Rekrutierung Soziale Medien statt Musterung
Seit Aussetzung der Wehrpflicht vor zehn Jahren muss die Bundeswehr verstärkt um Rekruten werben. Der Nachwuchs soll nun auch über Instagram, Youtube & Co. gewonnen werden.
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In der Bundesrepublik gab es die Wehrpflicht und die Möglichkeit des Ersatzdienstes in den Jahren 1956 bis 2011. Dabei wurde ihre Dauer in den Jahren zuvor immer weiter verkürzt; zuletzt betrug sie nurmehr sechs Monate.
Zäsur
Für Bundeswehr und Gesundheitswesen bedeutete die Abschaffung der Wehrpflicht beziehungsweise des Zivildienstes vor allem ein Wegbrechen von Personal, beim Nachwuchs gab es keinen unaufhörlichen Nachschub mehr. Junge Männer, die erst während ihres Wehrdienstes auf den Geschmack kamen, eine Karriere bei den deutschen Streitkräften anzustreben, fielen durchs Raster. Die Bundeswehr muss seither verstärkt um Berufsanfänger werben – in Konkurrenz zur freien Wirtschaft.
Das ist nicht nur aufwendig, sondern auch teuer. Vor dem Umbau prophezeite der damalige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Wehrbeauftragte des Bundestages Reinhold Robbe, dass eine Berufsarmee 3,5 bis 7 Milliarden Euro teurer sei als das Wehrpflichtmodell – und zwar auch aufgrund des Personalmangels, der zu massiven Investitionen in die Rekrutierung und Attraktivität als Arbeitgeber führe.
In der Tat ging die Anzahl der Soldaten mit Aussetzung der Wehrpflicht massiv zurück (siehe Grafik), die Truppe wächst mittlerweile aber wieder. Aktuell leisten 183.131 Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst bei der Bundeswehr: Berufssoldaten, Zeitsoldaten und freiwillig Wehrdienstleistende.
„Weltweit erfolgreichste Behörde bei Youtube“
Für die Rekrutierung nutzen die Streitkräfte auch die sozialen Medien. Die Bundeswehr ist auf Twitter, Facebook, Instagram, Flickr und Youtube aktiv, gibt dort einen Einblick in ihre Aufgaben und macht Werbung in eigener Sache. Zusätzlich zu den offiziellen Kanälen gibt es noch weitere Social-Media-Auftritte der Teilstreitkräfte und der anderen Organisationsbereiche.
Laut Bundeswehr werden über alle Kanäle hinweg täglich 1,5 Millionen Menschen erreicht. Der Youtube-Kanal mit Infos, Reportagen und Interviews zum Alltag der Truppe sowie historischem Filmmaterial sei sogar der erfolgreichste Behörden-Youtube-Kanal der Welt.
„Die Auftritte der Bundeswehr in sozialen Medien werden redaktionell geplant, erstellt und begleitet“, betont die Bundeswehr auf ihrer Website. Die Gesamtverantwortung trage der Presse- und Informationsstab aus dem Bundesministerium der Verteidigung.
Für die Nachwuchsgewinnung gibt es auf Facebook, Instagram und Youtube zusätzliche Kanäle, auch auf den Karriere-Netzwerken Xing, Snapchat und Linkedin betreibt die Bundeswehr Profile in ihrer Rolle als Arbeitgeber.
Kosten
Für die Bundeswehr-Auftritte auf den Plattformen entstehen laut Bundesregierung keine Kosten, allerdings würden die „personalwerblichen Bundeswehr-Auftritte“ zum Teil „von Rahmenvertragspartnern betreut“. Zudem habe es in der Vergangenheit eine „punktuelle Zusammenarbeit“ mit Influencern gegeben. Auf den Arbeitgeberprofilen Xing und kununu fallen laut Bundesregierung jährlich Ausgaben in Höhe von insgesamt 26.000 Euro an.
Kritik
Die Fraktion „Die Linke“ sieht das Engagement auf den Online-Plattformen kritisch, „weil hier vor allem sehr junge, häufig sogar minderjährige Personen angesprochen werden“. Zudem zeichne die Bundeswehr in den sozialen Medien ein eigenes, einseitig positives Bild ihrer Arbeit, „welches mit der Realität wenig zu tun hat“.
Die Bundesregierung reagiert auf die Kritik besonnen. Die Bundeswehr komme mit ihren Auftritten in den sozialen Medien ihrem verfassungsmäßigen Auftrag zur Information der Bürger über ihre Tätigkeiten, Vorhaben und Ziele nach. Im Rahmen ihrer Personalwerbung informiere sie „umfassend, verantwortungsvoll, authentisch und zeitgemäß über die Besonderheiten des Arbeitgebers Bundeswehr, der sinnstiftende und qualifizierende Berufe bietet, die für Soldatinnen und Soldaten mit besonderen Gefahren und Risiken verbunden sind“.
Dies geschehe beispielsweise in Anzeigen, auf Plakaten oder in den bundeswehreigenen Webserien. Zudem nehme jeder Interessent im Vorfeld einer Bewerbung an einem ausführlichen Informations- und Beratungsgespräch teil, in dem die Risiken und Gefahren des Soldatenberufs transparent und offen kommuniziert würden.
Social-Media-Zielgruppe
Wie die Bundesregierung betont, richten sich die „personalwerblichen Maßnahmen“ an die Zielgruppe der 17- bis 35-Jährigen. Aber: Die Studie „Jugend, Information, Medien 2020“ des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest hat ergeben, dass sich 58 Prozent der 12- bis 19-Jährigen regelmäßig Videos auf Youtube ansehen – die relevante Zielgruppe wird also erreicht, aber eben auch deutlich Jüngere.
Zum Youtube-Kanal „Bundeswehr Exclusive“ gibt es genauere Zahlen, zumindest der Volljährigen: Das Durchschnittsalter der Abonnenten und Zuschauer liegt hier laut Bundesregierung unter den 18- bis 24-Jährigen bei etwa 42 Prozent und bei den 25- bis 34-Jährigen bei rund 30 Prozent.
„Soziale Medien sind fester Bestandteil der gesellschaftlichen Kommunikation“, betont die Bundesregierung. Die Erweiterung der Informationsarbeit auf soziale Medien sei zeitgemäß. Zudem ermöglichten die Videos, Bilder und anderen Infos der Bundeswehr einen „Einblick in das Regierungshandeln“ und sorgten damit für Transparenz.
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