Bürgermeister Stitz ist hochzufrieden. „Wir sparen inzwischen etwa die Hälfte der Stromkosten für die Beleuchtung ein, selbst wenn nachts alle Leuchten angeschaltet sind“, berichtet er. Zudem emittiert die Gemeinde rund 80 Prozent weniger Kohlendioxid infolge der Straßenbeleuchtung als bisher. Jede Lampe lässt sich über die Software Intellilight sekundengenau steuern, Fehler und Ausfälle werden automatisch gemeldet. „Die Leuchten werden um Mitternacht auf 20 Prozent heruntergedimmt und eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang ausgeschaltet“, erklärt Bose.

Individuelle Beleuchtung nach Wunsch

Sogar Wunschschaltungen sind möglich: Ein Taxifahrer, der jeden Morgen zwischen zwei und vier Uhr morgens mit den frischen Tageszeitungen für die Verteilung vor seinem Haus parkt, bekommt genau dann die 80 Prozent Leuchtleistung, die er braucht, um sicher entladen zu können. Bei Gelegenheiten wie dem Feuerwehrfest können die Leuchten rund um den Festplatz selektiv auf voller Kraft gefahren werden. So etwas war vorher undenkbar.

Bürgermeister Stitz überlegt, wie er die Arbeit der Gemeindeverwaltung optimieren kann. Das implementierte System stellt die Weichen für zukünftigen Service in der Gemeinde. Zukünftig könnten weitere Sensoren zum Einsatz kommen. Denkbar wäre es, den Füllstand von öffentlichen Abfallbehälter zu überwachen. Dann bräuchte der Bauhof diese nicht permanent kontrollieren. Personal könnte effizienter eingesetzt werden.

Das Beispiel Martinfeld zeigt: Man muss keine Großstadt sein, um von IoT zu profitieren. „Wir haben bereits Anfragen von zwei Gemeinden aus Schleswig-Holstein, eine davon in Zusammenhang mit einem Energieanbieter“, freut sich Bose. Schließlich verspricht eine IoT-Lösung wie die in Martinfeld Erleichterungen und mehr Komfort - nicht nur bei der Straßenbeleuchtung, sondern zum Beispiel auch bei Verbrauchszählern für Gas, Wasser und Strom.

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